Die längste Skisaison der Rocky Mountains, pro Saison durchschnittlich 9 Meter feinster Champagner Powder und die einzige Ski-in und Ski-out Lodge im Banff Nationalpark – das verspricht Sunshine Village. Schlagkräftige Argumente, wie ich finde. Das grösste und höchstgelegene Skigebiet Albertas liegt rund 30 Minuten südwestlich von Banff und ist somit problemlos als Tagesausflug ab Banff erreichbar. Doch es lohnt sich, genau dies nicht zu tun. Sunshine Village bietet nämlich als einziges Skigebiet im Banff-Nationalpark die Möglichkeit, direkt im Skigebiet zu übernachten. Gar nicht so selbstverständlich, wenn man bedenkt, dass die Regulierungen der Skigebiete innerhalb des Nationalparks hoch sind und alle Baubewilligungen (jeder einzelne Baum, der gefällt werden muss) von Parks Canada genehmigt werden muss. Eine langwierige Prozedur. Wieso überhaupt Skigebiete innerhalb des Nationalparks und UNESCO Welterbes entstehen konnten, hat damit zu tun, dass die Ursprünge der meisten Skigebiete auf die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts zurückführen, wo dem Schutzgedanke des Nationalparks noch nicht so viel Bedeutung beigemessen wurde und irgendwann hat sich das dann einfach so eingebürgert im Sinne von „das hat man hier immer schon so gemacht“. So auch in Sunshine Village. In den 1920er Jahren kamen die ersten Trapper in die Gegend und bauten die Old Sunshine Lodge. Das Gebäude steht heute noch und wird als Restaurant benutzt.
Und so hieve ich nach vier Tagen in Banff meinen schweren Koffer in meinen Jeep und steure als zweite Station Sunshine Village an. Gäste, die im Skigebiet übernachten, können ihr Gepäck an der Talstation der Gondelbahn abgeben und bekommen einen Liftpass für die Fahrt hinauf zur Lodge, die auf knapp 2‘200 m ü. M. liegt.
Schneeschuhtour durch die Sunshine Meadows
An der Talstation erwartet mich bereits Adrienne von White Mountain Adventures. Sie will mir heute die ruhigen Seiten von Sunshine Village zeigen. Doch zuerst geht’s mir der Gondel hinauf ins Skigebiet und von dort mit dem Strawberry Express noch eine Station höher. Dass die Sonne uns in ihrer allerschönsten Pracht erwartet, hätte ich in einem Skigebiet mit dem Namen Sunshine auch nicht anders erwartet. Die Gegend hier oben nennt sich Sunshine Meadows. Die sanften Hügel der Hochebene, die sich nun tief eingeschneit präsentieren, erstrahlen im Frühsommer ab der bunten Pracht der blühenden Wildblumen. „Fabulous“, mein Adrienne und ich weiss, dahin muss ich auch einmal in den Sommermonaten kommen.
Nachdem wir die grossen Schneeschuhe angeschnallt haben (mit unseren kleinen europäischen Schneeschuhen würde man hier hoffnungslos im federleichten Pulverschnee versinken) marschieren wir zum ersten Aussichtspunkt. „We are now in British Columbia“, mein Adrienne nach wenigen Metern. Oha, ich mache hier also nicht nur Skigebiets-Hopping, sondern auch Provinz-Hopping. Sunshine Village befindet sich nämlich direkt an der Grenze zu British Columbia. Nach wenigen Metern haben wir das Skigebiet gefühlsmässig weit hinter uns gelassen und geniessen die Ruhe der Natur in vollen Zügen. Zwischen den Tannen lassen sich immer wieder spannende Tierfährten verfolgen und ich lerne eine neue Flechtenart – die giftige Wolfsflechte – kennen. Der Spassfaktor kommt nicht so kurz und so bewältigen wir die steilen Gefälle im rasanten Tempo auf dem Hosenboden rutschend. Was für ein Gaudi. Nach knapp drei Stunden kehren wir mit roten Backen und pflotschnassen Hosen nach Sunshine Village zurück.
