«Teheran 1200 Kilometer», lese ich vom schnell vorbeirauschendenden Strassenschild laut vor und sage zum Freund «das wäre es jetzt, oder?!». Wir befinden uns in diesem Moment auf dem Rückweg vom Kaukasus nach Tiflis. Wenige Stunden später fliegen wir zurück in die Schweiz – irgendwie so gar nicht gewillt und voller Lust, mehr von dieser spannenden Gegend zwischen dem Schwarzem und Kaspischen Meer zu entdecken. Wenige Stunden später – den Koffer gerade erst ausgepackt – erreicht mich eine E-Mail vom Schweizer Trekking- und Erlebnisreiseanbieter Globotrek: «Anita, hast du Lust, uns nach Teheran und danach auf den höchsten Iraner zu begleiten?» Als hätte ihnen irgendjemand diesen Moment im klapprigen Auto mitten im abendlichen Verkehrschaos der georgischen Hauptstadt zugespielt. «Klar!» Ich musste nicht lange überlegen und war ab diesem Moment voller Vorfreude und Spannung auf ein Land, das mein Vater in den 1970er Jahren mit dem Zug bereiste und das unglaublich reich an Geschichten und kulturellen Schätzen ist.
Vorbereitungen für eine Iran-Reise
Die erste Etappe dieser Reise führt nach Winterthur in die Kriminaltechnische Abteilung der Kantonspolizei Zürich, wo sich eine nette Dame mit meinen steifen Fingern abmüht. «Lassen, sie mal locker», wiederholt sie bei jedem meiner Finger, die sie auf eine Digitalisierungsvorrichtung drückt. Der Nachweis der Fingerabdrücke braucht es fürs Iranvisum. Als nächstes widme ich mich dem Thema der Kleidervorschriften. Wie muss ich mit in der Stadt kleiden und was ziehe ich fürs Trekking in den Bergen an? Wichtig sind lange (über die Knöchel reichende) Hosen / Leggings. Darüber weite, langärmlige Blusen, die bis mindestens Mitte der Oberschenkel reichen und den Po vollständig überdecken. Und natürlich das Kopftuch. Die Kleidervorschriften bedeuten nicht, dass Iranerinnen wie ein «Kartoffelsack» herumlaufen. Im Gegenteil – sie wissen sehr kreativ damit umzugehen und kleiden sich schick und lässig. Gleiches gilt für das Kopftuch, das bei vielen Frauen in Teheran locker sitzt und viel Haar zeigt. Meine Wahl fiel auf meine Lieblingsleinenhose von Closed (Winston Short) und in Turin ergatterte ich zufälligerweise ein perfekt passendes Tunika Shirt von Max&Co – bei 38-40° Celsius Tagestemperatur eine angenehme Kombi. Als Kopftuch packte ich einen Kaschmirschal ein, der mir meine Mama als Souvenir von Nepal mitbrachte. Seide wäre in Anbetracht der Hitze besser gewesen, aber da sollte man Haarspangen zum Fixieren mitnehmen, da das Material rutschig ist (und es gibt nichts Mühsameres als den ganzen Tag kontrollieren, ob das Kopftuch noch «sittsam» auf dem Kopf platziert ist).
Soweit so gut. Für Teheran war ich gerüstet (und was die Berge betrifft, werde ich euch in einem nächsten Blogbeitrag einen Einblick in die Ausrüstung geben). Wir sind über Istanbul nach Teheran geflogen und die Einreise verlief speditiv und überraschend schnell (und das am Morgen um 2:00 Uhr in der Früh). Nach einer kurzen Nacht wartete Teheran darauf, entdeckt zu werden. Vor dem Trekking blieben uns knappe 1.5 Tage, um Grossstadtluft zu schnuppern. Die Stadt ist gut 50 Kilometer breit und ebenso lang und beherbergt beinahe 15 Millionen Einwohner – absolut unmöglich, in dieser kurzen Zeit einen umfassenden Einblick zu erhalten. Wir haben uns ein paar Highlights rausgepickt, die ich euch nachfolgend vorstelle. Eins ist jedoch klar: Teheran, wir sehen uns wieder!
Teheran in a nutshell – Prunk, Trubel, Lässigkeit
Vogelblick || Milad Tower
Wer einen Eindruck davon erhalten möchte, wie gross die Dimension dieser Metropole ist, die auf der einen Seite an Wüstenlandschaften grenzt und auf der anderen Seite an stolze Viertausender stösst, der steuert als Erstes den Milad Tower an. Von der Aussichtsplattform des 435 m hohen Fernsehturms gibt es einen tollen Rundblick.
