Vor lauter Schweizer Bergsommererlebnissen kommt aktuell das Aufarbeiten des letzten Teilstücks unserer grossen Reisen – die Etappe durch Zentralasien – zu kurz. Berichtstechnisch stecke ich aktuell noch in Kaschgar in der chinesischen Region Xinjiang fest. Nach der sehr eindrücklichen Zugreise entlang der chinesischen Seidenstrasse verbrachten wir den letzten Reisemonat in Zentralasien. In diesem Blogbeitrag nehme ich euch auf unseren fünftägigen Roadtrip durch Kirgistan mit. Dieser führt uns von der chinesisch-kirgisischen Grenze beim Torugart-Pass bis in die Hauptstadt Bischkek. Auf Deutsch kursieren für die «Schweiz Zentralasiens» (wie uns die Kirgisen zur Begrüssung voller Stolz mitteilen) mehrere offizielle Namen; Kirgisistan, Kirgisien, Kirgisische Republik oder eben auch Kirgistan. Auf meine Frage, welche Landesbezeichnung sie auf Deutsch bevorzugt, meinte unsere deutschsprachige Reiseleiterin Kanyshai «Kirgistan». Und daher bin ich nun auch hier dieser Schreibweise treu geblieben.
Tag 1: Über den Torugart-Pass nach Kirgistan
Um von Kaschgar nach Kirgistan zu gelangen, bestehen zwei Möglichkeiten; via Torugart-Pass Richtung Bischkek oder via Irkeschtam-Pass Richtung Osh. Wer über den Torugart-Pass reist, der muss im Vorfeld einen bestätigten privaten Transport zwischen dem Grenzübergang am Torugart-Pass und Kaschgar organisieren – ansonsten ist der Grenzübertritt nicht möglich. Beim Irkeschtam-Pass ist diese Abholung nicht zwingend (Stand 2018), daher wird dieser Grenzübertritt trotz des beschwerlicheren Weges unter anderem von Velofahrern bevorzugt. Wie wir schon in unserem Seidenstrasse-Blogbeitrag berichtet haben, waren wir in China/Zentralasien jeweils mit Reiseleiter – und wo nötig auch, mit Fahrer unterwegs. Unsere chinesische und kirgisische Agenturen organisierten den Grenzübergang so, dass wir vom chinesischen Fahrer bis zum Grenztor auf dem Torugart-Pass gefahren werden und uns dort der kirgisische Fahrer erwartet. Das tönt im ersten Moment nachvollziehbar und nicht weiter kompliziert – doch ganz so easypeasy war es dann doch nicht. Wer über den Torugart-Pass nach Kirgistan reisen möchte, der muss nebst dem vorgeschriebenen organisierten Transport noch weitere Details beachten. Am Wochenende und an Feiertagen bleibt der Grenzübertritt geschlossen. An Werktagen öffnet die Grenze zwischen 10 – 17 Uhr, wobei sie um den Mittag (um 12.30 Uhr) für ca. zwei Stunden schliesst. Bei der Organisation der Abholtermine ist zudem zu beachten, dass zwischen Kirgistan und Kaschgar eine zweistündige Zeitdifferenz besteht (sofern man nach der offiziellen Peking-Zeit und nicht nach Ürümqi-Zeit geht). Der tricky Part am Grenzübertritt ist, dass das chinesische Zollgebäude, wo die Ausreiseformalitäten erledigt werden, gut zwei Fahrstunden vom Torugart-Pass entfernt ist. Da dieses auch erst um 10:00 Uhr öffnet und das Tor auf dem Torugart-Pass um 12:30 Uhr für die Mittagspause wieder schliesst, passiert es öfter, dass Leute oben beim Pass stecken bleiben und das Ende der Mittagspause der chinesischen Grenzbeamten abwarten müssen. Erschwerend kommt dazu, dass man auf der Fahrt von Kaschgar bis zur kirgisischen Grenze mehrere militärische Checkpoints mit Personenkontrollen durchlaufen muss. Aus diesem Grund sind wir am Tag des Grenzübergangs zeitig Richtung Torugart-Pass aufgebrochen und bis in die Ortschaft mit dem Zollgebäude sind wir gut vorangekommen. Bevor wir ins Zollgebäude durften, mussten wir uns noch beim Polizeiposten abmelden. Eigentlich würde man meinen, dass dies lediglich eine pro forma Kontrolle ist – wir reisen ja schliesslich aus. Doch falsch gedacht. Insgesamt 30 