Mitten im Geschehen
Zum guten Glück befindet sich mein Koffer gleich nebenan in der Sunshine Mountain Lodge. So kann ich mich schnell umziehen und die letzten Sonnenstrahlen des Nachmittags im Liegestuhl geniessen. Die Lodge liegt inmitten des Skigebiets und ist dessen Dreh- und Angelpunkt. Rund um die Gondel- und Sesselbahnen befinden sich verschiedene Gebäude mit Restaurants und Gästezimmer. Ich selbst bin im neusten Gebäudeteil untergebracht und absolut begeistert. Das Einzige, was bei der Planung vergessen ging, sind Radiatoren. Geheizt wird über den Fussboden, was für das Trocknen nasser Skihosen nicht wirklich geeignet ist. Dafür sorgt ein Kamin für wohlige Wärme. Wenn gegen 16:00 Uhr auf den Pisten langsam Ruhe einkehrt, trifft man sich im Hot Tub. Höhepunkt ist das Hot Tub Bingo – schliesslich soll auch für Unterhaltung gesorgt sein. Ich amüsiere mich auf meinem Balkon auf jeden Fall prächtig ab dem kollektiven Seufzen, wenn nicht die fehlende Zahl zur Kompletierung der Reihe genannt wird.
Fürs Nachtessen bestehen verschiedene Möglichkeiten. Im Chimney Corner steht Casual Dining auf dem Programm und in Eagle’s Nest ist Fine Dining angesagt. Diejenigen, die Pub Style bevorzugen, bekommen im Mad Trapper’s Saloon Chicken Wings und Burger. Hier trifft man auch auf die Angestellten, die ihren Feierabend geniessen. Persönlich kann ich die Speisekarte des Eagle’s Nest empfehlen. Die Gerichte schmecken hervorragend!
Am nächsten Morgen erwache ich mit Blick auf die zartrosa gefärbten Gipfel. Das Highlight ist aber unbestritten das Frühstück, das nicht als Buffet, sondern à la Carte serviert wird. Meine Güte, da stehen sooooo verlockend gute Gerichte auf der Karte, dass ich am liebsten eine Woche bleiben würde, um mich da durchzutesten. Meine Wahl fällt auf die Pancakes. Göttlich!
Pisten für jeden Geschmack im Sunshine Village
Das Allerbeste an der Übernachtung in der Sunshine Mountain Lodge direkt am Pistenrand ist, dass man ohne morgendliches Gehetze mit dem ersten Sessellift auf den Berg kann. Dank seiner speziellen Lage direkt auf der kontinentalen Wasserscheide zwischen Pazifik und Atlantik wird Sunshine Village häufig mit dem sogenannten Champagner Poweder – allerfeinster Pulverschnee – beglückt und geniesst deshalb eine hohe Beliebtheit. Das Glück eines frischen Powdertages bleibt uns leider verwehrt und dennoch stehen wir pünktlich um neun Uhr beim Strawberry Express bereit. Als Allererstes über frisch präparierte Pisten zu flitzen, bereitet ebenfalls Freude.
Das Skigebiet ist auf drei verschiedene Berge aufteilt. Mount Standish erschliesst das etwas sanfter abfallende Gelände am Nordhang oberhalb vom Sunshine Village. Aber Achtung, nicht unterschätzen! Eine Piste – sie heisst „The Waterfall“ – verläuft über einen richtigen Wasserfall. Ich muss zuerst einmal leer Schlucken ab dieser Tatsache. Der Südhang wird Lookout Mountain genannt. Der Great Divide Express erschliesst den höchsten Punkt des Skigebiets und durchquert dabei auf wenigen Metern ein Stück British Columbia. Das Panorama von hier oben ist fantastisch. Ein Gipfel sticht dabei besonders hervor. Mit seiner markanten Form erinnert mich der Mount Assiniboine auf den ersten Blick ans Matterhorn. „Ja klar“ wird mir bestätigt, „er wird auch Matterhorn der Rocky Mountains genannt». Alles klar. Skifahren mit Matterhorn-Blick hat Sunshine Village also auch drauf.
