Erfurt war für mich bis vor Kurzem einer dieser weissen Flecken auf der Landkarte. Der Namen von Thüringens Landeshauptstadt war mir zwar geläufig, aber ich hatte kein Bild dazu. Höchste Zeit also, um eine Reise nach Erfurt in Angriff zu nehmen.
Erfurt liegt im grünen Herzen von Deutschland und kann auf eine lange und bewegte Geschichte zurückblicken. Im Mittelalter wuchs Erfurt dank seiner strategisch günstigen Lage im Schnittpunkt alter Handelsstrassen zu einer mächtigen Handels- und Universitätsstadt heran. Die gut erhaltene und liebevoll restaurierte Altstadt bildet auch heute noch den Mittelpunkt des städtischen Lebens – und ihr wisst ja, ich habe ein grosses Herz für Altstädte :).
Ausgangspunkt unserer Erfurt Entdeckungstour war das Opera Hostel. Das Hostel heisst so, weil es sich direkt hinter der Alten Oper befindet. Im Innern präsentiert es sich leicht schummerig und auf eine unaufgeregte Art kreativ. Vom Hostel aus ist man in wenigen Minuten an der Gera. Der Fluss schlängelt sich in einem gemächlichen Tempo durch die Altstadt und wer am Flussufer entlang spaziert, wird den einen oder anderen romantischen Fleck entdecken. Leider gibt es noch keinen durchgehenden Uferweg, aber die Stadt arbeitet daran. Erfurt lässt sich übrigens auch ganz gut vom Wasser aus entdecken. Die Stadt hat verschiedene Kanutouren im Angebot, die alle ganz klasse tönen. Für das nächste Mal habe ich mir diese schon vorgemerkt.
Wer nicht mit dem Kanu unterwegs ist, der entdeckt Erfurt am besten zu Fuss. Die Distanzen sind gering und die Altstadt ist verkehrsberuhigt. Ich persönlich war positiv überrascht, wie wenig Autos es in der Innenstadt hat.
Um sich zuerst einen Überblick über die Stadt und das Umland zu verschaffen, lohnt sich der Aufstieg zum Petersberg. In die Festung einzudringen ist heute ausdrücklich erwünscht und die Sicht von oben fantastisch. Festungsliebhaber können hier zudem in die Unterwelt abtauchen und auf entsprechenden Führungen hunderte von Metern geheimnisvolle Gänge entdecken. Vom Petersberg aus überblickt man auch den Domhügel mit dem Mariendom und der katholischen Kirche St. Severi. Die Geschichte rund um dieses Kirchenensemble ist gespickt mit Anekdoten und spannender als ein Krimi. Mich hat vor allem das Innere des Mariendoms beeindruckt, das sich mit einer beeindruckenden Leichtigkeit und Eleganz präsentiert. Ebenfalls imposant ist der Chor, der auf einem gewaltigen Unterbau ruht, mit dem der Domhügel erweitert wurde. Vom zwei Hektar grossen Domplatz aus lässt sich dieser Unterbau am besten bestaunen. Der Domplatz wird von schönen Fachwerkhäusern gesäumt. Von hier aus tauchen wir in die verwinkelten Gassen und den für Erfurt einzigartigen mittelalterlichen Charme der Stadt ein.
Unser Spaziergang führt uns an prachtvollen Gebäuden vorbei. Ich lerne, dass die Prunkbauten meist im Besitz von Waidhändler waren. Das überall begehrte Färbmittel Waid brachte der Stadt im Mittelalter Wohlstand und Macht. Bei Rosanna Minelli kann man auch heute noch in die bunte Geschichte der Waid-Pflanze eintauchen. In ihrer Manufaktur werden Produkte aus echtem Erfurter Waid in Waid-Blau hergestellt. Faszinierend zu erfahren, wie aus einer unscheinbaren grünen Pflanze am Schluss ein wunderschönes blau entsteht, mit dem Stoffe eingefärbt werden. Ihr Laden ist neu auf der Krämerbrücke zu finden – eines der Wahrzeichen der Stadt. Die Krämerbrücke ist die längste durchgehend mit Häusern bebaute und bewohnte Brücke Europas. Und wisst ihr was?! Man merkt nicht einmal, dass man sich auf einer Brücke befindet, da ja links und rechts Häuser sind. Die Läden auf der Krämerbrücke lassen jedes Handwerker-Herz höher schlagen. Hier gibt es einen Puppenbauer, Feinkostläden mit thüringischen Produkten, süsse Cafés und sogar einen Chocolatier. Wer die Tür zur Goldhelm Schokoladen Manufaktur öffnet, wird den Laden erst wieder mit vollen Tüten verlassen. Für mich ist diese Brücke definitiv der entzückendste Ort in Erfurt. Es fühlt sich an, als sei man bei einer Zeitreise im Mittelalter gelandet.
