Vor drei Jahren haben wir beschlossen, dass Silvester im Ausland mehr Spass macht. Zum einen fühlt man sich so nicht verpflichtet, zwanghaft irgendwelche Neujahrspartys zu organisieren. Zum anderen kann man mit gutem Gewissen kurz nach Mitternacht ins Bett fallen, weil man vom Sightseeing-Programm eh total erschöpft ist. Silvester ist für mich eigentlich einfach ein Tag wie jeder andere. Neujahrsvorsätze und so? Gibt’s bei mir nicht. Nach Helsinki und Edinburgh fiel die Wahl für den Jahreswechsel 2015/2016 auf Sankt Petersburg. Amsterdam und Rotterdam waren mit im Rennen, zogen dann aber zugunsten arktischer Temperaturen und richtigem Winterfeeling den Kürzeren.
Gereist
Mit dem Direktflug Zürich – Sankt Petersburg der Swiss erreicht man die zweitgrösste russische Stadt in Nullkommanichts. Respektive, die drei Stunden Flugzeit lassen sich mit einem spannenden Buch oder dem Schmökern im Reiseführer gut überbrücken. Unsere Abflugzeit verzögerte sich um eine Stunde, weil – gemäss Durchsage des Flugkapitäns – die Anzahl Passagiere im Flugzeug nicht mit derjenigen am Gate übereinstimmte. Dies hatte eine amüsante Zählaktion zur Folge, die darin resultierte, dass im Flugzeug drin nochmals jeder seinen Pass zeigen musste.
Sankt Petersburg ist uns zwei Stunden voraus. Pünktlich mit den letzten Sonnenstrahlen landeten wir gegen 15:00 Uhr am Flughafen Pulkowo. Vom Flughafen gelangt man entweder mit dem Bus und der Metro in die Innenstadt, oder mit dem Taxi. Wir gönnten uns Letzteres. Wichtig ist, dass man nur bei der offiziellen Stelle das Taxi-Ticket kauft. Diese befindet sich direkt hinter dem Ausgang der Gepäckausgabe. Unsere Fahrt bis zum Moika Kanal kurz vor der Eremitage kostete 1’600 Rubel. Auf dem Rückweg buchten wir das Taxi über unser Hotel, konnten aber den genannten Preis von ebenfalls 1’600 Rubel nicht vorbezahlen. Dies endete am Flughafen prompt in einer Diskussion mit dem Taxifahrer, der behauptete, es sei ein Fixpreis von 2’000 Rubel mit dem Hotel vereinbart worden. Nach einem vehementen Wortwechsel, begnügte er sich schlussendlich mit dem vereinbarten Preis. Die zahlreichen Taxi-Stories zu Sankt Petersburg haben also durchaus einen wahren Kern.
Getan
Der Puls der Stadt am Newski-Prospekt spüren |
Auf 4.5 schnurgeraden Kilometern verbindet der Newski-Prospekt die Admiralität im Westen und das Alexander-Newski-Kloster im Osten des Stadtzentrums von Sankt Petersburg. Die Prunkbauten und historischen Palais beherbergen heute Kleiderketten, Hotels, Museen, Kinos, Restaurants, Souvenirshops und allerlei Kuriositäten. Besonders beeindruckend ist das im 18. Jahrhundert gebaute Gebäude des Kaufhauses Gostiny Dwor. Mit einer Fassadenlänge von beinahe einem Kilometer ein gewaltiges Bauwerk und eines der ersten Kaufhäuser seiner Art. Heute sind die Ladenflächen auf über 200 – meist hochpreisige – Einzelhandelsgeschäfte aufgeteilt.
Winterstimmung auf der Peter-und-Paul-Festung einfangen |
Die Peter-und-Paul-Festung auf der Haseninsel in der Newa gelegen bildet das historische Zentrum der Stadt. Von der Eremitage aus sticht einem sofort der Hauptturm der Peter-und-Paul-Kathedrale ins Auge. Lange Zeit war dies das höchste Gebäude der Stadt – heute wird die Spitze vom Fernsehturm überragt. In pucto Gebäudehöhe gelten in Sankt Petersburg übrigens rigorose Vorschriften. Maximal 100 m sind erlaubt. Die geometrisch exakte Traufhöhe der «Skyline» hat mich beeindruckt.
Auf der Festungsinsel lohnt sich der Blick in die Kathedrale und ins Gefängnis, auch wenn da russisch Kenntnisse von Vorteil wären. Daneben bieten das Museum für Raketenbau, das Münzenmuseum, wechselnde Fotografie-Ausstellungen und die Dauerausstellung zur Stadtgeschichte genügend Stoff, um den Tag zu füllen. Und bei klirrend kalter aber sonniger Winterstimmung empfehle ich einen Spaziergang den Festungsmauern entlang.