Minuten lang sahen sich zwei Beamte akribisch unsere Pässe durch, wollten ergänzend wissen, was wir arbeiten und ob wir verheiratet sind (es ist ja nicht so, dass ich für China einen Visa-Antrag ausfüllen musste, wo ich all diese Fakten angegeben habe). Schlussendlich mussten sie unseren Pass und das Visum noch kopieren und wir waren endlich Richtung Zollgebäude entlassen. Dort folgte die nächste Lächerlichkeit – wir mussten beide unsere Laptops auspacken, hochfahren und danach «durchsuchte» ein Beamter unseren Computer (will heissen, er schaute sich die Fotos an, die ich auf dem Desktop abgelegt hatten). Kurz vor 11 Uhr erhielten wir endlich den Ausreisestempel und durften Richtung Passhöhe weiterreisen. «Schaffen wir es vor dem Mittag über die Grenze?». Ja! Und zwar mit genau zwei Minuten «spatzig», bevor sich die Grenzbeamten in die Mittagspause begaben. Auf der kirgisischen Seite erwarteten uns Fahrer Rustam und Reiseleiterin Kanyshai von Novinomad, die uns von hier bis nach Almaty in Kasachstan begleiteten. Der kirgisische Grenzposten folgte nach wenigen Minuten und die Einreise nach Kirgistan war ein Ding von wenigen Minuten. Und witziges Detail: die kirgisischen Grenzbeamten begrüssten uns mit Händedruck. Emotional war ich an diesem Reisetag noch nicht vollumfänglich bereit, mich auf die Eindrücke Kirgistans einzulassen – der Spiessrutenlauf von Kaschgar bis zum «Tor in die Freiheit» auf dem Torugart-Pass dominiert die Eindrücke dieses Tages. Bis zu unserem Tagesziel Naryn sind es rund 180 Kilometer. Inklusive Abstecher zur gut erhaltenen Karawanserei Tasch Rabat sind wir gut drei Stunden unterwegs. Die «steinerne Herberge» aus dem 15. Jahrhundert bot den Karawanen, die der Seidenstrasse folgend von Kaschgar über den Torugart-Pass nach Naryn reisten, Unterschlupf. Wir übernachten in Naryn in einem kleinen Gästehaus namens Gostevoy Dom Baktygul
Tag 2: Kultur und Tradition in Kochkor
Der zweite Reisetag bringt uns von Naryn via Kochkor an den zweitgrössten Gebirgssee der Erde. Es ist ein wunderbar klarer Tag und auf der Fahrt von Naryn nach Kochkor begleitet uns nicht nur eine prächtige Bergkulisse, sondern auch das alltägliche Leben der Nomadenfamilien. Überall am Strassenrand wird das Nationalgetränk Kirgistans – Kumys (vergorene Stutenmilch) – zum Kauf angeboten.
In Kochkor stoppen wir beim genossenschaftlichen Filzbetrieb Altyn-Kol. Hier verkaufen Frauen aus der Region ihre traditionellen Filzprodukte und bieten diverse Workshops. Ein Projekt, das unter anderem von Helvetas unterstützt wurde und den Frauen Verdienstmöglichkeiten schafft. Während gut 1.5 Stunden zeigen uns zwei Frauen, wie aus der frisch geschorenen Wolle die traditionellen Shyrdaks enstehen, die nach Ihrer Fertigstellung Jurten wohnlich machen.
Tag 3: Jurtenleben am Yssykköl (Issyk Kul)
In keinem zentralasiatischen Land ist das Nomadenleben noch so präsent, wie in Kirgistan. Somit bietet es sich an, mindestens einmal in einer traditionellen Jurte zu nächtigen. Unser Nachtlager befindet sich direkt am Südufer das glasklaren Yssykköl. Nebst uns ist an diesem Tag nur ein individuell reisender Westschweizer im kleinen sympathischen Jurtenlager (Jurt Camp Tosor) zu Gast. Kirgistan zieht primär Trekkingtouristen an und dafür ist es Ende Mai / anfangs Juni noch zu früh. Die Hauptreisesaison konzentriert sich auf die Monate Juli/August. Wer etwas mehr Zeit mitbringt, der sollte von Tosor aus bis Karakol weiterreisen und dort mindestens eine Bergtour im Tianshan unternehmen. Das muss eine traumhaft schöne Gegend sein und ich habe mir vorgenommen, einmal im Hochsommer für ein Trekking hierhin zurückzukehren.
