Für diesen Sommer schwebten mir zahlreiche Hüttentouren durch den Kopf. Wie so oft, bin ich nicht dazu gekommen, all die Ideen umzusetzen. Doch hinter eine Tour kann ich endlich den «absolviert» Hacken setzen: die 2-tägigen Hüttentour von der Iffigenalp übers Schnidehore zur Cabane des Audannes und von dort weiter zum Sanetschpass. Eine wunderbare hochalpine Bergwanderung fernab der vielbegangenen Hotspots und für mich eines der grossen Highlights des diesjährigen Bergsommers. Begleitet hat mich auf dieser Tour meine Mama: ein nicht ganz alltäglicher Mutter-Tochter-Wanderausflug.
Hüttentour entlang der Röstigraben-Route
Die zweitägige Bergwanderung von der Iffigenalp via Cabane des Audannes befindet sich an keiner transalpinen Strecken von SchweizMobil und wird auch nicht unter einem besonderen Label vermarktet. Passionierten Mehrtageswanderern dürfte aber vielleicht das Buch «die Röstigraben-Route» von Philippe Bachmann ein Begriff sein. Der promovierte Geograf hatte die glorreiche Idee, die Schweiz entlang der deutsch-französischen Sprachgrenze zu durchwandern und fasste die insgesamt 24 Etappen vom Jura bis nach Zermatt in einem Buch zusammen. Etappe 17 und 18 dieser Route umschreiben in etwa den Verlauf unserer Hüttentour. Das faszinierende an der Röstigraben-Route – und das lässt sich auch schön auf diesen beiden Etappen erleben – ist, dass man nie weiss, wie man die entgegenkommenden Wanderer grüssen soll. «Grüessech», «Bonjour» oder ein neutraleres «Hallo»? Und während sich die Welschen mit einem «Bonjour» als Reaktion auf unser «Grüessech» in jedem Fall outen – verdeckt der Deutschschweizer seine wahre sprachliche Identität indem er in Form eines Echos des Gegenübers antwortet.
Tag 1: Iffigenalp – Iffigsee – Cabane des Audannes
Von solchen sprachlichen Verwirrungen sind wir auf der Iffigenalp noch weit entfernt. Der Bus, der uns vom Bahnhof Lenk auf die Alp bringt, ist bis auf den letzten Platz gestossen voll. Wir mischen uns tapfer unter einen Männervereinsausflug. Die Herren prosten sich bereits zur frühen Morgenstunde mit Weisswein zu.
Nach einer heiteren Fahrt lassen wir die laut parlierende Männerschar auf der Iffigenalp schnell hinter uns. Die meisten starten ihre Wanderung mit einem Kaffee im Bergrestaurant. Wir hingegen wollen die ersten Höhenmeter hinter uns bringen. Über 1’600 Höhenmeter müssen wir bewältigen, bis wir unser Nachtlager in der Cabane des Audannes erreichen. Der Einstieg fällt sanft aus. Wir folgen dem Wanderweg dem Iffigbach entlang bergwärts. Ab Groppi wird das Gelände steiler und gewinnen rasch an Höhe. Nach knapp 1,5 Stunden erreichen wir den landschaftlich schön eingebetteten Iffigsee. Hinter dem See können wir auch schon unser Zwischenziel – die Wildhornhütte – sehen.
Nach dem steilen Zwischenstück über den «Egge» flacht das Terrain etwas ab und wir kommen zügig voran. Nach gut zwei Stunden erreichen wir die Sonnenterrasse der Wildhornhütte. Hier genehmigen wir uns eine kurze Verschnaufpause – die nächsten gut 400 Höhenmeter haben es nämlich in sich. Gut 1,5 Stunden folgen wir von hieran einem schmalen Pfad durch Geröll- und Schuttfelder Richtung Chilchligletscher.