Metro fahren |
Okay, wir haben zwar kalt bestellt. Aber wie kalt sich -20° effektiv anfühlt, habe ich in der Euphorie unterschätzt. Wer Sankt Petersburg im Winter besucht, wird die Aufwärmstunden in Museen schätzen lernen. Als Alternativprogramm bietet sich Metro- und/oder Tramfahren an. Entlang der Metro-Linie 1 befinden sich die schönsten U-Bahn-Stationen die Stadt. Bei manchen hat man den Eindruck, dass sich die Baumeister von Kathedralen inspirieren liess. Steigt beim sehenswerten Finnischen Bahnhof in die Metro ein und fahrt bis zur Station Avtovo durch. Da alle drei Minuten eine Metro folgt, kann man problemlos kurz aussteigen, sich die Station angucken und dann weiterfahren. Eine Einzelfahrt kostet 35 Rubel (das 10er Ticket 330 Rubel). Das Durchlasssystem funktioniert mit Jetons und verlaufen kann sich hier keiner. Das Wegleitsystem ist super.
Wer lieber oberirdisch unterwegs ist, setzt sich einfach in die Tram Nr 16, die einmal quer durch die Innenstadt fährt.
Museen zum Aufwärmen |
Der Besuch der Eremitage gehört zum Pflichtprogramm und lohnt sich alleine aufgrund der gewaltigen Räumlichkeiten. Ich hätte mich hier drin gnadenlos verlaufen, aber der Freund behielt irgendwie die Übersicht. Gefallen hat uns auch die zeitgenössische Ausstellung mit Werken von Kandinsky & Co im Russischen Museum. Das berühmte Bernsteinzimmer haben wir aber ausgelassen. Generell empfiehlt es sich, vor 11 Uhr bei den jeweiligen Museen zu sein, da sich um diese Zeit der Besucherandrang noch in Grenzen hält.
Den Kanälen entlang flanieren |
Den zahlreichen Kanälen in der Innenstadt verdankt Sankt Petersburg den Übernamen «Venedig des Nordens» (und teilt in gleichzeitig mit Kopenhagen, Amsterdam, Brügge, Stockholm…). Die Minustemperaturen sollten einem nicht von einem gemütlichen Spaziergang abhalten. Besonders schön gelegen ist der Kryukov Kanal in der Nähe des berühmten Mariinsky-Theaters, wo über den Jahreswechsel traditionell Nussknacker aufgeführt wird.
Kirchen bestaunen |
An prunkvollen Kirchenbauten mangelt es Sankt Petersburg nicht. Sie prägen das Stadtbild massgeblich mit. Die «russischste» unter ihnen ist die Auferstehungskirche, die nach dem Vorbild der Moskauer Basilikus-Kathderale gestaltet wurde. Sie liegt am Gribojedow-Kanal in Fussdistanz zum Newski-Prospekt. Unübersehbar ist das Kuppelbauwerk der Isaak-Kathedrale. Für 150 Rubel kann man von der Kuppel den Vogelblick über die Innenstadt geniessen. Der Eintritt in die beiden Kirchen kostet je 250 Rubel. Sehenswert ist auch die Nikolaus-Marine-Kathedrale unweit des Mariinsky-Theaters und die auffällige rosafarbene Tschesmensker Kirche in der Nähe der Metrostation Moskovskaya (Linie 1).
Hinterhöfe angucken |
Mit genügend warmen Kleiderschichten ausgestattet, haben wir einige Ecken der Stadt trotz winterlicher Temperaturen zu Fuss erkundet und dabei den einen oder anderen Blick in die Hinterhöfe geworfen. Was von aussen trostlos grau erscheint, beherbergt mit etwas Glück farbenfrohe Street-Art Kunstwerke. Den Wal findet ihr auf der Petrograd-Seite in der Michurinskaya Strasse. Der Ritter versteckt sich entlang der Zhukovskogo Strasse, die ihr eh ansteuern solltet, weil sich entlang dieser Strasse einige der gemütlichsten Cafés der Stadt befinden.
Gegessen
Die kulinarische Vielfalt hat uns dermassen aus den Socken gehauen, dass ich alle Restaurant-Tipps in einem separaten Beitrag aufgelistet habe. Hier nur kurz und knackig meine Top-Tipps. Die Coffee Bar Bonch sowie das Sicaffé sind ideal gelegen, um sich für den Kunst-Marathon durch die Eremitage fit zu trinken. Für gute russische Küche lege ich euch das Severyanin ans Herz. Fischliebhaberinnen werden im RoseMary verwöhnt und für einen stilvollen Absacker ist man in der Terminal-Bar an der richtigen Adresse.
Gefeiert
Das mit Silvester in Sankt Petersburg ist so eine Sache. Die russische Bevölkerung feiert den Jahreswechsel im Familienkreis in den eigenen vier Wänden oder gönnt sich ein Abendessen in einem der Luxushotels der Stadt. Wer sich für diesen Abend irgendwo einen freien Restaurantplatz sichern möchte, sollte sich früh darum kümmern. Gleiches gilt für die begehrten Nussknacker-Tickets.