Nebst der Übernachtung im Jurtencamp ist für mich der Abstecher in den Skazka Canyon (auch bekannt unter «Fairy Tale Canyon») ein Highlight unserer 5-tägigen Reise durch Kirgistan. Hier erwarten euch bizarre Sandsteinformationen.
Tag 4: Auf dem Pferderücken durchs Tschong-Kemin Tal
Während beim Yssykköl insbesondere der Kontrast zwischen schier unendlicher blauer Hochebene und karger – teils wüstenähnlicher – Berglandschaften beeindruckt, erhalten wir an unserem vierten Reisetag nochmals einen ganz anderen Eindruck von Kirgistan. Mit seinen üppig grünen Hügelzügen und eingestreuten Dörfern erscheint das Tschong-Kemin Tal als pure Idylle und mich erinnert es ein wenig an meine Heimat im Gürbetal. Wir übernachten auch hier in einem sympathischen Homestay namens Kemin Guesthouse. Direkt nach unserer Ankunft nimmt uns der junge Gastgeber (der sehr gut Englisch spricht) auf einen Ausritt zu einem Aussichtspunkt hoch über dem Dorf mit. Leider spielt das Wetter an diesem Tag nicht optimal mit und wir sehen uns mit einem ziemlich vernebelten Panoramablick konfrontiert. Nichtsdestotrotz – ein Austritt stand schon seit Patagonien auf meiner Wunschliste und wo würde es besser passen, als in einem Land, wo es gefühlt mehr Pferde als Menschen gibt.
Tag 5: Sowjetfeeling in Bischkek die Hauptstadt von Kirgistan
Unser 5-tägiger Roadtrip vom Torugart-Pass nach Bischkek ist selbstverständlich lediglich ein kurzes Reinschnuppern in ein Land, das mir von Beginn weg sympathisch ist und das ich auf jeden Fall zu einem späteren Zeitpunkt besser kennenlernen möchte. Auf der Fahrt vom Tschon-Kemin Tal in die Hauptstadt Bischkek machen wir einen Zwischenstopp beim Burana-Turm unweit der Stadt Tokmok. Der Turm gilt als eines der ältesten Bauwerke seiner Art in Zentralasien und gehört wie die alte Karawanserei in Tasch Rabat zu den historischen Zeitzeugen der Seidenstrasse. Wir wagen uns ins dunkle Innere des Turms und tasten uns die schmalen Stiegen zur Aussichtsplattform hinauf – ein kleines Abenteuer.
Der anschliessende Spaziergang durch die Strassen von Bischkek ist das pure Kontrastprogramm zur vorherigen Fahrt durch die liebliche Kulturlandschaft. Imposante sowjetische Bauwerke erinnern uns daran, dass Kirgistan bis 1991 Teil der UdSSR war. Der russische Einfluss ist bis heute spürbar – Kirgistan hat offiziell zwei Staatssprachen; Kirgisisch und Russisch. Wir spazieren vom Platz des Sieges via Hauptplatz «Ala Too Square» bis zum grossen Osh Market im Westen der Innenstadt. Bischkek ist jetzt sicher nicht die Stadt, in der man ausgiebig viel Sightseeingzeit einrechnen muss – aber unser Budget von vier Stunden war doch etwas knapp bemessen, um sich wirklich ein Gesamtbild der Hauptstadt Kirgistans zu machen. Wir übernachten an diesem Tag etwas ausserhalb des Stadtzentrums im Futuro Hotel Bischkek, das empfehlenswert ist, sofern Zentralität keine Priorität hat. Nach fünf Tagen Kirgistan steht am nächsten Tag ein nächster Grenzübertritt auf dem Programm: der nach Kasachstan.
Hinweis: Diese Reiseetappe wurde von Globotrain sowie ihrem lokalen Partner NoviNomad unterstützt. Alle Meinungen und Eindrücke sind wie immer die unseren.
toll war ihre Reise, sie haben das alles so genau bechrieben,und mit so viel liebe und Waerme, ich fuehlte mich, als ob ich diese Reise jetzt mache. Rustam und Kanuschai sind meine Kollegen. Besuchen sie noch mal unser schones Land.