Grüne Oase und verrückte Reisegeschichten || Saadabad-Palastanlage
Im Sommer hat die Hitze die Grossstadt fest im Griff. Die Saadabad-Palastanlage im Norden der Stadt bietet mit ihrer weitläufigen Gartenanlage eine willkommene Abkühlung. Insgesamt 18 Paläste sind in der Anlage zu finden, die ursprünglich von den kadscharischen Königen als Sommerresidenz gebaut wurde. Spannend ist der Abstecher ins Reisemuseum, das dem legendären iranischen Brüderpaar Omidvar gewidmet ist.
Entspannung am Fluss || Darband
Die Saadabad-Palastanlage liegt im Stadtteil Darband. Das ehemalige Dorf liegt auf einer Höhe von 1’700 Höhenmeter und schmiegt sich ans Elbrus-Gebirge, das Teheran nördlich umfasst. In Fussdistanz zur Palastanlage befindet sich die Sesselbahn, die zum Mount Tochal (3’964 m ü. M.) hochführt. Entlang dem Flusstobel sind zahlreiche Strassenverkäufer und Restaurants angesiedelt und je weiter man der Strasse in die Höhe folgt, desto grüner und lauschiger wird es. Wer es den Einheimischen Touristen gleichtun möchte, der setzt sich auf einen der im Fluss installierten Teppichpodeste und bestellt eine Runde Tee (und Shisha).
Glitzer und Prunk || Golestanpalast
Während die Saadabad-Palastanlage als Sommerresidenz diente, war der Golestanpalat im Süden von Teheran der Regierungspalast der Kadscharen. Seit 2013 gehört die Anlage zu den UNESCO Weltkulturerbe. Schier unglaublich erscheint die Anzahl an in aufwendiger Handarbeit angebrachten Spiegel und Mosaiksteine – die Räume funkeln und glitzern um die Wette. Meinen Geschmack trifft dieser so sichtbar zelebrierte Prunk vergangener Tage nicht ganz. Da gefallen mir die schön gestalteten Fassaden definitiv besser.
Staunen und Feilschen || Grosser Basar
Pures Kontrastprogramm wird direkt um die Ecke vom Golestanpalast geboten. Hier befindet sich der grosse Basar von Teheran. Ein riesiges verzweigtes Netz an Korridoren und Hallen, wo es von Kochutensilien über Stoffe und Kleider bis hin zu Teppichen alles zu finden gibt, was das Herz begehrt. Wer die richtige Abzweigung erwischt, wird mitten im Trubel auch eine Moschee finden. Wir haben dort eine herzliche Bekanntschaft mit den «Aufseherinnen» gemacht, die uns pflichtbewusst das Kopftuch zurechtrückten und dann fürs Selfie mit uns posierten. Sowieso – wenn mir etwas besonders in Erinnerung bleibt, dann sind es all die unglaublich berührenden Begegnungen mit den Einheimischen. Woher seid ihr? Was macht ihr hier? Habt ihr dies und das schon besichtigt? Bist du auf Instagram?… Die Neugier und Freude darüber, dass wir ihr Land bereisen, ist deutlich spürbar.
Chillen in lässiger Atmosphäre || Iranian Artists Forum
Die Kopftuch-Position aufs Ärgste ausgereizt, wird auf der Dachterrasse des Iranian Artist Forum. In der Stadtmitte im Honarmandan Park gelegen, ist die Institution ein Treffpunkt der Kreativszene. Im Erdgeschoss gibt es einen lässigen Souvernirshop und Kunstausstellungen. Und die Dachterrasse ist die perfekte Location für einen Apéro (alkoholfrei versteht sich).
Teheran für Foodies || Gilac und Zahir
Die persische Küche ist ja eigentlich Grund genug, um nochmals in den Iran zu reisen. Wir haben überall unglaublich gut gegessen – einzig der verschwenderische Umgang mit Plastikverpackungen (vom Besteck übers Brot bis hin zu den Zwiebeln ist in vielen Restaurants alles vollständig in Plastik eingeschweisst) ist aus meiner Sicht unverständlich. Wer einen hervorragenden (plastikfreien) Auszug aus der persischen Küche geniessen möchte, der trifft mit dem Restaurant Gilac eine gute Wahl.
Ein weiteres lässiges Lokal ist das Zahir Cafe (trotz offiziellem Facebook-Verbot auf Facebook zu finden – wie übrigens die meisten Iranerinnen und Iraner). Die Einrichtung total hip mit schönen Holztischen und hellem Interieur und auf der Menükarte coole Drinks und leckere Burger (ja ich weiss, das könnte auch in Zürich oder Stockholm sein – aber eben auch das ist Teheran).
