Wroclaw – oder wie es auf Deutsch heisst: Breslau – ist mir das erste Mal in Zusammenhang mit seiner Nominierung als Europäische Kulturhauptstadt 2016 aufgefallen. Die viertgrösste polnische Stadt schien mir mit ihrer vielschichtigen Vergangenheit und einem breiten Kulturangebot eine spannende Destination für einen Weekendtrip.
Gereist – Zürich-Wroclaw direkt
Aus diesem Grund landete Wroclaw als eine von 16 Destinationen auf meiner Reiseideenliste fürs 2016. Als ich mich konkreter mit einer möglichen Städtereise nach Wroclaw auseinandersetzte, stellte ich fest, dass die Anreise mangels Direktflüge (und mangels direkter Zugverbindungen) für einen Weekendtrip eher umständlich und vor allem zeitintensiv ist. Somit vertagte ich dieses Vorhaben, bis ich diesen Sommer beim Hinflug nach Leipzig im Swiss Boardmagazin las, dass Swiss Wroclaw ab Ende Oktober als neue Destination in den Flugplan aufnimmt und direkt ab Zürich anfliegt. Kaum von Leipzig zurück, buchten wir die Flüge nach Wroclaw. Nach aktuellem Flugplan bietet Swiss einen Freitagabendflug nach Wroclaw an. Am Sonntag gibt es keine Direktflüge zurück – dafür aber am Montagmorgen, so dass man es auf den Nachmittag zurück ins Büro schafft. Das Gute an dieser Verbindung ist, dass einem zwei volle Wochenendtage für Wroclaw zur Verfügung stehen. Genug Zeit, um die verschiedenen Facetten der quirligen Stadt kennenzulernen. Am Flughafen lösten wir am Automaten bei der Bushaltestelle ein 72 Stunden Ticket (26 Zloty) für den öffentlichen Nahverkehr. Das hat sich gelohnt, weil wir doch einige Strecken in der Innenstadt mit dem Tram zurücklegten. Die Strecke Flughafen – Innenstadt/Bahnhof bedient Bus Nr. 106 (ca. 30 Minuten Fahrzeit).
Getan – Sightseeing in Wroclaw
Durch die Altstadt schlendern |
Wir hatten nicht damit gerechnet, dass sich Wroclaw Mitte November bereits in weihnachtlicher Montur präsentiert. Der Weihnachtsmarkt auf dem Rathausplatz – «Rynek» – ist aber durchaus ein sehr ansehnlicher, wo es auch die einen oder anderen lokalen Spezialitäten und polnisches Handwerk als Mitbringsel zu entdecken gibt. Die meisten der kunterbunten, hübschen Fassaden, die den Rynek einfassen, sind im Rahmen vom Wiederaufbau nach Ende des 2. Weltkrieges entstanden. Wroclaw erlitt wie andere polnische Städte erhebliche Kriegsschäden. Wer durch die Altstadt flaniert, wir auch den einen oder anderen Zwerg am Boden entdecken. Deren Ursprung liegt in der Oppositionsbewegung gegen das kommunistische Regime in Polen in den 1980er Jahren. Die Orange Alternative hat sich damals bei Demonstrationen als Zwerge verkleidet. 2001 tauchte der erste Zwerg an der Stelle auf, wo die Demos lanciert wurden. Danach beauftrage die Regierung Künstler damit, weitere Zwergensujets zu entwerfen. Heute gehören sie zu den Touristenattraktionen von Wroclaw.
Die Dominsel besuchen |
Vom Rynek zur Dominsel ist es ein kurzer Fussmarsch. Witzig ist ja, dass sich der Begriff «Dominsel» bis heute halten konnte, obwohl der nördliche Arm der Oder bereits im 19. Jahrhundert zugeschüttet wurde und die «Dominsel» seither keine Insel mehr ist. Die beiden Domtürme und der Bischofssitz davor gehören zu den wohl beliebtesten Fotomotiven der Stadt.
Street Art entdecken |
Nach dem Bummel über die Dominsel lassen wir uns von einer Street Art Karte durch die nördlichen Quartiere dahinter leiten. Ich finde es total spannend, wenn ich auf der Suche nach Murals in interessanten Hinterhöfen lande und so einen Einblick ins Alltagsleben erhalte. Da die Szene relativ aktiv ist, kann es durchaus sein, dass auf Karten eingetragene Murals vor Ort nicht mehr auffindbar sind.
