„Aber das machen doch nur Rentner!“ Nahezu jeder Zweite, dem ich von meinen Norwegen-Reiseplänen erzählte, knallte mir diese Aussage an den Kopf. Quasi so, als ob ich als junger Schnaufer mein Leben auf dem Schiff vergeuden werde.
Aber der Reihe nach. Unser Plan lautete folgendermassen: mit der Bahn von Bergen nach Oslo (mit einem Fjord-Abstecher dazwischen) und anschliessend von Bergen mit der Hurtigruten weiter bis nach Trondheim. Die traditionelle Postschifflinie verkehrt noch heute im Fahrplan-Takt täglich zwischen Bergen und dem nördlichsten Punkt Kirkenes. Die gesamte Reise dauert rund eine Woche. Unsere Etappe dauert dagegen knapp 36 Stunden. Zwei Nächte und einen kompletten Tag auf dem Schiff. Wieso sollte diese Reiseart nur für Rentner sein?
Das Hurtigruten-Terminal befindet sich hinter einem der Hügel, die den Kern von Bergen umgeben. Der Pro-Tipp: Bei der Østre Muralmenningen hat es einen unterirdischen Lift, der dir das Schleppen der Koffer abnimmt. Kaum haben wir beim Terminal eingecheckt und einen Sitzplatz für die Präsentation des obligatorischen Sicherheitsvideos eingenommen, realisieren wir, dass unsere Freunde mit ihrer Einschätzung nicht so falsch lagen. Der Raum füllt sich mit Senioren und Seniorinnen. Der prozentuale Anteil an Rollatoren schlägt nach oben aus. Gibt es tatsächlich keine Leute unter 50 Jahren auf dem Schiff?
Erster Abend auf dem Schiff – Auf der Reling stehen und das vorbeiziehende Bilderbuch-Norwegen betrachten
Nachdem das Schiff Bergen hinter sich gelassen hat und die meisten Gäste die Küstenlandschaft vom Deck aus betrachten, können wir Entwarnung geben. Es hat tatsächlich auch andere jüngere Pärchen und sogar Familien. Doch eins ist unbestritten, die Rentner haben die Überhand. An was kann das liegen? Wir erklären uns das Phänomen ab den mangels Konkurrenz hohen Preisen für die Zwischenetappen. Unser Ticket hat pro Person – direkt auf der Hurtigruten Webseite gebucht – 554 Euro pro Person gekostet (Aussenkabine inkl. Frühstück). Der günstigste Preis für diese Strecke liegt in den Sommermonaten je nach Schiff bei rund 260 Euro. Dazu kommen die Kosten fürs Nachtessen. Da wir nur einen vollständigen Abend auf dem Schiff verbrachten, verzichteten wir auf ein Essen im Restaurant und genehmigten uns einen Burger (150 Kronen) im Bistro.
Die Entdeckung der Langsamkeit
Nach einer angenehmen Nacht starten wir den nächsten Tag früh auf der Reling. Nach einem kurzen Stopp in Alesund folgt das Highlight dieser Etappe. Die Fahrt in den Storfjorden und von dort bis an den hintersten Zipfel vom prächtigen Geirangerfjord. Mit einer der Hauptgründe, wieso wir uns für diese Strecke entschieden haben. Wir sichern uns zwei Liegestühle an einem windgeschützten Eck auf dem Sonnendeck und legen für den Rest des Tages die Beine hoch. Für einmal ohne Hektik durch wunderbare Landschaften fahren und sich dabei keinen Meter bewegen. Doch das unbeständige Wetter sorgt dann doch noch für etwas Action und beim Passieren des berühmten Seven Sisters Wasserfall hält uns eh nichts mehr auf den Stühlen.
Morgenstimmung vor Alesund
Norwegen in Perfektion – Storfjord und Geirangerfjord
Sieben Schwestern trotzen dem Sturm
Verregnete Jugendstilarchitektur in Alesund
Der Rückweg in Richtung Alesund erfolgt auf der gleichen Strecke wie die Hinfahrt. In Alesund besteht die Möglichkeit, das Schiff für knappe 45 Minuten zu verlassen und auf einem kurzen Spaziergang die Jugendstilarchitektur in Augenschein zu nehmen. Der sintflutartige Regen lässt uns aber bereits nach knapp 30 Minuten wieder aufs Schiff flüchten.
Hurtigruten Hamburger und dramatische Abendstimmung
Am späteren Abend, kurz vor Molde, kreuzen wir mit unserer MS Midnatsol (eines der neueren Schiffe) das Schwesternschiff MS Nordkapp. Es wird kräftig gehupt und zugewunken. Um die Klischees mit der richtigen Kulisse zu untermalen, zaubert Norwegen urplötzlich einen Regenbogen in die dunklen Wolken.
