Der kühle Fahrtwind säuselt mir um den Kopf. Links und rechts sausen Landschaftsfragmente vorbei. Die schmale Strasse schlängelt sich den Hügelzügen entlang talwärts, und während ich so vor mich hin pedale, entfacht die Begeisterung fürs Velofahren. In den letzten Jahren habe ich dieses Fortbewegungsmittel nämlich sträflichst vernachlässigt. Doch wer das hügelige Hinterland zwischen Calvi und Ile Rousse auskundschaften möchte, schnappt sich idealerweise einen folgsamen Drahtesel und begibt sich auf Entdeckungstour.
Panoramatour durchs hügelige Hinterland
Das Routenangebot ist vielfältig – von gemütlich bis anspruchsvoll ist für jedes Fahrlevel etwas mit dabei. Die Königin unter den Velorouten rund um Calvi ist die „Panoramatour Ile Rousse“. Sie führt auf 68 Kilometern und 900 Höhenmetern von Calvi über den Col de Battaglia quer durch die Balagne. Und genau diese Tour wollen wir in Angriff nehmen. Doch zuerst einmal gilt es, unter den fachmännischen Augen des Radguides Yann im Feriendorf zum Störrischen Esel eine Proberunde zu absolvieren. Velofahren macht nämlich nur dann Spass, wenn man sich darauf auch wohlfühlt. Im Feriendorf können neuwertige KTM-Mountainbikes inklusive Helm für 22 Euro pro Tag ausgeliehen werden. Zudem werden wöchentlich geführte Biketouren durchgeführt.
Nachdem wir bestens ausgestattet sind, kann’s losgehen. Bei den Höhenmetern schummeln wir jedoch etwas. Die erste Etappe von Lumio entlang der „Panoramico“ bis hinauf auf den Pass dürfen wir – Veloanhänger sei Dank – vom Bus aus die Aussicht geniessen. Insgeheim bin ich erleichtert, dass ich die 900 Höhenmetern nicht komplett mit eigener Muskelkraft hinaufstrampeln muss. Für die Sportskanonen unter euch aber bestimmt eine herausfordernde Aufgabe.
Auf dem Pass angekommen, wechseln wir vom Bus aufs Montainbike. Die ersten 15 Minuten führt die Strasse in Richtung Olmi-Capella rasant talwärts. Anschliessend radeln wir in gemächlichem Tempo durch eine von Kastanienbäumen gesäumte Strasse geradeaus. Ganz ohne Steigungen geht’s dann doch nicht. Bevor unsere Kondition auf Probe gestellt wird, genehmigen wir uns aber im Schatten eines alten Kastanienbaums noch ein zünftiges Znüni. Kastanienbauer Ivo Poli tischt uns nebst Wurst und Käse auch äusserst nahrhafte und leckere Kastanienküchlein auf.
Frisch gestärkt nehmen wir das anstrengendste Teilstück des heutigen Tages in Angriff. Der Veloweg folgt der D963 Richtung Palasca. Nur selten kreuzt uns ein Auto. Häufiger dagegen begegnen uns Kühe am Wegrand. Kurz vor Toccone mündet unsere Strasse in der ehemaligen „Autobahn“ der Insel, der N197. Zu unserem Etappenziel, dem malerischen Belgodère ist es ab hier nur noch ein Katzensprung. Mein Hintern zeigt sich nach rund drei Stunden Velofahren bereits leicht entrüstet ab der ungewohnten Tätigkeit. Ansonsten bin ich hell begeistert! Die Lust am Velofahren ist endlich wieder geweckt und am liebsten hätte ich auch noch gleich die letzten Kilometer bis an den Sandstrand von Ile Rousse pedalend zurückgelegt.
