Der Anfang verlief harzig. Kurve um Kurve schlängelt sich das Postauto dem Bergrücken der Ceresio Halbinsel entlang. Zwischendurch erhaschen wir Postkartenblicke auf den Lago di Lugano.
1’000 Kurven später
Nach einer gefühlten Ewigkeit, die in Realität keine halbe Stunde gedauert hat, taucht vor uns der schmale Torbogen unter dem Kirchturm San Giorgio, das Eingangstor von Carona, auf. Die Durchfahrt ist Millimeterarbeit. Wir steigen an der Endstation inmitten der malerischen Ortschaft, eingebettet zwischen San Salvatore und dem Monte Arbostora, aus.
„Wohin jetzt?“ Wir befinden uns in einem 800-Seelen-Dorf und schaffen es tatsächlich, unser Hotel nicht auf Anhieb zu finden. Nach einem erfolglosen ersten Versuch landen wir leicht genervt wieder an der Bushaltestelle. Nach einem langen Tag, den wir morgens um 7 Uhr in Rorschach gestartet haben und von da via Chur, Bellinzona und Lugano hierhin gereist sind, haben wir keine Lust auf lange Hotelsuche. Beim zweiten Versuch tippen wir sowohl Hotelnamen und Adresse in Google Maps. Et Voilà es klappt.
Den Nussbaum sucht man heute auf der Piazza Noseed vergeblich. Die Villa Carona dagegen steht seit über 200 Jahren stattlich am Dorfrand von Carona flankiert von historischen Gebäuden berühmter Künstlerfamilien. Das Patrizierhaus wurde Ende des 18. Jahrhunderts von einer reichen italienischen Unternehmerfamilie gebaut und diente als Rückzugsort im Sommer. Die drückende Hitze weicht hier hoch über dem Luganersee einer sanften Brise.
Mitten im Paradies
Vor knapp zehn Jahren wurde das Gebäude von Cornelia und Jörg Deubner-Marty übernommen und in ein Schmuckstück verwandelt. Seit einigen Jahren gehört die Villa Carona zu den Romantik und Swiss Historic Hotels. Wir werden herzlich begrüsst und auf unser Zimmer mit Garten- und Bergblick begleitet. Hier ist es um mich geschehen. Unser Zimmer versprüht einen so herzlichen Charme, dass alle Gedanken an den Irrlauf durch Carona wie weggeblasen sind. In den vergangenen Jahren hat die Familie Deubner-Marty jedes Zimmer individuell mit Antiquitäten, farbenfrohen Stoffen und einem guten Gespür fürs Detail hergerichtet. Das Resultat überzeugt mich vollends. Statt uns im verträumten Garten auf einen der Liegestühle zu fläzen und den Ausblick auf den Monte Generoso zu geniessen, wagen wir vor dem Abendessen den zweiten Annäherungsversuch mit Carona.
Dorf der Künstler
Bei der ersten Runde hatte ich keine Musse, die Schönheit des Ortes auf mich wirken zu lassen. Dieses Mal klappt’s. Carona ist auch bekannt als Künstlerdorf. Das Dorf ist seit Jahrtausenden berühmt für seine Steinmetze, Bildhauer, Stuckateure und Architekten, die ihre Kunst in Wohnhäuser und Kirchen hinterlassen haben. Auch der deutsche Literat Herman Hesse schätze die Ruhe, die dieser Ort ausstrahlt. Kennengelernt hat er das Dorf bei einer Wanderung, die er von Montagnola aus mit Freuden unternommen hat.
Die Zeit scheint hier hoch über Lugano seither stehen geblieben zu sein. Wir stehen auf der Piazza Montaa, dem schönsten Platz in Carona und fühlen uns zurück in die Zeit versetzt, als Meret Oppenheim im sogenannten Papageienhaus, der Casa Constanza wohnte und es ein Treffpunkt berühmter Künstler war. Der von Meret Oppenheim gestaltete Brunnen in der Mitte der Piazza, erinnert an diese Zeit.
Wir schliessen unseren Spaziergang durch die Idylle bei der Chiesa di S. Marta ab, die auf einer leichten Kuppe steht und so einen schönen Blick über das Dorf bietet.