Ankunft in Trondheim
Pünktlich um 08:30 erreichen wir am nächsten Morgen Trondheim, wo wir das Schiff verlassen. Die Gästeschar, die auf dem Schiff bleibt, erwartet an diesem Tag die Überquerung des Polarkreises. Das Ratespiel des Tages: um welche Zeit wird es soweit sein?
Abgesehen vom miserablen Frühstücksbuffet fanden wir die zwei Nächte auf dem Schiff perfekt. Einen Tag lang einfach mal die Bein hochlagern, ein Buch lesen und dabei vorbeiziehende Landschaften betrachten tut zwischendurch auch gut. Und nein, meiner Ansicht nach muss man nicht warten, bis man einen Rollator hat, um mit dem Postschiff nordwärts zu fahren. Weiter Informationen zu den Routen, den aktuellen Preisen, den verschiedenen Preisen und sonstigen interessanten Details findet ihr auf der Hurtigruten-Webseite.
Hach, in Erinnerungen schwelgen und die Fotos bestaunen… ich durfte diese Reise schon zweimal komplett mitmachen, einmal im Sommer und einmal im Winter und jetzt kommt der Geheimtipp: in Winter ist es günstiger und durch die andauernde Dämmerungsstimmung noch mystischer… und im Übrigen hast du Recht, viele Rentner, aber die nehmen sich auch zeit und «müssen» sich nicht innerhalb 1-2 Wochen vom Arbeitsstress erholen und ich finde dadurch ist das Entdecken der Langsamkeit so richtig spürbar!
Toller Bericht, Danke!!
Vielen Dank! Stimmt, als ich gestern nochmals auf der Hurtigruten-Webseite war, habe ich auch gesehen, dass die Preise im Winter deutlich günstiger sind… mal schauen, «Nordlichter jagen» wäre auch noch so ein Traum :)
Super Bericht! Da muss ich doch gleich auch wieder das nächste Hurtigruten-Reisli buchen. Auch wenn ich noch lange nicht zu den Seniorinnen gehöre und es schon das dritte Mal Norwegen ist dieses Jahr :) Und betreffend Nordlichter: Wirklich einfach traumhaft und so mit Abstand das schönste Erlebnis, was ich je hatte. Bei Interesse: http://sabrinabigler.ch/travelline/norwegen-hurtigruten-nordlichter/
Danke Sabrina! Super Bilder, muss ich mich echt überlegen, ob ich nicht doch grad sofort die Winterversion buchen sollte – nach unserem Reinfall letzten Winter in Finnland, tendiere ich aber gerade eher zu südlicheren Destinationen ;)
Ja die Gefahr eines Reinfalls besteht natürlich immer, aber von Norwegen (insbesondere Tromsø und Umgebung) bin ich noch nie enttäuscht worden. Und das Nordlicht ist einfach wirklich zu genial. Deshalb wäre ich klar für: ab in den Norden :)
War auch gerade in Norwegen, aber zum Wandern. Deine Fotos sind wirklich super toll!!! Noch lohnenswerter sind dann die Lofoten im Norden des Landes. Wenn du noch einmal dorthin kommen solltest, mach unbedingt einen Abstecher dorthin. Da wird’s dann im Sommer auch wirklich überhaupt nicht dunkel.
Danke Kevin :) ja, beim nächsten Mal starten wir dann in Trondheim und fahren von dort nordwärts – selbstverständlich auch mit einem Abstecher auf die Lofoten
hi anita
mit welcher kamera hast du die bilder geschossen. echt super aufnahmen!
vielen dank fuer die info!
Gruss aus Basel
Danke! Diese Bilder haben wir mit der Canon 5d mkIII gemacht. Beste Grüsse
Hallo Anita! Habe ich das in deinem Bericht richtig verstanden, dass ihr nur die Etappe von Bergen nach Trondheim mit dem Schiff gefahren seid?
Bin gerade dabei meine Reise zu planen und würde gerne die gleiche Etappe, aber von Trondheim nach Bergen machen. Allerdings kann ich nur «Komplettpakete» von Bergen nach Kirkenes finden…Kannst du mir verraten, wie/was/wo ihr eure Etappe gebucht habt? Wäre mir sehr hilfreich und ich würde mich echt freuen! Liebe Grüße, Julia
Liebe Julia, ja wir haben nur Bergen bis Trondheim gebucht. Auf der englischen Seite (.com) kannst du dir deinen individuellen Trip zusammenstellen: https://www.hurtigruten.com/find-a-trip/?id=121#sort=recommended&asc=true
Beste Grüsse
Anita