Praktische Tipps für Teheran
- Seit neustem ist der Flughafen mit der Metro erschlossen.
- In der Metro ist jeweils der vorderste und hinterste Wagen für die Frauen reserviert (Männer dürfen dort nicht rein – umgekehrt dürfen Frauen in die übrigen Wagen)
- Für eine Taxifahrt (egal wohin) genügend Zeit einrechnen – Staus sind an der Tagesordnung
- Der Preis für eine Taxifahrt vor Antritt der Fahrt aushandeln (oder lokale Apps mit Fixpreisen verwenden)
- Wir haben im Mashad Hotel in Fussdistanz zur Taleghani Metrostation übernachtet
- Bargeld (Dollars oder Euro) zum Wechseln mitnehmen
Hinweis: Globotrek hat mich zu dieser Recherchereise eingeladen. Alle Meinungen / Eindrücke sind wie immer die meinen.
Liebe Anita! Wow, super Bilder und interessante Tipps! Bei deinen Eindrücken bereue ich es echt, dass wir uns nicht mehr Mühe gegeben haben, Teheran zu mögen (wir sind recht schnell aus der Hauptstadt «geflohen» …) Du berichtest bestimmt noch über deinen Trip in die Berge, oder? Liebe Grüße Lisa
Liebe Lisa, nun ja, Teheran ist sicherlich keine einfach zugängliche Stadt, daher kann ich gut verstehen, wenn man den Fokus nicht auf die Hauptstadt legt – für mich war mega überraschend, wie vielseitig und vielschichtig die einzelnen Stadtteile sind und was für spannende Bauten und Geschichten sich in dieser Metropole verstecken (und da drückt dann wohl auch mein Berufsinteresse durch :)). Genau, es folgt noch ein Bericht über unser Damavand-Trekking.
Das klingt alles wahnsinnig spannend – und weckt bei mir die Lust, selbst einmal in den Iran zu reisen :)
Danke – das freut mich! Und der Iran ist wirklich ein lohnenswertes Reiseziel, auch wenn der administrative Aufwand etwas höher ist, als bei anderen Ländern
Wow! Was für eine Stadt! Da müssen wir unbedingt auch mal hin – steht eigentlich schon lange auf unserer Liste. Wie ist das, wenn man als unverheiratetes Paar nach Iran reisen will? Freue mich schon auf deinen Trekking-Bericht – bestimmt mit weiteren schönen Fotos. Lg Mia
Liebe Mia von Kollegen, die unverheiratet gereist sind, weiss ich, dass sie sich jeweils mit gleichem Namen vorgestellt haben (wenn nachgefragt wurde) und zur «Sicherheit» Ringe mitnahmen. Sie hatten aber keinerlei Probleme. Es gibt inzwischen auch viele junge Iraner, die unverheiratet zusammenleben – es wird in der Regel «geduldet».
Liebe Anita, oh wie schön, mal so einen Einblick in teheran zu bekommen. Unter der Stadt konnte ich mir bisher nicht so viel vorstellen.
Liebe Grüße,
Ela
Danke für deinen Kommentar liebe Ela! Ich hatte auch kein wirkliches «Bild» vor Augen, daher freut es mich, dass ich hier einige Eindrücke zeigen kann :)
Wirklich beeindruckende Bilder! Wie aus einer anderen Welt… ein super schöner Einblick in eine so interessante Stadt. Man hat ja doch immer etwas Bedenken, wenn man sich in ein Land begibt, in dem man einige Regeln zu beachten hat um nicht gegen die gute Sitte zu verstoßen!
Wunderschöne Fotos! Selbst war ich knapp zehn Tage in Teheran. Wirklich warm geworden bin ich mit der Stadt nie. Der Basar und insbesondere die Viertel im Norden, zB. Tadschrisch waren schön. Andererseits muss ich sagen, wer nur wenig Zeit hat und sich mehr für Geschichte oder Natur interessiert dem würde ich andere Orte im Iran ans Herz legen. Wer aber gerne fotografiert und urbane Räume erkundet, der ist hier richtig, wie die Fotos und der Bericht zeigen.
Wahnsinn schöne Fotos! Diese Farben!! Hätte nie gedacht, diesen Wunsch zu äussern, aber Teheran reizt!!! Danke!
Herzlichen Dank! Es freut mich, dass ich trotz kurzer Zeit euch einige Eindrücke von Teheran mitbringen konnte :)