«Blechhaufen im Klöntal», «alles wanderte durch den Alpstein». Diese und ähnlich lautende Schlagzeilen konnten wir rundum Auffahrt und Pfingsten in diversen Medien lesen. Ein Grossteil von uns Menschen scheint sich in Massen offensichtlich wohlzufühlen und lässt sich trotz vorhersehbarem Menschenauflauf nicht davon abhalten, beliebte Ausflugsziele anzusteuern.
Mir persönlich sagt dieser Herdentrieb nicht zu. Und zwar nicht erst, seit sich «social distancing» in unseren Wortschatz geschlichen hat. Dementsprechend bin ich immer etwas verwundert, wie es überhaupt soweit kommen kann. Auch wir waren an Pfingsten unterwegs – und zwar gar nicht mal so weit weg von einem Ort, der aufgrund des Grossandrangs kürzlich als «Ameisenhaufen» von Schwyz betitelt wurde. Wir haben dem Gross Mythen aber einmal mehr den Rücken gekehrt und sind von Schwyz aus zu einer 2-tägigen Wanderung durchs Muotathal aufgebrochen. Eine Tour bestehend aus einer gemütlichen Einstiegsetappe, einer fantastischen Landgasthaus-Einkehr und einer facettenreichen Runde durch einen urwaldähnlichen Fichten- und Föhrenwald inmitten eines zerklüfteten Karstgebiets – wenn das nicht die Wanderlust weckt!
Auf dem Pragelpassweg von Schwyz ins Muotathal
Ausgangspunkt unseres Muotathaler Wanderweekends ist der Dorfkern von Schwyz. Hier startet die erste Etappe des Pragelpass-Weges, der in total drei Etappen von Schwyz nach Glarus führt.
Wir folgen dem Wanderweg durch den Ortskern von Schwyz und bestaunen die Mythen, die wie zwei Felspyramiden über dem beschaulichen Kantonshauptort wachen. Irgendwann werde ich den Gipfel des Grossen Mythen auch noch in Angriff nehmen – aber nicht als Tagesausflug an einem herrlich sonnigen Feiertag – so viel ist klar. Der Wanderweg führt uns bald mal aus dem Siedlungsgebiet hinaus in die weitläufige Schwemmebene. Es geht querfeldein über wunderbar baumbestockte Felder und Weiden Richtung Muota. Wir überqueren den Fluss zum ersten Mal beim Industriegebiet Ibach und folgen dann einer wenig befahrenen Strasse den Talflanken hinauf nach Oberschönenbuch. Je weiter wir Richtung Muotathal wandern, desto näher rücken die beiden Talseiten zueinander.
Bei der berühmten Suworowbrücke passieren wir die Engstelle zwischen Gibelhorn und Stoos. Nach der Talstation der Stossbahn öffnet sich der Blickwinkel wieder. Ab hier verläuft der Pragelpassweg als gemütlicher Talwanderweg dem Ufer der Muota entlang bis nach Muotathal. Während die Ortschaft noch nahezu eine Stunde Fussmarsch entfernt liegt, bewegen wir uns hier schon auf dem Hoheitsgebiet der Gemeinde Muotathal. Diese zählt zu den zehn flächengrössten Gemeinden der Schweiz und umfasst die gesamte Tallandschaft bis zur Glarner Kantonsgrenze.
Der nun folgende Wegabschnitt widmet sich mit 25 Stationen dem weit herum bekannten trockenen Humor der Muotathaler. Der familientaugliche «Witz-Wanderweg» bietet auf 7.5 Kilometer einen kurzweiligen Wanderspass.
Etappenstopp im Landgasthof Adler in Ried
Unser Etappenziel befindet sich auf halber Wegstrecke zwischen der Stoss-Standseilbahn und dem Dorfkern von Muotathal. Auf Höhe Ried, Kapellmatt überqueren wir die Muota zum vierten Mal an diesem Tag und wandern zielstrebig zur Hauptstrasse. Hier direkt an der Strasse befindet sich der Landgasthof Adler – auf den ersten Blick kein wahnsinnig einladendes Gebäude. Ich frage mich, war hier zuerst die Strasse, oder der Landgasthof?
Der Blick ins Archiv zeigt, dass bereits lange vor der breiten Hauptstrasse an einem stattlichen Landamman-Haus gezimmert wurde. Erste Erwähnungen eines Gebäudes an diesem Ort tauchen in Schriften aus dem frühen 17. Jahrhundert auf. Und während sich die Linienführung für den motorisierten Verkehr später zwar zwischen Landgasthof und Kirche einpassen musste, führte sie doch zu einer deutlichen Zäsur.