Während wir uns bergwärts kämpfen, befinden sich die Seilschaften, die das Wildhorn in Angriff genommen haben, bereits am Abstieg. Schlussendlich erreichen wir den höchsten Punkt der heutigen Tagesetappe: Das Schnidejoch auf 2’755 m ü M.. Nun geht’s für uns über Schuttfelder talwärts bis zum Lac de Téné, der gemeinsam mit den dahinter aufragenden Karrenfeldern ein surreales Bild abgibt. Sorge bereitet uns der sich immer weiter verdunkelnde Himmel. War der Regen nicht erst auf den Abend angekündigt?
Bis zum Lac de Téné kommen wir flott voran. Doch dann werden die Wanderwegzeichen auf den Steinen immer blasser und wir realisieren, dass wir einmal quer über die Karrenfelder balancieren müssen. Es hat zwar immer mal wieder einen Hilfstritt montiert – allerdings sind die Markierungen teils schwer zu sehen und es reicht, ein, zwei Meter vom Weg abzukommen, um sich zwischen den schroffen und steilen Spalten in tricky Situationen hineinzumanövrieren. Dieses Teilstück fordert mir weit mehr Energie ab, als ursprünglich gedacht und zu allem übel bleibt meine Hose auch noch an einer scharfen Kante hängen: «Ratsch!» Und mein Hintern ist plötzlich gut belüftet. Tja, zum Glück hatte ich im letzten Moment noch eine Ersatzhose eingepackt.
Kaum haben wir die Karrenfelder bewältigt, setzt der Regen ein. Auch das noch! Doch nach den Tücken der Karrenfelder stört mich der Regen nur minimal. Unterwegs kreuzen Murmeltiere und Steinböcke unseren Weg. Die weiteren Wanderer, die uns auf diesem Abschnitt begegnen, lassen sich an einer Hand abzählen. Kurz bevor wir den Col des Eaux Froides erreichen lässt der Regen nach und oben öffnet sich uns der Panoramablick Richtung Cabane des Audannes. Was für eine wilde, bezaubernde Landschaft!
Die Cabane des Audannes ist eine privat geführte Hütte und wie die Wildhornhütte ein beliebter Stützpunkt für alle, die das Wildhorn in Angriff nehmen möchten. Die kürzeste und einfachste Route zur Hütte führt von les Rousses (Haltestelle an der Postautolinie Ayent – Barrage du Rawil) via Serin in 2.5 Stunden zum Ziel.
Obwohl wir unterwegs kaum jemanden angetroffen haben, ist die Hütte bei unserer Ankunft bereits auf den letzten Platz gefüllt. Wir haben unsere Schlafplätze wohlwissend gut zwei Wochen im Voraus reserviert und freuen uns nun darauf, die nassen, klammen Kleider gegen eine trockene Schicht auszutauschen. Die Hütte hat rund 50 Plätze, die sich über zwei Schlafsäle verteilen – die Schlafplätze sind verhältnismässig grosszügig und komfortabel angeordnet und es hat auch genügend Ablageflächen. Die WCs befinden sich in einem separaten Container vor der Hütte. Fürs Abendessen habe ich hingegen keine Lobeshymnen übrig – es war okay. Nicht mehr, nicht weniger.
Tag 2: über den Col des Audannes zum Sanetschpass
Am nächsten Morgen starten wir gemeinsam mit der aufgehenden Sonne in den Tag. Frühstück gibt’s am 7 Uhr. Kurz vor 8 Uhr marschieren los. Als Erstes müssen wir die gut 400 Höhenmeter über La Selle bis hinauf zum Col des Audannes bewältigen. Insbesondere der letzte Abschnitt ist ganz schön zäh! Dafür wird die Aussicht mit jedem Höhenmeter grossartiger. Wir müssen immer mal wieder innehalten und das phänomenale Panorama vom Bietschhorn bis zum Mont Blanc bestaunen. Während ich insgeheim davon ausging, dass wir beim höchsten Punkt der Tour das Gröbste geschafft haben, werde ich bei der Ankunft auf der Passhöhe eines Besseren belehrt. Hinten führt der Weg steil die Felskante runter: Leitern, Felstritte, schmale Couloirs: Schwindelfreiheit ist hier von Vorteil. Der Blick über die wilde Grand Gouilles Ebene bis zum Les Diablerets Gebirgszug entschädigt aber für die nervenzehrende Wegführung. Ist das schön!