Sehenswertes unterwegs
Die Balagne trägt den Übernamen „Garten Korsikas“. Zwischen den eingestreuten kleinen Dörfern wachsen Oliven, Orangen, Clementinen, Trauben und Kastanien. Die Landwirtschaft ist hier nach wie vor einer der wichtigsten Einkommensquellen. Wer mit dem Velo die Gegend erkundet, dem bieten sich einige Gelegenheiten, Einblicke in die Kultur und Kulinarik Korsikas zu erhalten. In der Nähe von Montegrosse kann zum Beispiel die alte Olivenmühle „U Fragnu“ besichtigt werden. Begrüsst werden wir von einem «richtigen» Esel, der unter dem Olivenbaum vor der Mühle im Schatten steht. Wenn nach alter Tradition Olivenöl hergestellt wird, muss er die Olivenmühle antreiben. Ich lerne hier, dass schwarze und grüne Oliven keine unterschiedlichen Sorten sind, sondern die schwarzen Oliven schlichtweg länger gereift sind. Hättet ihr das gewusst?
Im Domaine Alzipratu bei Zilia wird mit Trauben experimentiert. Nebst der traditionellen Weinreifung in Holzfässern werden seit letztem Jahr auch konkave Betonfässer eingesetzt. Ein kurzer Degustationsstopp auf dem Rückweg nach Calvi lohnt sich hier allemal.
Sant’Antonino, das sich mit dem Titel «Les plus beaux villages de France» offiziell zu den schönsten Dörfern Frankreichs zählen darf, gehört zu den beliebtesten Ausflugszielen der Radler. Hoch oben und von weit her sichtbar thront es über der Hügellandschaft der Balagne. Und genau dieser privilegierten Lage verdankt Sant’Antonino wohl auch diesen Titel. Die Aussicht vom Dorf ist unbestritten phänomenal doch meiner Meinung nach sind rein optisch die Bergdörfer Speloncato und Palasca hübscher. Für eine Zwischenstärkung kann ich euch einen Abstecher ins Restaurant „a Stalla“ empfehlen. Besonders lauschig ist die Dachterrasse und aufgetischt wird schmackhafte korsische Kost. Mein Tipp für ein erfrischendes Sommer Menü: Zucchini-Beignets zur Vorspeise und danach eine Portion Cannelloni mit Brocciu-Käse.
Entspannung am Ziel
Wer auf der „Panoramatour Ile Rousse“ unterwegs ist, sollte eine Mittagspause im Restaurant L’Acula Marina einplanen. Hier lässt es sich mit Blick auf die schöne Sandbucht und das türkis schimmernde Meer herrlich entspannen. Von hier zurück nach Calvi geht’s entweder sportlich bergauf nach Corbara und von dort über Lumio zurück ins Feriendorf. Wer die zweite Tageshälfte lieber gemütlich angeht, lässt den Nachmittag am Sandstrand ausklingen und tuckert anschliessend mit dem Zug zurück nach Calvi.
Zu dieser Reise wurde ich vom Korsika Spezialist Rhomberg-Reisen eingeladen. Vielen Dank hierfür! – Meine Leser dürfen wie immer sicher sein, dass ich stets meine Ansichten und Begeisterung vertrete.
du hast ja extrem viel über Korsika gemacht! Richtig anmächelig: Fotos und Texte. Meinen Text hab ich auch schon abgeliefert.
Du erinnerst dich Anita, wir haben auch über Kameras gesprochen. Darf ich nochmals deine Tipps einholen? (auf meine mail?). Ich suche immer noch eine, die nicht so sperrig und schwer ist, aber gute Fotos liefern kann. Schon jetzt: merci. – lg Karin
Hoi Karin. danke & freut mich, dass du hier vorbei schaust :) bezüglich Kamera erhälst du in den nächsten Tagen ein Mail
Ja schau, Velofahren ist doch toll :-)! Und wie immer super Bilder von Dir. Da bekommt man gleich Lust nach Korsika zu gehen und das Bike zu satteln!
Wie schön! Dein Bericht und Text hat Erinnerungen an die Korsikabiketour vom 2008 wachgerüttelt und mir den Morgen versüsst. Danke!