Die beste Bildung findet ein gescheiter Mensch auf Reisen – Johann Wolfgang von Goethe
Goethes weisen Worte folgend, lasse ich das hübsche Erfurt hinter mir, um weiter in die Vielseitigkeit von Thüringen einzutauchen. Die Kulturstadt Weimar erwartet uns. Wir steigen in die Bahn, lassen die hübschen Fachwerkhäuser hinter uns und erreichen knappe zwanzig Minuten später Weimar, das so ein ganz anderes Flair versprüht. Auf dem Weg zu unserem Hotel – dem Dorint am Goethepark – lasse ich die vorbeiziehenden Stadtbilder auf mich wirken; vorbei an stattlichen Villen und durch wunderschöne Alleen – selbst der hartnäckige Regen kann der Eleganz der Stadt kaum was anhaben.
Im Dorint angekommen, werde ich von einer tollen Aussicht auf Goethes Garten überrascht. Zudem erwartet mich auf dem Kopfkissen ein schön geflochtener Zwiebelzopf. „Zwiebeln?!“, fragt ihr euch jetzt vielleicht. Genau, am zweiten Oktoberwochenende dreht sich in Weimar seit 360 Jahren nämlich alles um die Zwiebel. Begonnen hat die Tradition anno 1653 als „Vieh- und Zippelmarkt“. Heute locken rund 600 Stände mit kulinarischen Köstlichkeiten, traditionellem Festtreiben und vielseitigem Unterhaltungsprogramm mehr als 300‘000 Besucher nach Weimar. In der sonst beschaulichen Stadt, wuselt es nur so von Besuchern.
Eigentlich sollte ich auf diesem Gebiet ja Experte sein, denn die Hauptstadt meines Heimatkantons – Bern – hat eine ähnliche Tradition. In Bern heisst der Anlass „Zibelemärit“ und findet immer am vierten Montag im November statt (dieses Jahr am 25. November). Gemeinsam haben sie auch den offiziellen Starttermin. Sowohl in Bern wie auch in Weimar findet die Eröffnung um 6 Uhr in der Früh statt. Ich würde euch ja an dieser Stelle eigentlich gerne mehr über die Gemeinsamkeiten und Unterschiede erzählen, nur leider muss ich zu meiner Schande gestehen, dass ich den Zibelemärit in Bern noch gar nie besucht habe…
Umso besser, dass ich nun in Weimar die Gelegenheit habe, mich voll und ganz ins Zwiebelmarkt-Getümmel zu stürzen. Zuerst gibt es aber eine Stärkung. In der Lobby des Dorint stimmen wir uns mit traditionellem Zwiebelkuchen auf das Wochenende ein. Anschliessend begeben wir uns ins geschichtsträchtige Gasthaus zum Weissen Schwan (Frauentorstraße 23), das sich direkt neben Goethes Wohnhaus am Frauenplan befindet. Mein Höhepunkt, nebst der riesen Portion Thüringer Klösse, ist die Nachspeise, die inklusive einer Liebeserklärung von Goethe serviert wird. Wie die Liebeserklärung lautet? Das bleibt mein Geheimnis ;).
Nach dem Nachtessen folgt ein kurzer Bummel durch Weimar’s Gassen. Wir besinnen uns jedoch auf unsere Mission und legen uns zeitig schlafen . Schliesslich wollen wir am nächsten Morgen um keinen Preis die Eröffnung des Zwiebelmarktes – inklusive Zwiebelmarktkönigin – verpassen.
Nun, leider regiert in meinem Innern manchmal so ein kleiner Tollpatsch-Zwerg. Anders kann ich es mir nicht erklären, wie ich es zustande bringe, den Wecker auf 6:30 Uhr zu stellen, wenn wir uns eigentlich um 6:00 Uhr in der Hotellobby treffen wollten. Das Nonplusultra schlechthin war aber, dass ich es selbst am Morgen nicht realisierte. Ich stellte den Wecker ab, zog mich gemütlich an und schlurfte gegen 06:55 Uhr in die Lobby runter. Erst dort unten, als ich auf die Uhr blickte und realisierte, dass der Zeiger jetzt dann von 06:59 Uhr auf 7.00 Uhr springen wird – traf mich der Schreck. Zu allem Übel hatte ich am Vorabend noch behauptet, dass ich ein Morgenmensch bin – so viel zum Thema Early Bird. Am meisten gefuchst hat mich aber, dass ich doch tatsächlich die Zwiebelkönigin verpasst habe. Sei’s drum – der Wille war da, aber das Schicksal wollte wohl, dass ich nochmals einen guten Grund habe nach Weimar zu kommen (und vorher endlich einmal den Berner Zibälämärit zu Vergleichszwecken besucht habe). Das Aufstehen hat sich aber dennoch gelohnt, denn ich nutzte die Zeit für einen Spaziergang im wunderschönen Park an der Ilm.