Und auch wenn wir heute deutlich weniger Höhenmeter als am Vortag bewältigen müssen, ist diese zweite Etappe nicht zu unterschätzen. Der letzte Abschnitt über den schmalen, 2 Kilometer langen Grat der «Arête de l’Arpilles» erfordert nochmals meine volle Aufmerksamkeit. Stöcke sind in diesem teils rutschigen Gelände definitiv von Vorteil.
Kurz nach dem Mittag erreichen wir unser Ziel: die Seilbahnstation beim Sanetsch-Stausee. Hiermit geht’s nach zwei wundervollen Bergtagen via Gsteig zurück in den Alltag. Wir sind uns einig: Eine tolle Hüttentour durch eine fantastische Berglandschaft mit einigen unerwarteten Tücken (die Karrenfelder beim Lac de Téné sowie der Abstieg vom Col des Audannes Richtung Grand Gouilles). Für alle die sich alpine Bergwege gewohnt sind und auf schmalen, abschüssigen Stellen nicht gegen die Höhenangst ankämpfen eine absolut empfehlenswerte Hüttentour!
Praktische Tipps zu unserer 2-tägigen Hüttentour
Etappe 1:
Die zweitägige Hüttentour startet bei der Iffigenalp, die man mit dem Bus ab der Lenk erreicht. Die erste Etappe beinhaltet auf einer Länge von knapp 13 Kilometer 1’632 Höhenmeter bergwärts und 714 Höhenmeter talwärts. Die Wanderzeit beträgt je nach Geschwindigkeit und Pausen zwischen 6 und 7 Stunden. Alternativ kann man vom Lac de Téné zum Lac de Tseuzier/Barrage du Rawil mit Postautoanschluss absteigen. Die Schwierigkeit dieser Etappe liegt im Bereich T3/T4 – es ist alles Rot-Weiss-Rot markiert, wobei der Abschnitt über die Karrenfelder eher eine Weiss-Blau-Weiss Markierung erfordern würde.
Etappe 2:
Die Distanz von der Cabane des Audannes bis nach Sanetsch beträgt 14 Kilometer und beinhaltet eine Steigung von 736 Höhenmeter und ein Gefälle von 1’184 Höhenmeter. Die Wanderzeit für diese Etappe beträgt gut 5 Stunden. Von Sanetsch führt eine Seilbahn hinunter nach Gsteig. Zu beachten ist, dass die Talstation der Seilbahn rund 20 Fussminuten vom Dorfzentrum mit der Postautohaltestelle entfernt liegt. Da das Postauto nur stündlich verkehrt, lohnt es sich, die Zeiten etwas aufeinander abzustimmen (Hinweis: auf die in der SBB App angezeigte Verbindung kann man sich nicht per se verlassen – lieber 15 Zusatzminuten einplanen).
Die Übernachtung in der Cabane des Audannes kostet für Erwachsene 66 CHF inklusive Halbpension (Preisstand Sommersaison 2019).
Liebe Anita,
Du hast eine fabelhafte, eindrückliche Beschreibung mit wundervollen Photos von dieser anstrengenden Tour gemacht. Bravo Anita und Alice!
Heutzutage würde ich mir dies wegen der notwendigen Ausdauer nicht mehr zutrauen. Ich erinnere mich aber an eine Wanderung zusammen mit meinem Vater von Lenk über Iffigenalp, Rawilpass, Lac de Tseuzier nach Ayent, ich war etwa in der 4. Klasse und wir waren ziemlich geschafft in Ayent zum Nachtessen angekommen.
Ihr seid wirklich fit und ich wünsche Euch noch viele schöne Erlebnisse in den Bergen
Liebe Grüsse auch an Nicola
Urs
Lieber Urs herzlichen Dank für deinen Kommentar!