Goat’s Eye Mountain nennt sich der dritte Berg, der hauptsächlich Expertengebiet erschliesst. 37% des Skigebiets sind schwarze Pisten, was im europäischen Vergleich viel ist. Könner werden hier ebenfalls gefordert. Bis zu 50% Gefälle und das über Felsen gibt’s auf der Delirium Dive. Die Lawinenausrüstung, die für diese Piste Pflicht ist, kann man sich in der Schneesportschule ausleihen. Dieses Abenteuer ist mir dann doch zu wagemutig und ich bleibe den präparierten Pisten treu. Aber auch hier finde ich genügend abwechslungsreiche Abfahrten und dank den drei unterschiedlich ausgerichteten Bergen scheint mir den ganzen Tag die Sonne ins Gesicht. Sunshine wird seinem Namen während dieser zwei Tage wahrlich gerecht. Für den knurrenden Magen stehen insgesamt rund 10 verschiedene Restaurants zur Auwahl. Es muss also nicht zwingend Burger sein, wobei ich The Sunshine Burger im Erdgeschoss der Daylodge absolut empfehlen kann.
Verhältnismässig alt wirkt dagegen die Infrastruktur. Wetterschutzhauben und die für uns selbstverständlichen Fussauflage (ich habe bisher nur in Südtirol zwei Lifte ohne Fussauflage angetroffen) fehlen in Sunshine mit wenigen Ausnahmen. Nächstes Jahr soll es hier aber einen Quantensprung geben. Der Zweier-Sessellift Tee-Pee-Town wird auf die nächste Saison durch einen Highspeed Vierer-Sessellift inklusive Wetterschutzhaube und Sitzheizung ersetzt.
Der Tagesskipass kostet 89 CAD – Mehr Informationen zum Skigebiet findest du hier: Sunshine Village
Diese Reise wurde von Travel Alberta und Canusa unterstützt – vielen Dank hierfür! Meine Leser dürfen wie immer sicher sein, dass ich stets meine Ansichten und Begeisterung vertrete.
Wahnsinn, vor allem die Fotos! Ich verzichte wohl demnächst lieber 2x auf einen Skiurlaub in Österreich und fliege dafür 1x in die Rockies :-)
Hmmmmmm ich überlege grad: Österreich oder Rockies, Österreich oder Rockies, Österreich oder Rockies…..? GANZ KLAR: ROCKIES :D
Hallo Anita
Sunshine ist einfach der Hammer. Derlilium Dive war okay aber nicht perfekt. Im Januar 2015 lag noch wenig Schnee. Goat’s Eye war im Backcountry auch noch ziemlich «steinig». Dafür cruisten wir über geniale Pisten und tobten uns im Park aus. Die Burger und das leckere Bier in der Old Sunshine Lodge rundeten den Tag ab.
Was mich in Kanada überzeugte, war die Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft der Mitarbeiter. Da hat die Schweiz noch viel Potential.
Ja, 2015 ist leider auf der Westseite definitiv nicht das Powderjahr. Für mich war’s okay, da ich nicht primär Backcountry-Skifahrer bin. Und 100% Zustimmung zur Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft. Das ist mir auch positiv aufgefallen und mit ein Grund, wieso das bestimmt nicht mein letztes Mal Kanada im Winter war :)
Der Aufenthalt war auch mit wenig Schnee genial. Wo es am schönsten ist, kann ich nicht sagen. Es gibt so viele tolle Orte- und ich plane den nächsten Urlaub für 2016. :-)
LG aus Grindelwald
Martin
Toller Bericht – werde wohl auch mal in die Rockies «muessen» – mir wurde von Freunden in Calgary noch die von Schweizern gefuehrte Assiniboine Lodge unweit Banff empfohlen, hast Du die kennengelernt?
http://youtu.be/e6LNM0YWQ0Q
Danke dir Anita :) Nein, da war ich leider nicht – sieht toll aus!
Der absolute Wahnsinn diese Fotos!! Da werd ich richtig neidisch! :-)
Danke für dein Kompliment :)
Hi Anita, großes Lob für die Fotos! Da kriegt man richtig Bock, auch wenn der Winter hier unten in Berlin längst vorbei ist, :)
Danke dir! :)