Ein kritischer Blick auf mein Schuhwerk und schon werden mir die Schneeschuhe und Stöcke in die Hände gedrückt. Selbstverständlich habe ich pflichtbewusst die Wanderschuhe geschnürt. Wir haben mit Bergführer Martin Nellen bei der Schneesportschule Riederalp abgemacht. Er will uns heute abseits der gepfadeten Winter- und Schneeschuhtrails in die Tiefen des Aletschwaldes führen. Wäre da nur nicht dieser dichte Nebel, der sich seit dem frühen Morgen hartnäckig bis in die höchsten Höhenlagen der Aletsch Arena hält. «Ob wir trotzdem mal auf die Moosfluh wollen?», fragt uns Martin. Obwohl gemäss Webcam die zähen Nebelschwaden auch oben auf der Moosfluh alles fest im Griff haben, entscheiden wir uns trotzdem für eine Bestandesaufnahme vor Ort und marschieren Richtung Mossfluh Gondelbahn.
Kurz vor der Bergstation geht ein Raunen durch die Kabine. Der Nebel verzieht sich in die tieferen Lagen und gibt pünktlich auf unser Erscheinen den Panoramablick frei. Wir sind einmal mehr die allergrössten Glückspilze.
Nachdem wir die 360° Rundsicht auf über 100 Gipfeln und den einzigartigen Ausblick auf den Aletschgletscher aus jedem Winkel abgeknipst und bestaunt haben, brechen wir zu unserer Schneeschuhtour auf. So prächtig verschneit sich der Gletscher in diesen Tagen präsentiert, so fragil ist er als Ökosystem. Jedes Jahr zieht er sich ein Stückchen weiter zurück und verändert die Landschaft und ihre Geschichte nachhaltig. Als Einheimischer weiss Martin unterwegs viel zu berichten. Zum Aletschgletscher, zur Flora und Fauna aber auch zu alten Sagen und Mythen. Unsere Route zweigt rasch vom markierten Winterwanderweg ab und sticht Richtung Aletschgletscher talwärts. Schritt für Schritt setzen wir eine jungfräuliche Spur in den federleichten Neuschnee.
Seit 1933 befindet sich der Lärchen-Arvenwald am Gletscherrand des Aletschgletschers unter Schutz. Initiiert wurde das 410 Hektar grosse Schutzgebiet von Pro Natura. Am Ende der letzten Eiszeit, vor über 10’000 Jahren reichte der Rand des Gletschers beinahe bis auf die heutige Riederfurka und hinterliess nach seinem Rückzug eine riesige Seitenmoräne. Und genau auf dieser Seitenmoräne stapfen wir nun durch den Schnee und bewundern dabei links und rechts die mit Schneekristallen überzogenen Arven. Welche Wege im Winter begangen werden dürfen ist mit Pro Natura abgemacht. Deshalb ist es nicht zu empfehlen, ohne Führer frohgemutes irgendwo durchzustapfen. In einem Schutzgebiet sollte man rücksichtsvoll und wohlüberlegt unterwegs sein.
Der Aletschwald befindet sich im Winterschlaf. Während den kargen Wintertagen sind hier nicht viele Tiere anzutreffen. Dennoch, wer die Gegend mit einem fachkundigen Führer erkundet, der wird einige spannende Spuren aufspüren. „Hier drüben haben sich ein Fuchs und ein Hase gekreuzt“, mein Martin. Aha, hier ist also der Ort, wo sich Fuchs und Hase Gute Nacht sagen. Das Glück ist an diesem Nachmittag auf unserer Seite. Nebst den vielen kreuz und quer verlaufenden Fährten erspähen wir auch einige Birkhühner, die sich scheinbar zufälligerweise schwarmartig entlang des Schneeschuhwegs verteilt haben. Ein, zwei Birkhühner sehe er fast bei jeder Tour, aber so viele wie heute sind äusserst selten, meint Martin.
Je näher wir der Riederfurka kommen, desto mystischer wird die Stimmung um uns herum. Hier im Talkessel hat sich der Nebel nicht verzogen. Die zähen Nebelschwaden verschlucken alle Töne. Ausser dem Knirschen der festgefrorenen Schneeschicht ist kein Laut zu hören. Hier im Aletschwald scheint die Zivilisation meilenweit entfernt zu sein. Ein wunderbares Naturerlebnis.
Dass wir uns aber eigentlich in unmittelbarer Nähe zu einem Wintersportgebiet befunden haben, wird mir schlagartig bewusst, als wir nach rund drei Stunden bei der Riederfurka aus dem Wald auftauchen. Hier kreuzen sich die Wege der Wintersportler und Schneeschuhwanderer. Zur Belohnung gibt’s im Bergrestaurant einen wärmenden Punsch.
Zu guter Letzt gibt uns Martin noch zwei Filmstipps mit auf den Weg; Winna – der Weg der Seelen, ein Film über die Sagenwelt des Oberwallis und Steps, ein Film über ökologischen Fussabdruck des Skitourismus. In beiden spielt er als Protagonist mit und meint zum Abschied mit einem Augenzwinkern, sein Weg führe ihn vom Oberwallis direkt nach Hollywood. Wer weiss. Bis es soweit ist, wird er auch weiterhin als Bergführer den Gästen Sommer wie Winter die wundersame Welt des Aletschgletschers näher bringen. Weil eins ist unbestritten: bei einer Schneeschuhtour entlang der knorrigen Arven und der beindruckenden geologischen Überbleibsel der letzten Eiszeit findet man Schritt für Schritt ein Stückchen Glück.
Infos und Tipps:
- Jeweils Dienstag, Mittwoch und Donnerstag werden von der Schneesportschule Riederalp aus Schneeschuhtouren angeboten. Kosten inkl. Schneeschuhe und Bahnfahrt 45 CHF. Mehr Infos hier: Schneesportschule Riederalp
- Sowohl im Winter wie Sommer bietet die Bergsteigerschule Riederalp ein interessantes Programm. Besonders Spannend die jeweils am Dienstag stattfindende UNESCO Gletschertour
Hinweis: Diese Reise wurde von der Aletsch Arena unterstützt – Vielen Dank hierfür. Meine Leser dürfen wie immer sicher sein, dass ich hier stets meine Ansichten und Begeisterung vertrete.
Sehr schöne Bilder, gratuliere. Macht gluschtig! Die Rebhühner schauen allerdings eher wie Birkhühner aus :-)
Vielen lieben Dank Urs. Oha, mein ornithologisches Wissen ist entlarvt. Ich habe da mal wieder ein paar gefiederte Geschöpfe durcheinander gebracht. Selbstverständlich sind das Birkhühner und nicht Rebhühner. Merci für diesen Hinweis :)
Tolle Bilder mit der tollen Stimmung die du da eingefangen hast.
Danke dir Andreas
Wow, was für tolle Bilder, ein absolutes winterlicher Zauberland hast du da festgehalten. Wunderschön! :-)
Vielen Dank liebe Anke
Der Tipp kommt super gelegen, wir sind Ende Februar auch auf der Bettmeralp . Traumhafte Fotos!
Oh wie schön! Es gibt viele tolle Routen in der Aletsch Arena, also unbedingt die Skier mal auf die Seite legen und zu Fuss losmarschieren :)
Ich wandere regelmässig auf «grossen Füssen» mit Gästen auf dem Moränenweg
durch den Aletschwald und finde den Beitrag ausgezeichnet, ganz speziell auch
die Bilder. Gratulation und vielen herzlichen Dank. Ed
Vielen Dank für diesen Kommentar Ed! :)