„Unter dieser Piste schlummern übrigens drei Bären“, meint Jason mit einem schelmischen Lächeln. Diese Information muss ich zuerst einmal verdauen. Wer ist denn schon einmal über die Höhle eines Grizzlybären gecarvt? Skifahren in Kanada birgt halt schon die eine oder andere Tücke, die wir auf der anderen Seite des grossen Teichs nicht kennen. Am frühen Morgen desselben Tages hätte ich mir noch nicht vorstellen können, wie nahe ich einem tief schlummernden Grizzly kommen werde. Nach zwei Tagen voller Sonnenschein und Pistenspass lasse ich Sunshine hinter mehr und steuere mein nächstes Etappenziel – Lake Louise – an. Nachdem ich mich nun während fünf Tagen langsam an den in meinen Augen riesigen Jeep gewöhnt habe, werde ich mutiger. Im Vorfeld wurde mir empfohlen, statt die Zeit auf dem langweiligen Highway zu vertrödeln auf den malerischen Bow Valley Parkway (1A – ehemaliger Highway) abzubiegen. Gesagt, getan.
Der Bow Valley Parkway verbindet als Nebenstrasse und Parallelachse zum Highway und der Eisenbahnlinie Banff mit Lake Louise. Wer von Sunshine kommt, der kann rund 30 Kilometer nördlich der Einmündung von Sunshine auf Höhe Abzweigung Route 93 auf den Bow Valley Parkway abbiegen. Im Gegensatz zum Highway ist der Parkway im Winter in der Regel schneebedeckt. Die idyllisch gelegene Strasse verbindet einige tolle Fotospots wie den imposante Castle Mountain und die legendäre Morant’s Curve (kurz vor Lake Louise). Bei der Morant’s Curve unbedingt stoppen – ich war leider zeitlich etwas im Verzug und habe den Parkplatz zudem erst dann erspäht, als ich quasi schon vorbei war. Der Ausblick beinhaltet das Ensemble aus Bow River, schneebedeckten Rockies, Tannenwäldern und der Eisenbahnlinie. Mit etwas Glück erwischt man sogar einen der durchfahrenden Güterzüge, deren Signalton lauthals durch das ganze Tal hallt.
Skigebiet für Allrounder
Als erste Mission erhalte ich direkt nach meiner Ankunft in Lake Louise neue Ski. Mein desolater Mietski hielt dem kritischen Blick von Jason Conell, Director of Sales, nicht stand und prompt schleppt er mich in die Skivermietungsstation. Bestens ausgerüstet mit einem chicen Blizzard All-Mountain Ski bin ich fünf Minuten später bereit für das in Europa wohl bekannteste Skigebiet im Banff-Nationalpark. Der Bekanntheitsgrad verdankt Lake Louise den alljährlich im familiären Rahmen stattfindenden Weltcuprennen. Wenn sich hier Ende November der Skizirkus zu einem der ersten grossen Rennen der Saison trifft, hat der Gast die Chance, sich unter die Stars zu mischen. Meine Blitz-Umfrage vor Ort zum Thema Sunshine versus Lake Louise hat ergeben, dass die Snowboarder Lake Louise aufgrund des generell steileren Terrains bevorzugen. Die Beliebtheit scheint nicht unbegründet. Immerhin hat Lake Louise 2014 den World Ski Award für Kanada’s bestes Skigebiet gewonnen.
Ich starte meine Rundtour mit dem Top of the World Express. Nachdem ich das Panorama des gegenüberliegenden Lake Louise mit dem davorliegenden legendären Chateau und dem markanten Valley of the Ten Peaks ausgiebig begutachtet sowie einen weiteren Blick in die endlose Weite des nördlich gelegenen Backcountrys geworfen habe, machen wir uns auf den Weg zum höchsten Punkt des Skigebiets. Wer den Tellerlift hinauf zum Summit Platter ohne Sturz überlebt, ist gewappnet für das oben wartende Expertengebiet. Mehrmals rutsche ich gefährlich schräg über eine Eisplatte und bin heilfroh, dass ich mit den Skiern und nicht mit dem Snowboard unterwegs war. Die blaue Piste Boomerang führt vom Summit Platter in das sogenannte Back Bowls Gebiet. Die Piste macht ihrem Namen volle Ehre! Eine tolle Abfahrt für geübte Skifahrer. Vorbei an der Temple Lodge, die den Ursprungskern vom Skigebiet Lake Louise bildet, kurven wir zum Larch Express. Bei der Temple Lodge startet übrigen ein rund 11 Kilometer langer Trail, der zur Skoki Lodge führt – ein Hideaway inmitten der Rocky Mountains. Wer’s gerne gemütlich mag, der sollte zumindest einmal die Lookout Piste vom Larch Express runterfahren. Hier gibt’s definitiv die schönste Aussicht auf den Temple Mountain. Zu guter Letzt machen wir es uns noch in der Gondel aka Grizzly Express gemütlich. Der Express gibt dann leider kurzfristig den Geist auf und muss nach rund einer Stunde Stillstand mit dem Notstromaggregat nach oben befördert werden. Nicht weiter schlimm, denn endlich oben angekommen ist zwar bereits Betriebsschluss dafür erhält jeder ein Getränkegutschein für einen Drink in der Lodge of the Ten Peaks an der Talstation und so prosten wir uns zum Abschluss dieses gelungenen Tages mit Powder Hound Pilsner zu – ein Bier, das im Bow Valley hergestellt wird.