Hinter der Krämerbrücke versteckt sich ein romantischer Stadtteil. Zwischen den Wasserläufen befinden sich schöne Wohnhäuser und hübsche Gärten. Spätestens hier habe ich mich dann gefragt „das soll eine Stadt sein?!“.
Ein weiterer geschichtsträchtiger Ort ist das Augustinerkloster, als eine der berühmtesten Stätten der Reformation. Hier hat Martin Luther als Mönch gelebt. Heute wird es als ökumenisches Tagungszentrum genutzt und überzeugt mit einer gelungenen architektonischen Verbindung zwischen dem alten Klostergebäude und dem neuen Tagungszentrum.
Die Alte Synagoge sollte man auch nicht verpassen. Sie gehört zu den ganz wenigen erhaltenen mittelalterlichen Synagogen in Europa. Die Synagoge befindet sich innerhalb eines Hauses, dass in den letzten Jahrhunderten verschiedentlich genutzt wurde. Die alten Aussenwände sind aber immer noch sichtbar. Im Innern versteckt sich auch ein faszinierender Schatz aus dem 14. Jahrhundert, der durch Zufall bei Bauarbeiten entdeckt wurde.
Ihr seht, Erfurt fasziniert. Nie und nimmer hätte ich mit dem Namen der Stadt eine solch geschichtsträchtigen und charmanten Ort verbunden. Nicht zuletzt bietet Erfurt auch kulinarisch einige Köstlichkeiten. Wir blieben da den Traditionen treu und gönnten uns bei Faust Food (Waagegasse 4) eine Thüringer Rostbratwurst (selbstverständlich NICHT mit Ketchup!) – denn was wäre ein Besuch in Thüringen ohne obligaten Wurstgenuss?!
Nicht zuletzt war für mich der Besuch in Erfurt auch der erste Besuch in einem der Neuen Bundesländer. Ich fand es unglaublich spannend diesen architektonischen Mix aus ganz verschiedenen Geschichtsepochen Haus an Haus zu entdecken.
Hinweis: Mein Besuch in Erfurt wurde von Thüringen Tourismus unterstützt – Vielen Dank hierfür. Meine Leser dürfen wie immer sicher sein, dass ich hier stets meine Ansichten und Begeisterung vertrete.
Erfurt – hm…auf seine eigene Art irgendwie auch eine exotische Destination :-)…ich liebe das Bild mit der Spiegelung in der Pfütze – well done!!!
Genau, gute Einstellung – so habe ich das noch gar nie gesehen :) Danke Martin
Es gibt sogar einen französischen Künstler, der nur so photographiert, wenn auch eher Menschen und nicht Objekte:
https://www.facebook.com/edgar.j.mueller/posts/641296365914380
Sehr toll! Danke für den Link :)
Ich als altes halbthüringer Urgestein (bin knapp 40 km von Erfurt aufgewachsen) finde es immer wieder schön, ein paar nette Bilder von Erfurt zu sehen. Die Krämerbrücke, der Dom, da gibt es viel schönes zu sehen und zu erleben. Ich muss mal schauen ob ich kommendes Jahr mal wieder die Zeit finde, ein wenig mehr in Thüringen zu sein. Dieses Jahr habe ich immerhin die Wartburg und Weimar gesehen… (und das nach immerhin knapp 33 Jahren :D)
Danke für die tollen Bilder !
Danke für deinen Kommentar Janett – Thüringen hat übrigens einen super Katalog «100 Dinge die man in Thüringen machen kann» – ich bin inzwischen so inspiriert, dass ich wohl die nächsten 20 Jahre jedes Jahr einen Weekend-Trip nach Thüringen machen werde :D
Beim Lesen Deines Artikels habe ich gleich ein schlechtes Gewissen bekommen: ich bin selbst eine echte Erfurter Puffbohne (so nennt man die Erfurter) und ich liebe meine Stadt – habe jedoch noch nie in meinem Reiseblog darüber berichtet. Beruflich hat es mich mittlerweile in die Kurpfalz verschlagen. Ich genieße es aber immer wieder zurück nach Erfurt zu kommen, durch die schöne Altstadt zu schlendern und in einem der vielen Restaurants und Kneipen zu verweilen. Besonders Abends lohnt sich ein kleiner Stadtrundgang – dann sind viele schöne Fachwerkhäuser hell beleuchtet. Erfurt ist definitiv (mindestens) einen Besuch wert !
Dein Beitrag zeigt mir ganz deutlich, dass wir unbedingt mal wieder nach Erfurt müssen. Wir waren schon einige Male dort, aber jetzt, wo die Kinder größer sind und wir viel mehr entdecken können, würde sich auf jeden Fall mal wieder ein Besuch lohnen.
Und: Du hast ein tolles Gespür für die Blickwinkel der Fotos. Macht wirklich Spaß, die anzugucken!
Viele Grüße,
Lena
Vielen Dank für deinen Kommentar Lena! Mit Kindern würde ich aber dann auf jeden Fall die Kanutour machen! :D