Nova Scotia scheint auf den ersten Blick «überblickbar» gross zu sein. Bei der Detailplanung unseres Roadtrips stellten wir aber schnell fest, dass es sich trotz aller Kompaktheit für kanadische Verhältnisse von A nach B halt doch in die Länge zieht. Nach den vier ersten wunderbaren Tagen auf Cape Breton, stand uns am fünften Reisetag die längste Fahrstrecke bevor. Gute 500 Kilometer von Louisbourg nach Wolfville als Ausgangspunkt für den zweiten Teil unserer Reise rund um südliche Inselhälfte. Und statt die Strecke direkt in Angriff zu nehmen, machten wir stattdessen extra für frisch gebrühten Kaffee einen Zusatzschlenker auf die Isle Madame ins «La Goelette a Pepe».
Faszinierende Grand Pré
Inklusive Zusatzschlenker und Mittagsrast in Antigonish in Gabrieau’s Bistro waren wir an diesem Tag gut sieben Stunden unterwegs und erreichten Wolfville im Annapolis Valley am späteren Nachmittag. Das Annapolis Valley ist die «Kornkammer» von Nova Scotia. Dazu gehört die von den Akadiern im 17. Jahrhundert geschaffene Kulturlandschaft Grand-Pré – heute eines der bekanntesten Weingebiete Kanadas und UNESCO Weltkulturerbe. Landschaftlich ein totaler Kontrast zu den ersten vier Tagen, die von viel «Wildnis» und rauen Küstenabschnitten geprägt war. Wir nutzten die verbleibende Zeit für einen Abstecher zur Scots Bay inklusive Wanderung entlang dem Cape Split Trailhead. Auf der Fahrt dahin kamen wir zufällig am tollsten Aussichtspunkt der Gegend vorbei. Der «The Lookoff» liegt auf einer Anhöhe, die die Ebene des Annapolis Valley in zwei Tallandschaften teilt. Bis ganz zur Spitze, der in die Bay of Fundy hineinragende Klippe, reichte es uns vor dem Eindunkeln leider nicht. Dafür kamen wir in den Genuss eines wunderbaren Sonnenuntergangs im Scots Bay Provincial Park. Zum Pflichtprogramm in Wolfville gehört natürlich auch die Besichtigung eines der zahlreichen Weingüter. Wir kombinierten dies direkt mit einem Nachtessen im Restaurant des Weinguts «Le Caveau», dessen Besitzer Schweizer Wurzeln haben. Ein tolles Nachtessen inklusive passender Weinbegleitung – wer sich beim Wein nicht zurückhaltend möchte, der sollte unbedingt ein Taxi nehmen und das Auto in der Unterkunft zurücklassen (übernachten kann man auf dem Weingut leider noch nicht).
Highlights der Acadian Shores
Am nächsten Tag stand eine gemütliche Fahrt auf Nebenstrassen quer durchs Annapolis Valley bis nach Yarmouth auf dem Programm. Unsere B&B Gastgeber empfahlen uns zudem einen Stopp im Küstenstädtchen Annapolis Royal. Ein guter Tipp. Nebst den beiden Hauptsehenswürdigkeiten «Fort Anna National Historic Site» und «Annapolis Royal Historic Gardens», begeisterte mich die Ortschaft mit seinem charmanten Ortskern inklusive lässigem Café. Nach einer Stärkung im Sissiboo Coffee Roaster Cafe folgten wir der Route 1 weiter Richtung Süden. Das Gebiet südlich von Annapolis Royal ist mit Ausnahme von Yarmouth (wo die Fähre von Portland Maine ankommt) weit weniger touristisch, als Cape Breton oder die Gegend rund um Halifax. Die Acadian Shores bieten ein «Nova Scotia off the beaten path» Erlebnis. Wer wie wir nicht dem Highway, sondern den Nebenstrassen folgt, sollte für die Strecken genügend Zeit einrechnen. Wir waren bald einmal überrascht, wie schnell die Zeit verging und wie langsam wir uns unserem Ziel näherten. Nichtsdestotrotz: Wir schafften es bis zum markanten Cape Forchu Leuchtturm.