Die öffentlichen Feierlichkeiten finden auf dem Schlossplatz vor dem Winterpalais statt. Angeblich wird hier das neue Jahr um Mitternacht auch mit einem Feuerwerk begrüsst. Doch die Infos hierzu widersprechen sich. An manchen Stellen steht, dass das Feuerwerk auf der Peter-und-Paul-Festung stattfindet oder dass es erst in den frühen Morgenstunden abgefeuert ist. Fakt ist: es gab ein mini-Feuerwerk auf dem Schlossplatz und es gab ein Feuerwerk auf der Peter-und-Paul-Festung. Wer beides im Blickfeld haben möchte, stellt sich strategisch geschickt auf dem Börsenplatz (Strelka) mit einer Thermoskanne heissem Tee in Warteposition.
Geschlafen
Unseren Schlafplatz buchte ich im Kempinski Hotel Moika 22. Ausschlaggebend waren die gute Lage im Dreieck zwischen Schlossplatz, Russischem Museum und dem Newski Prospekt sowie das faire Preis-Leistungsverhältnis. Die fünf Nächte kosteten uns knapp 700 CHF (ohne Frühstück). Dafür wurden wir mit Champagner und Häppchen zu Silvester eingedeckt. Einen herrlichen Blick über die Stadt gibt es von der hoteleigenen Dachterrasse. Diese Location gehört zu den trendigen «Roofing» Spots.
Russlandvisum – Gut zu wissen
Für eine Einreise nach Russland benötigt man als SchweizerIn ein Visum. Hierfür muss man zweimal in Bern auf der Botschaft antraben und irgendwoher ein Einladungsschreiben organisieren. Wer seine Reise via Reiseveranstalter bucht, hat dies in der Regel mit dabei. Wir haben individuell Flug und Hotel gebucht und hätten wahrscheinlich via Anfrage beim Hotel eine solche Einladung erhalten. Da mir aber der Zeitaufwand für zwei Fahrten nach Bern zu gross war, entschieden wir uns einen Visaservice zu beantragen. Von Freunden wurde uns Sibiriak empfohlen und das hat auch bei uns tipptopp geklappt. Das Touristenvisum gibt es inklusive Kosten für den Service bei Sibiriak ab 170 CHF. Nebst dem Pass muss eine Bestätigung der Krankenkasse zu gewissen Versicherungsdeckungen vorliegen. Etwas umständlich für einen 5-tägigen Städtetrip aber schlussendlich gar nicht so kompliziert, wie es im ersten Moment den Anschein macht.
Wow! Die Bilder – wunderschön! Das macht wirklich Lust auch mal im Winter nach St. Petersburg zu reisen. Danke fürs Mitnehmen!
Danke dir für die netten Worte! Das freut mich :)
Hallo Anita! Sankt Petersburg hat sich dir wohl von seiner schönsten Seite präsentiert, die Bilder sind wunderbar und dein Bericht richtig abwechslungsreich! Das ist echt mal eine Destination, in der nicht jeder ist! Den Nussknacker hätte ich sehr gern gesehen.
Liebe Grüße, Jean
http://jean-abovetheclouds.com
Danke, freut mich, wenn dir der Bericht gefällt und ja, den Nussknacker hätte ich auch sehr gern gesehen… beim nächsten Mal kommt mir das dann hoffentlich früher in den Sinn :D
Russland zu Silvester, auf die Idee bin ich noch gar nicht gekommen. Ich verbringe auch jedes Jahr lieber woanders Silvester, genau wie du. Das nächste Silvester sollte eigentlich mal im Warmen stattfinden, aber ich schicke jetzt St. Petersburg ins Rennen :) Danke für den tollen Tipp
Sankt Petersburg ist einfach eine Reise wert, dank Deiner tollen Fotos und dem Artikel steht es nun wieder auf meiner Reiseplanung im Sommer.
Das Foto mit der Langzeitbelichtung ist super toll geworden.
Danke sagt Daniela
Wow, tolle Fotos und sehr informativer Beitrag, Anita!
Ein Beitrag über Moskau habe ich auf unserem Blog online: http://www.underwaygs.de/ratgeber/Fuenf_Tage_Moskau/index.html
Viele Grüße
Mathias – underwaygs.com
Großartige Fotos, liebe Anita! Mit welcher Kamera / Objektiv bist du unterwegs gewesen? Auf Städtereisen sind große Kameras ja oft auch eine Gewichtsache :-)
Vielen Dank Anke! Alle Fotos in diesem Beitrag sind mit der Sony a7rII und dem Sony Zeiss 35mm/f1.4 gemacht.
Wow, unfassbar tolle Fotos. Ich bin mal wieder schwer begeistert <3
die bilder sind wunderschön, aber auch der bericht ist gut geschrieben. hattest du probleme mit der kamera? bei diesen temperaturen, soll es ja durchaus dazu kommen? irgendwelche tipps zum handhaben der kamera?
Hoi Rainer danke für deinen Kommentar und freut mich, dass dir der Bericht gefällt – nein wir hatten keine grösseren Probleme mit der Kamera. Einzig der Akku entleert sich schneller, daher lohnt es sich mindestens einen Ersatzakku einzupacken.