Aussichtspunkte erklimmen |
Es gibt mehrere Möglichkeiten, um Wroclaw aus der Vogelperspektive zu erleben. In der Altstadt sind dies der 42 m hohe Mathematische Turm, die Aussichtsplattform der Elisabethkirche gleich beim Rynek und die Brücke der Büsserinnen zwischen den Türmen der Magdalenenkirche. Wir erklommen Letzteres (Kosten 5 Zloty) und genossen den Ausblick über die Innenstadt.
Der höchste Aussichtspunkt von Wroclaw befindet sich etwas ausserhalb des Altstadtkerns im höchsten Wohngebäude Polens, dem Sky Tower. Der Eintritt kostet hier 11 Zloty und muss in der ersten Etage (1. OG) des Kaufhauses, das sich über die ersten drei Stockwerke des Sky Towers erstreckt, gekauft werden. Aus Sicherheitsgründen werden jede halbe Stunde jeweils 20 Personen mit dem Lift auf die Aussichtsplattform transportiert. Es kann somit sein, dass man sich etwas gedulden muss, bis man Zutritt erhält. Wir erwischten leider etwas trübes Wetter, aber der Blick über das gesamte Stadtgebiet ist schon beeindruckend.
Die Jahrhunderthalle bewundern |
Die «Hala Stulecia» ist ein imposantes Bauwerk, das 1913 zum 100. Jahrestag des Siegs der anti-französischen Koalitionsarmee über Napoleon Bonaparte bei Leipzig eröffnet wurde. Der damalige Stadtarchitekt Max Berg nutzte für den Bau eine neue Stahlbeton-Technologie und realisierte damit eine gigantische Ausstellungshalle als Teil des Wroclawer Messegeländes. 2006 wurde die Jahrhunderthalle in die Liste der UNESCO Weltkulturerbe aufgenommen. Bei einer Städtereise nach Wroclaw kann ich euch einen Bummel übers Messegelände wärmstens empfehlen – nebst der Jahrhunderthalle gibt es hier noch andere spannende Bauten zu besichtigen.
Von Museum zu Museum hoppen |
Dazu gehört der 4-Kuppel-Pavillon von Hans Poelzig. Heute beherbergen die Räumlichkeiten das Museum of Contemporary Art (das zum Nationalmuseum gehört).
Nebst dem Museum für zeitgenössische Kunst, haben wir noch einen Blick ins Architekturmuseum sowie in die BWA Wroclaw Galleries of Contemporary Art geworfen. Das Architekturmuseum hatte leider teilweise geschlossen, aber die Räumlichkeiten (Teil des ehemaligen Bernhardinerklosters aus dem 15. Jahrhundert) sind sehenswert. Die aktuelle Ausstellung der BWA Galerie sprach uns dagegen nicht besonders an. Interessant war der abschliessende Besuch des Panoramas von Racławice, das für Wroclaw einen ganz besonderen Stellenwert hat. Zu beachten gilt, dass der Zutritt zum Panorama jeweils gruppenweise erfolgt und man sich sicher eine Stunde Zeit nehmen sollte (Kosten 30 Zloty – damit kann auch das Nationalmuseum kostenlos besichtigt werden).
Gegessen – Foodie Tipps für Wroclaw
Wroclaw hat uns mit seiner Restaurantvielfalt begeistert. Nachfolgend unsere Highlights und ich staune, was bei zwei Tagen alles zusammengekommen ist…
Frühstücksglück zum Ersten |
Das Szynkarnia haben wir spontan angesteuert und wir waren sofort angetan. Wer hier frühstückt, bekommt auserlesene lokale Kost zu fairen Preisen aufgetischt. Wir haben das «Breakfast for 2» plus zwei frisch gepresste Fruchtsäfte und zwei Milchkaffees bestellt und insgesamt 82 Zloty bezahlt. Fein und sehr sympa!
Frühstücksglück zum Zweiten |
Das Charlotte liegt am Weg zwischen dem PURO Hotel und der Altstadt. Es handelt sich hierbei um eine Mischung aus Bäckerei und Weinbar mit französischem Touch. Praktisch ist, dass es bereits um sieben in der Früh öffnet und uns somit am Montagmorgen vor der Heimreise den Start in den Montag versüsste.