Farbenexplosion im Hinterland
Während die Küstenstreifen von Nova Scotia einigermassen lückenlos besiedelt sind, wartet im Landesinnern die grosse Einsamkeit. Der Kejimkujik National Park wurde aufgrund seiner Lage weit ab der Lichtverschmutzung im 2010 als «Dark Sky Preserve» betitelt. Mitten in diesen schier endlosen Wäldern liegt die Trout Point Lodge. Die Lodge ist Mitglied bei den Small Luxury Hotels of the World und verspricht Glamping vom Feinsten. Wer meine Vorlieben für kleine, spezielle Häuser mit einem Hauch Luxus kennt, der kann erahnen, dass für mich schnell klar war, dass wir uns diesen Zwischenstopp mitten in den bunt gefärbten Laubwäldern gönnen; das ultimative Indian Summer Erlebnis. Doch das Ganze hat einen Haken: Da die Inhaber «fed up with all the inaccuracies and defamatory comments on the site» (Tripadvisor etc.) sind, müssen alle Gäste bei der Anreise eine Verzichtserklärung unterschreiben, die einem unter anderem untersagt verleumderische Dinge (was auch immer alles darunter zu verstehen ist) über die Trout Point Lodge zu verbreiten. Hätte ich im Vorfeld die Lodge besser recherchiert, wären mir die entsprechenden Hinweise dazu vermutlich vor der Buchung aufgefallen. Den Wortlaut der policies findet ihr bei Interesse auf der Webseite der Trout Point Lodge.
Insgesamt bin ich unentschlossen, was ich von der Lodge halten soll. Wir zahlten für zwei Übernachtungen 680 CAD (exklusiv Steuern und Servicegebühr). Das kontinentale Frühstück kostet zusätzlich 18 CAD pro Person (der Preis ist okay) und das Abendessen 96 CAD pro Person. Insbesondere beim Abendessen fand ich das Preis-Leistungsverhältnis ungenügend. Aus diesem Grund verzichteten wir am zweiten Abend auch auf eine Teilnahme am Hoteldinner. Seltsam fand ich zudem, dass es keine Schlüssel zu den Hotelzimmern gibt und die Zimmer theoretisch für jedermann zugänglich (ausser man befindet sich selbst drin, dann kann man von innen schliessen). Positiv zu erwähnen ist der HotPot und die Kanus, die gratis zur Verfügung stehen. Und natürlich die wirklich gigantische Landschaft drumherum. Aber eben – da bleibt mein Unverständnis für diesen seltsam anmutenden Umgang mit der freien Meinungsäusserung.
Idylle zwischen Shelburne und Lunenburg
Nach zwei Tagen Farbenrausch (und langen Diskussionen, was man von so einer policy halten soll) machten wir uns erneut auf die Socken. Die letzte Etappe des Roadtrips durch Nova Scotia führte uns der Ostküste entlang nordwärts bis nach Halifax. Pünktlich zum kanadischen Thanksgiving hatten wir uns im Charlotte Lane Cafe in Shelburne angemeldet – und zwar als Privatgäste. Der Inhaber und Koch Roland Glauser ist nämlich mit dem Freund verwandt. So kamen wir in den Genuss eines tollen Thanksgivings im Freundeskreis von Roland und Kathleen Glauser. An dieser Stelle nochmals ein herzliches Dankeschön für die Gastfreundschaft! Nebst dem Charlotte Lane Cafe sowie dem Dory Shop Museum (wo Boote nach alter Tradition gebaut werden) empfiehlt sich ein Abstecher zum Roseway Beach und zum «Farmers» Take-Away an der King Street (mit extrem gutem Eis).