Wobei, es ist ja nicht weiter tragisch wenn man die Eröffnung verpasst. Anders als in Bern dauert der Zwiebelmarkt in Weimar ganze drei Tage und so lasse ich mich am Vormittag vom Getümmel auf Weimars Strassen und Plätzen treiben. Es liegt ein ganz spezieller Geruch in der Luft – eine Mischung aus Zwiebeln, Glühwein, Markttreiben und Spass.
Die schönsten Stände sind diejenigen, mit den farbenfroh geschmückten, zweifarbigen Zwiebelzöpfen. Die Rispen werden von den Heldrunger Zwiebelbauern hergestellt und verkauft. An einigen Ständen wird auch der berühmt-berüchtigte Knoblauchschnaps zum Verkauf angeboten. Mit Rücksicht auf meine Begleitung, lehne ich jedoch dankend ab…
Selbst Goethe konnte sich zu seiner Zeit nicht dem Zwiebel-Zauber entziehen. Wer auf dem Zwiebelmarkt unterwegs ist, kann dies prima mit einem Besuch in Goethes Wohnhaus am Frauenplan – eines der wichtigsten Zeugnisse des UNESCO Welterbes „Klassisches Weimar“ – oder in Schillers Wohnhaus an der Schillerstrasse kombinieren. Beide Häuser sind heute Museen und bieten spannende Einblicke in die Arbeit und das Leben der beiden grossen Dichter.
Wer eine kurze Auszeit vom bunten Zwiebelmarkt-Treiben braucht, dem empfehle ich einen Besuch im Bauhaus Museum am Theaterplatz (dieses Gebäude dient eigentlich nur als „Provisorium“ – ein neues Bauhaus-Museum ist in Planung). Hier wird einem einen spannenden Einblick in die Entwicklung des Staatlichen Bauhauses an seinem Gründungsort Weimar vermittelt.
Für Architekturfans – wie ich einer bin – bietet es sich zudem an, an einem Bauhaus-Spaziergang (Informationen zum Spaziergang gibt es hier) mit einem Studenten an der Bauhaus-Universität teilzunehmen. Unser Spaziergang startet vor dem Hauptgebäude der Bauhaus-Uni, welches von Henry van de Velde entworfen wurde. Hier wurde 1919 das Bauhaus gegründet. Wir erhalten einen interessanten Einblick in verschiedene Zimmer im Hauptgebäude und dem Lehrgebäude. Mich fasziniert, wie ein fast 100 Jahre altes Gebäude noch immer den heutigen Vorstellungen von „modern“ entspricht.
Bevor wir uns nach diesem kulturellen Abstecher wieder ins bunte Zwiebelmarkt-Treiben stürzen, gibt es noch eine köstliche Stärkung im Restaurant Alt Weimar. Hier sind die Portionen zwar wesentlich kleiner, aber einen Hauch exquisiter als im Weissen Schwan. Danach steht einer fröhlichen Zwiebelmarkt-Nacht nichts mehr im Weg. Selbst Schiller und Goethe sind Seite an Seite mitten unter den Festbesucher anzutreffen.
Praktische Infos:
Wer wie ich einige Sehenswürdigkeiten in Thüringen miteinander kombiniert und auch gerne Museen besucht, dem empfehle ich den Kauf der ThüringenCard. Die Karte gibt es entweder für 24 Stunden (16 Euro), 3 Tage (die Tage sind frei wählbar – 36 Euro) oder 6 Tage (die Tage sind frei wählbar – 56 Euro). Die Karte gibt es inklusive einem Merian live Thüringen Reiseführer.
Hinweis: Mein Besuch in Erfurt wurde von Thüringen Tourismus unterstützt – Vielen Dank hierfür. Meine Leser dürfen wie immer sicher sein, dass ich hier stets meine Ansichten und Begeisterung vertrete.