Markthallen Kaffeepause |
Die anfangs des 20. Jahrhunderts erbaute Markthalle «Hala Targowa» an der Ulica Piaskowa ist rein schon nur aus architektonischen Gründen sehenswert. Nebst allerlei saisonalen Köstlichkeiten findet ihr mitten in der Markthalle auch einen sehr guten Kaffeestand.
Kuchentraum |
Immer gut gefüllt ist das Café Gniazdo, das sich hervorragend für einen kurzen Kuchen-Aufwärmstopp anbietet. Mit etwas Glück ergattert ihr ein freies Plätzchen. Bei uns hat es beim zweiten Anlauf geklappt.
Light Lunch |
Wer die Zeit zwischen Ticketkauf und zugewiesenem Zeitfenster für den Abstecher auf die Aussichtsplattform des Sky Towers sinnvoll überbrücken möchte, der macht einen Abstecher zum Di Café – Deli, das sich ebenfalls im Einkaufszentrum befindet. Man würde es auf den ersten Blick vielleicht nicht denken, aber hier werden hervorragende Speisen aufgetischt. Das Schwesterrestaurant «Dinette» nahe der Altstadt gehört mit zu den Frühstücksfavoriten der Einheimischen.
Für Gourmets |
Für mein kulinarisches Highlight in Wroclaw nahm ich eine gute dreissig minütige Tramfahrt an die Endhaltestelle am östlichen Stadtrand in Kauf. Aber es hat sich gelohnt. Im Restaurant Olszewskiego.128 wird auf Sterneniveau gekocht. Wir haben uns für das fünfgängige Tastingmenu (160 Zloty) mit Weinbegleitung entschieden und uns durch spannende Kreationen probiert.
Update 2021: das Restaurant Olszewskiego.128 hat leider dauerhaft geschlossen
Portugiesisches Flair |
Eine zentralere Alternative zum Olszewskiego.128 ist das direkt am Rynek gelegene Taszka. Die Restaurantbetreiber haben einen portugiesischen Hintergrund, was sich durch die Karte und die Weinauswahl durchzieht. Das Taszka hat ebenfalls ein Tastingmenu (145 Zloty) im Angebot. Fein gekocht, aber für mich eindeutig an zweiter Stelle hinter dem Olszewskiego.128.
Update 2021: das Restaurant Taszka hat leider dauerhaft geschlossen
Drinks & more
Nebst den genannten Fine Dining Möglichkeiten, bietet Wroclaw natürlich eine breite Auswahl an Restaurants mit klassisch polnischer Küche, Burgerbars, Frittenbuden und hippe Cocktailbars. An dieser Stelle sei das Lot Kury für seine exzellenten Drinks (nicht nur alkoholische), das Bulka für sein lässiges Clubambiente sowie die KRVN Bar für die feinen Burger und leckeren Buddha Bowls genannt. Ihr seht – man kann sich an einem Wochenende problemlos quer durch Wroclaw futtern.
Geschlafen – zentral nächtigen
Übernachtet haben wir im PURO Wroclaw, das sich unweit des ehemaligen Freiburger Bahnhofs direkt am südlichen Grüngürtel der Altstadt befindet und sowohl gut an den die Flughafenbuslinie als auch gut an die Innenstadt angebunden ist. Die Puro Hotels gibt es aktuell in vier polnischen Städten und das Konzept ist eine Mischung aus lässiger Wohnzimmeratmosphäre und einfach, praktisch eingerichteten Hotelzimmern. Für uns die ideale Ausgangslage, um die Altstadt von Wroclaw mehrheitlich zu Fuss zu entdecken.
Praktische Tipps für deine Städtereise nach Wroclaw
- Anreise ab Zürich mit Swiss (Direktflug)
- Die lokale Währung heisst Zloty – wir haben ca. 100 CHF am Flughafen gewechselt und der Rest mit Karte bezalt (Karte wird praktisch überall akzeptiert)
- Wer vom Flughafen mit dem Bus in die Stadt fährt kauft sich am besten ein 72 Stunden öv-Ticket
- In der Altstadt liegen die Sehenswürdigkeiten in fussläufiger Distanz, zur Jahrhunderthalle und/oder dem Sky Tower lohnt sich das Tram
- Weitere spannende Tipps zu Wroclaw findet ihr unter anderem bei Lu Morgenstern.
- Den Foodies empfehle ich zudem den Wroclaw Guide von «what should I eat for breakfast»