Zwischen Shelburne und Lunenburg lohnt sich ein Stopp im Kejimkujik National Park Seaside. Der Trail zum Beach dauert knappe 45 Minuten und vom Strand aus kann man Seehunde beobachten (total süss). Wer danach Hunger verspürt, der kehrt im Quarterdeck ein – rein optisch für mich das coolste Restaurant unserer Reise (und das Essen ist ebenfalls gut). Jedes Küstendörfchen bietet nette Fotomotive und man könnte auf diesem Streckenabschnitt auch gut länger verweilen. Mein Highlight dieser Strecke war die Fahrt mit der Fähre über den LaHave River – die Überfahrt dauert keine zehn Minuten, ist aber eine witzige Abwechslung und lässt sich vor allem gut mit einem Kaffeestopp in der netten LaHave Bakery kombinieren.
Touristenmagnet Peggy’s Cove
Auf Lunenburg – eines der Hauptanziehungspunkte Nova Scotias – hatte ich mich im Vorfeld sehr gefreut. Schlussendlich holte uns auf der Strecke Shelburne – Lunenburg eine Schlechtwetterfront ein und Lunenburg hatte somit nach dem bisher tollen Herbstwetter einen echt schweren Stand. Eine Schlechtwetteroption ist der Besuch im Fisheries Museum of the Atlantic oder aber ihr tut es uns gleich und trotzt den Wetterkapriolen. Wir machten den obligaten Abstecher nach Blue Rocks. Das ist einer dieser Orte, die es mal irgendwo in einen Reiseführer geschafft haben und jetzt jeder hinfährt und sich vor Ort fragt, was genau hier so viel spezieller sein soll als in den zig anderen sehr charmanten Dörfern entlang der Ostküste. Für den Schluss unseres Roadtrips erwartete uns noch das beliebteste Fotosujet von Nova Scotia. Peggy’s Cove ist wegen seines malerisch platzierten Leuchtturms einer der touristischen Hauptanziehungspunkte der Region. Auf der Fahrt dorthin passierten wir die beiden Memorial Sites, die dem Absturz des Swissair-Fluges 111 gewidmet sind. Ich war zehn Jahre alt, als dies passierte – aber irgendwie ist mir dieses tragische Ereignis nach wie vor sehr präsent.
Leider spielte bei Peggy’s Cove das Fotografenwetterglück nicht mit und bescherte uns zum Abschluss keine imposante Abendstimmung. Nicht weiter schlimm – stattdessen entdeckten wir für den Abschluss der Reise einen tollen Craft Beer Store in Dartmouth, wo wir die verbleibende Zeit bis zum Rückflug mit einem leckeren Abendessen überbrückten.
Praktische Tipps für deinen Nova Scotia Roadtrip Rundreise
- Wir sind anfangs Oktober mit Air Canada geflogen und haben dafür einen Umweg über Toronto in Kauf genommen.
- Wir waren für 10 Tage mit einem Jeep Renegade unterwegs, mit dem ich mich rasch anfreundete (gemietet bei Hertz)
- In Wolfville hat uns das The Stella Rose B&B begeistert – insbesondere das phänomenale Frühstück.
- In Lunenburg zog sich die Frühstücksprozedur im Ashlea House B&B beinahe zwei Stunden in die Länge, was mir zu viel des Guten war (das Haus an sich ist aber echt beeindruckend).
- In Dartmouth Downtown gibt’s den Skyline Blick auf Halifax, frisch gerösteten Kaffee im Anchored Coffee und die wohl umfangreichste Auswahl lokaler Biere im Restaurant Battery Park.
- Wir haben in Shelburne zwar privat übernachtet – aber das Coopers Inn soll als Übernachtungsalternative fantastisch sein.
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Hach, zum Frühstück Bilder auf Travelita gucken und den Rest des Tages schmachten… ☺️
Das freut mich sehr zu hören! :)
Wunderbarer Bericht.
Danke Roger – freut mich sehr!
Da habe ich meine Bucket List gerade um Georgien und Belgrad erweitern und nun lese ich deinen tollen Artikel über Nova Scotia! <3 Hach, da muss ich wohl oder übel eines Tages auch noch hin. Es hilft alles nichts. ;)
Danke fürs Teilen,
Sarah