Genusshimmel mit südländischem Schalk
Zurück in der Villa Carona lassen wir uns vor dem Nachtessen vom Abendlicht über den bewaldeten Hügeln der Halbinsel verzaubern. Nach einem eher trüben Tag hat der Himmel endlich aufgerissen und der Sonne Platz gemacht. „Morgen wird es sonnig“, verspricht unser Gastgeber Jörg Deubner-Marty. Ich will von ihm wissen, von wo aus es den schönsten Blick über die Halbinsel, den San Salvatore und den Lago di Lugano gibt. „Stehen Sie Morgen vor dem Sonnenaufgang auf und spazieren Sie zum Botanischen Park, dort oben gibt es die beste Aussicht“, verspricht er mir. Mit diesem Gedanken im Kopf spazieren wir durch den blühenden Garten zum Restaurant La Sosta (trefflich von „sostare“ – rasten – abgeleitet), das zur Villa Carona gehört. Der Innenraum ist winzig und versprüht ein romantisches Ambiente. Wir bekommen einen Tisch direkt am Kamin. Noch schöner ist natürlich die Terrasse, wo eine duftende Glyzinie Schatten spendet. Die Bedienung hat hier den Schalk im Nacken. Auf südländisch charmante Art werden wir vom Kellner durch den Abend begleitet. Die Karte ist mediterran uns saisonal und die Gerichte ein wahrer Augen- und Gaumenschmaus.
Morgenstund hat Gold im Mund
Punkt 5:00 Uhr werden wir am nächsten Morgen vom Wecker aus dem Schlaf gerissen. Wer steht am Samstagmorgen schon freiwillig so früh auf? Der Blick aus dem Fenster bestätigt uns im Entscheid, der Empfehlung von unserem Gastgeber nachzugehen und zum Botanischen Garten Parco San Grato zu spazieren. Der Park befindet sich etwas oberhalb von Carona und ist in 20 Minuten gut zu Fuss erreichbar. Er ist für seine grosse Sammlung an Rhododendren, die ab Ende April bis Ende Mai in voller Blüte stehen, bekannt. Oben angekommen merken wir, dass nicht alle das gleiche Glück vom klaren Morgen haben. Der Lago di Lugano ist unter einer dichten Nebeldecke versteckt. Nicht weiter schlimm. Wir setzen uns auf eine Bank und geniessen ein morgendliches Spektakel sondergleichen. Märchenhaft. Die Essenz zum Glücklich sein.
Voller Eindrücke kehren wir gegen 8 Uhr ins Hotel zurück. Dort ist schon alles bereit für ein reichhaltiges Frühstück. Wir beladen unsere Teller mir regionalen Köstlichkeiten und Brötchen und setzen uns in den tropischen Garten. Hach, die Villa Carona ist sozusagen die perfekte Version des rundum Wohlfühlpaket. Eine Oase, der Ruhe, fern aller Alltagshektik. Ich bin verliebt in diesen Ort.
Infos und Tipps rund um Carona
- Die Villa Carona hat das ganze Jahr über geöffnet
- Doppelzimmer ab 180 CHF/Nacht
- Carona bietet eine ideale Ausgangslage für Wanderungen
- Mehr Informationen rund um Carona gibt es auf Carona Tourism
Hinweis: Meine Zeitreise wurde von Schweiz Tourismus und Swiss Historic Hotels unterstützt. Ihr wollt auch den Charme vergangenen Zeiten erleben? Nichts leichter als das: hier findet ihr weitere Inspirationen. Meine Leser dürfen wie immer sicher sein, dass ich stets meine Ansichten und Begeisterung vertrete.
Sehr schöne Bilder, vielen Dank Anita. Ich habe mich schon beim ersten Foto gefragt, warum es erst Liebe auf den zweiten Blick war… :) Das Dorf, das Hotel und die ganze Umgebung machen mir sofort Lust, dort auch einmal auf Erkundungstour zu gehen.
Danke Beatrice – es ist ein magischer Ort :)
Traumhaft schöne Bilder!
Vielen Dank liebe Manuela!
Toller Beitrag! Lebensechter kann man Carona nicht rüberbringen! Super!
Vielen Dank, das freut mich :)
Schließe mich den Vorkommentierern an… gigantisch schöne Bilder! Das muss ich im Kopf behalten, da muss ich hin :)
Freut mich, zu hören! Ich kann es auf jeden Fall empfehlen :)
auch von mir ein GROSSES Kompliment an deine schönen Bilder. Der Sonnenaufgang ist echt traumhaft!
Vielen Dank Thomas
Amazing pictures Anita!! Would love to stay in Switzerland for a month and visit all places.
Thank you Ashwin
Wow… Wundervolle Bilder. Das weckt Fernweh in mir ;-) und vermisse meine Heimat äs bitz…
Vielen Dank – ist ja schliesslich auch eine schöne Heimat :)
zu besuchen!!!!
unbedingt! :)
Schön, Anita. Ich lektoriere grad ein Buch über das Tessin und bin beim Fact-Checking auf die Story gestoßen. So kann es auch gehen…