Im Sommer sind die Whiskey Jack Lodge und Lodge of the Ten Peaks beliebte Spots zum Grizzlybären beobachten. Die mögen Lake Louise nämlich ebenfalls. Die Piste, unter der drei von ihnen ihr Winterlager aufgeschlagen haben, wird im Frühling früher zugesperrt. Wer möchte schon mit den Skiern einem tapsigen Grizzly begegnen? Ich würde vor lauter Schreck wohl in den nächsten Baum fahren.
Der Skipass in Lake Louise kostet 89 CAD – Mehr Infos zum Skigebiet findet ihr hier
Gourmet auf Kanada’s Pisten
Eine weitere Besonderheit von Lake Louise ist, dass hier neben der Piste kulinarisch mehr als nur Chicken Wings, Pommes Frites und Burger geboten werden. Im Whitehorn Bistro auf halber Höhe zwischen Berg- und Talstation vom Grizzly Express wird auch dem anspruchsvollen Gast etwas geboten. Ich entscheide mich für die Tagessuppe (10 CAD) und das vegane Pilz-Risotto (20 CAD). Als kurzer Verdauungsspaziergang erkunden wir die davor liegende Terrasse mit prächtigem Panoramablick. An schönen Frühlingstagen bleibt wohl der eine oder andere nach dem üppigen Mittagessen gleich hier sitzen und lässt sich für den Rest des Tages die Sonne ins Gesicht scheinen.
Klassiker am See
Wer Lake Louise besucht, der kommt an einem Klassiker kaum vorbei. Der Grundstein des legendären Fairmont Chateau Lake Louise wurde Ende des 19. Jahrhunderts im Zusammenhang mit dem Bau der Canadian Pacific Railway gelegt und es gibt nur wenige Hotels, die mit der einmaligen Lage des Chateau Lake Louise mithalten können. Nachdem das Holzgebäude 1924 einem Feuer zum Opfer fiel, wurde es durch den heutigen Komplex ersetzt. Über Architektur lässt sich bekanntlich streiten. Für mich passt der massige Bau nicht in diese prächtige Landschaft. Dennoch lohnt sich der Besuch, denn die Aussicht von der Lakeview Lounge ist schlicht und einfach „wow“. Dazu den Kanadischen „Nationalcocktail“ Ceasar (und mir danach schreiben, ob ihr ihn mögt) und eine Auswahl an Häppchen bestellen. Die Zimmer haben mich ebenfalls positiv überrascht und der Blick vom siebten Stock auf den zugefrorenen Lake Louise mit dem dahinterliegenden Mount Victoria ist eh unschlagbar. Zu bemängeln ist der unverständlich komplizierte Umgang mit dem wifi. Hierzu ein kleiner Trick: ihr müsst euch einfach für den President’s Club anmelden, dann ist es kostenlos. Für Heimweh-Schweizer gibt’s in der Walliser Stube das beste Fondue ausserhalb der Schweiz. So zumindest die Ansage. Ich habe es nicht getestet, weil alleine Brotstücke im Fondue Caquelon hin und herzurühren mässig spassig ist. Stattdessen habe ich mir die Regenbogenforelle aus dem Bow River bestellt. Sehr lecker! Die Stube selbst ist eine Hommage an die zahlreichen Schweizer Bergführer, die hier in den Pionierzeiten dafür gesorgt haben, dass alle Touristen wohlbehalten von ihrem Kletterrouten zurückgekehrt sind.
Diese Reise wurde von Travel Alberta und Canusa unterstützt – vielen Dank hierfür! Meine Leser dürfen wie immer sicher sein, dass ich stets meine Ansichten und Begeisterung vertrete.
Wir haben nach dem Skifahren und dem obligaten Spaziergang über den zugefrorenen See eine heisse Schoggi im Fairmont eingenommen. Die war genau das richtige nach vor einer langen Autofahrt (inkl. 1h im Stau stehen wegen Unfall bei -10°C) zurück nach Banff :)