Doch beim Landgasthof Adler sollte man sich nicht vom ersten Eindruck täuschen lassen. Seit 20 Jahren führt Familie Jann den Adler als Familienbetrieb und setzt dabei auf eine enge Zusammenarbeit mit lokalen Produzenten. Der Restaurantführer GaultMillau listet den Landgasthof Adler mit 16 Punkten – verdient, wie wir finden! Aufgetischt wird in drei urigen Stuben im Erdgeschoss. Zu den Spezialitäten des Hauses zählen Gitzi und Spargelgerichte im Frühling, Forellen aus der Muota im Sommer und Wildgerichte im Herbst. Sehr fein sind auch die saisonalen, hausgemachten Eiskreationen. Nirgends haben mir (Schwyzer) Erdbeeren so gut geschmeckt wie in der Kombination mit dem hausgemachten Sauerrahmglacé im Landgasthof Adler.
Das grossartige am Landgasthof Adler ist, dass man hier nicht nur fantastisch Essen kann, sondern im obersten Stockwerk auch zwei Doppelzimmer für Gäste bereitstehen. Die Übernachtung kostet 150 CHF inklusive Frühstück.
Von Muotathal in den Bödmerenwald
Nach unserem Etappenstopp im Adler starten wir gemächlicher als sonst in den Tag. Wir haben uns für den zweiten Wandertag im Muotathal mit meinen Eltern verabredet – auch sie werden am Abend im Landgasthof einkehren und übernachten. Mit dem Frühstück toppt die Familie Jann nochmals meine Erwartungen. Auf einem Schieferplättli wird uns frisches Brot, Butter, Muotathaler Aufschnitt, rezenter Bergkäse und zwei kleine Schälchen Joghurt mit frischen Erdbeeren aufgetischt. Kein riesiges Buffet, keine Unmengen Essen – sondern eine – für uns – perfekt bemessene Auswahl an richtig guten Produkten. Ich bin echt begeistert!
Danach packen wir unsere Sachen zusammen, räumen das Zimmer und bringen uns bei der Bushaltestelle direkt gegenüber dem Landgasthof Adler in Position. Hier hält der Bus, der von Schwyz aus bis nach Muotathal Hölloch fährt und mit dem meine Eltern heute anreisen. Selbstverständlich könnten wir von hier aus auch weiter dem Talwanderweg bis nach Muotathal folgen – aber da unsere anvisierte Runde durch den Bödmerenwald mit Startpunkt «Hölloch» schon mit stolzen 20 Kilometer zu Buche schlägt, verzichten wir an dieser Stelle auf weitere Zusatzschlaufen.
Nach einer kurzen Busfahrt erreichen wir den Ausgangspunkt der heutigen Tour im Ortsteil «Stalden». Hier zweigt die Pragelpassstrasse ab und führt am Hölloch vorbei bergwärts Richtung Passübergang ins Glarnerland. Auch wir folgen auf einem Teilstück der Passstrasse, passieren die Eingangspforte zum zweitlängsten Höhlensystem Europas (über 200 Kilometer Höhlengänge wurde hier bislang vermessen – beeindruckend, oder?!) und nehmen Schritt für Schritt die ersten Höhenmeter in Angriff.
Das Teilstück entlang der Strasse ist definitiv nicht das Attraktivste am heutigen Tag, aber auch nicht weiter schlimm, da sich der Verkehr in einem erträglichen Mass hält. Kurz vor Sturzegg zweigen wir auf den Bergwanderweg ab und steigen via Unterfedli und Oberfedli über Alpweiden Richtung Gschwend auf. Ein kurzweiliger Aufstieg, der auch einige schöne Talblicke bereithält. Und für uns doch auch irgendwie überraschend: Ausser uns ist trotz fortgeschrittener Stunde scheinbar niemand auf diesem Abschnitt unterwegs.
Facettenreicher Urwaldweg Bödmeren
Auf andere Leute treffen wir erst wieder, als wir bei Obergschwend in den «Urwaldweg Bödmeren» einbiegen. Die 10 km lange Rundwanderung führt in einem abwechslungsreichen auf und ab einmal rund um das Urwaldreservat Bödmeren. Ich war erstaunt, dass doch einige Familien mit dem Auto der (ungemütlich engen) Pragelpassstrasse entlang bis nach Eigeliswald fahren, dort ihr Auto parkieren und dann von dort aus den Urwaldweg Bödmeren in Angriff nehmen. Alternativ gibt es auch lokale Taxibetriebe, die auf Anfrage «Wanderbusfahrten» zum Ausgangspunkt in Eigeliswald anbieten. So oder so – wer gut zu Fuss ist und nichts gegen drei zusätzliche Wanderstunden zu beanstanden hat, dem empfehle ich in jedem Fall, die Tour unten in Stalden/Hölloch zu starten.
Während wir die Tour bei strahlendem Sonnenschein in Muotathal unten gestartet haben, zeigt sich das Wetter hier oben von seiner wechselhaften Seite. Nicht weiter tragisch – der wild-romantische Bödmerenwald sowie das Mosaik aus Karstfelsen, windgebeutelten Birken, Föhren und Fichten sind auch bei bedecktem Himmel faszinierend. Am Wegrand gibt es unzählige Pflanzen und Moose zu entdecken.
Die Runde führt am Roggenstöckli vorbei Richtung Flöschen, durchquert Alpweiden und führt dann erneut über Karstgebiet zurück nach Obergschwend.
Übers «Gross Band» zurück nach Muotathal
Die meisten Wanderer, die wir unterwegs angetroffen haben, marschieren an dieser Stelle zurück zum Parkplatz Eigeliswald. Auf uns warten hingegen nochmals fast sechs Kilometer Wegstrecke zurück nach Hölloch. Während ich bei der Wanderplanung davon ausging, dass das Highlight der Tour der Urwaldweg Bödmeren sein wird, werde ich bald eines Besseren belehrt. Kurz nach der Alp Untergschwend steigt der Pfad nochmals kurz steil an und führt uns hinauf zum «Gross Band». Der Blick auf die Karte zeigt, dass der Wanderweg nun auf einer Länge von beinahe 1.5 Kilometer direkt unterhalb eines imposanten Felsbandes entlangführt. Der Weg ist super unterhalten und an sehr schmalen Stellen auch mit Seilen zusätzlich gesichert. Nichtsdestotrotz, wer Mühe mit abschüssigen Stellen bekundet, der wird sich hier vermutlich nicht besonders wohlfühlen. Alle anderen dürfen sich auf dieses Schlussbouquet freuen – für mich das Highlight unserer grossen Runde durchs Urwaldreservat Bödmeren.
Nach sechs unglaublich abwechslungsreichen Wanderstunden sind wir zurück in Hölloch. Und während heute Abend meine Eltern beim Landgasthof Adler aussteigen und einen genussreichen After-Hike-Abend erleben, bleiben wir dieses Mal sitzen und fahren heimwärts.
Praktische Tipps für deine Wanderungen im Muotathal
Tag 1: Von Schwyz nach Ried, Muotathal
Der Routenverlauf unserer ersten Wanderung von Schwyz nach Ried im Muotathal kann nachfolgender Karte entnehmen. Der Ausgangspunkt dieser Tour befindet sich bei der Bushaltestelle «Schwyz Post». Von dort aus führt der Wanderweg mit einer Länge von knapp 10 Kilometer über die Schwemmebene von Schwyz ins Muotathal. Zwischen Ibach und Fron ist eine Ansteigung von 200 Höhenmeter zu bewältigen. Eine weitere kurze Steigung fällt zwischen der Suworowbrücke und der Talstation der Stossbahn an – ansonsten verläuft der Weg mehrheitlich eben auf gut ausgebauten und nahezu durchgehend kinderwagentauglichen Kieswegen.
Tag 2: Grosse Runde auf dem Urwaldweg Bödmeren
Wie bereits geschrieben, ist der eigentliche Ausgangspunkt des Urwaldweges Bödmeren in Eigeliswald nicht direkt mit dem öffentlichen Verkehr erreichbar. Wir entschieden uns daher für eine Tourenvariante mit Start in «Muotathal, Hölloch». Von dort führt die Rundwanderung in einer Länge von 20 Kilometer über Obergschwend Richtung Bödmerenwald und retour. Der Wanderweg steigt in der ersten Hälfte kontinuierlich an – von Hölloch bis zum höchsten Punkt kurz für Flöscheggen sind knapp 1’100 Höhenmeter zu bewältigen. Die Tour ist durchgehend gut ausgeschildert. Im oberen Abschnitt kann man den grünen «Urwaldweg Bödmeren» Schilder folgen. Von Muotathal, Hölloch aus gibt es halbstündlich Busverbindungen Richtung Schwyz.
Weitere Wanderideen fürs Muotathal
Die Wandermöglichkeiten im Muotathal sind vielfältig. Zu den Klassikern zählt die zweite Etappe des Pragelpass-Weges von Muotathal über den Pragelpass an den Klöntalersee. Abwechslungsreich ist auch die historisch bedeutende Route über den Chinzigpass nach Biel im Schächental. Eine weitere Option ist die Route, die meine Eltern an ihrem zweiten Wandertag abmarschiert sind – und zwar von Muotathal aus zur Lidernenhütte und dann weiter via Alplersee bis nach Sisikon.
schade dass sie ihren Geheimtipp veröffentlichen. Bleiben Sie doch auf dem Mythen. Da ist der Anfahrtsweg viel kleiner. Sie haben dann was für die Umwelt gemacht.
Guten Tag Herr Steiner – wie Sie vielleicht gelesen haben, bin ich mit dem öffentlichen Verkehr und von Schwyz aus zu Fuss angereist. Die Ökobilanz ist somit die gleiche, ob ich nun auf den Mythen oder nach Bödmeren gewandert bin. Und der Umwelt tut es übrigens gut, wenn sich die Leute möglichst verteilen und – das ist meiner Meinung nach das Wichtigste – respektvoll mit der Natur umgehen – und genau dies möchte ich mit diesem Beitrag auch vermitteln.
Ich bin genau auch der Meinung von Jürg Steiner
Lieber Herr Horst, dann würde mich dann doch auch interessieren, wie Herr Steiner und Sie überhaupt hier landen und sich diesen Beitrag anschauen?
Ich finde es auch sünd und schade, so etwas zu veröffentlichen. Lasst doch endlich die Natur sein, was sie ist… Natur. Leute darauf aufmerksam machen ist ein No Go
Es handelt sich durchgehend um eine offizielle beschilderte Wanderroute. Zudem wird die hier beschriebene Tour in ähnlicher Art und Weise auf verschiedenen anderen Portalen (darunter auch offizielle Tourismusportale wie Schweiz Tourismus etc.) beschrieben. Zusätzlich stelle ich in diesem Beitrag einen lokalen Betrieb vor, der vom Tourismus lebt/auf Gäste angewiesen ist. Was genau daran «sünd und schade» ist und wieso so etwas nicht veröffentlicht werden sollte, ist mir ein Rätsel.
Danke für diesen schönen Beitrag – ich wollte schon lange mal ins Muotathal und habe lange recherchiert – Dein Beitrag ist sehr inspirierend und ich glaube nicht, dass da jetzt tausende hinrennen ( ausser vielleicht hoch auf den Stoos und zum Hölloch).
Liebe Béatrice, danke für deine positive Wortmeldung. Ich glaube auch nicht, dass aufgrund meines Blogbeitrages nun alle aufs Mal ins Muotathal strömen. Viel mehr hoffe ich, dass die einen oder anderen diese Anregung im Hinterkopf behalten und irgendwann mal einen Abstecher ins Tal unternehmen werden.
wow, eine wunderschöne Landschaft. Da hattest du ja die pure Ruhe und Entspannung auch wenn man am Tag viel erlebt ist es tausend mal besser als hier in der Großstadt Berlin. Schreib weiter so interessante Reiseberichte :) Liebe Grüße
Marcel
Hallo Anita,
Ich habe mit meiner Frau, Tochter und mit meinem besten Wanderkollegen die Wanderung ums grosse Band unter die Füsse genommen. Die Tour haben wir ab Egeliswäldli ums grosse Band im Uhrzeigersinn bis ober Fedli und Mittlistwald zurück zum Eigeliswald gemacht. Wir waren alle sehr begeistert. Zum Glück habe ich nicht weitere weniger erfahrene Wanderer mit genommen. Das grosse Band ist nicht ganz ohne! Ich denke, dass da einige mühe haben diese Stelle zu bewältigen. Es geht da ganz schön «s Loch ab». Da muss man definitiv schwindelfrei und trittsicher sein.
Im übrigen gratuliere ich dir zu den tollen Blogeinträgen und den tollen Fotos.
Liebe Grüsse Martin
Lieber Martin herzlichen Dank für deinen Kommentar und freut mich, dass euch die Wanderung gefallen hat. Und es stimmt natürlich, dass das Grosse Band die eine oder andere abschüssige Stelle beinhaltet – daher ist das auch im Text entsprechend erwähnt :)