Manchmal, da merkt man am Schluss einer Reise, dass der umgekehrte Weg stimmiger gewesen wäre. Zumindest ging mir am letzten Wochenende in Chamonix ein solcher Gedankenblitz durch den Kopf. Obwohl der Wintersportort Chamonix auf der Karte nur ein Katzensprung von der Schweiz entfernt liegt, sind wir wie so viele internationale Touristen über den Flughafen Genf angereist. Die erste Etappe von Zürich nach Genf Flughafen bewältigten wir mit dem Zug. Am Genève Aéroport angekommen, galt es in der Ankunftshalle des Flughafens unseren Shuttle-Treffpunkt zu finden. Der Flughafen Genf ist im Winter ein beliebter Ausgangspunkt für Skiferien in den französischen Alpen. Wer hier landet, wird von einem der vielen Shuttle Anbieter direkt vor sein Hotel gebracht. Eigentlich ziemlich praktisch. Auch wir erreichen nach rund 1.5 Stunden in einem Minibus unsere Unterkunft in Chamonix.
Dennoch gäbe es für Bahnreisende aus der Schweiz eine viel elegantere und landschaftlich interessantere Anreisemöglichkeit in die Region Haute-Savoie. Der Mont-Blanc Express fährt stündlich von Martigny direkt nach Chamonix. Es bestehen sogar Pläne, dass die Verbindung zukünftig im Halbstundentakt angeboten werden soll. Wie konnte mir diese Anreiseform nur entgehen? Nun ja, sei’s drum. Wir haben uns dann stattdessen in Chamonix in den Zug gesetzt und die Strecke in umgekehrter Richtung befahren. Für euch erzähle ich sie aber den anderen Weg rum und nehme euch mit auf eine wunderschöne Zugfahrt durch die Schweiz-französische Grenzregion.
Von Martigny schlängelt sich der Zug auf einer spektakulären Linienführung durch die Trientschlucht bergwärts. Nach der Grenzüberquerung in Châtelard erreichen wir die ersten Ausläufer des Mont-Blanc Massivs. Unseren ersten Stopp machen wir im lang gezogenen Dorf Vallorcine. Dass der Begriff „Express“ nicht wörtlich zu nehmen ist, merkt man als Reisender ab den vielen „Halt auf Verlangen“ unterwegs. Praktisch jeder Weiler hat seinen eigenen kleinen Bahnhof. Auch wir nützen diese Gelegenheit und steigen im Ortsteil Le Buet aus.
Vallorcine – Natur pur
Zusammen mit Claire von der Compagnie des Guides de Chamonix wollen wir hier einen Teil des Reserve Naturelle Nationale du Vallon de Bérard erkunden. Le Buet empfängt uns mit einem wolkenverhangenen Himmel. Vereinzelte Schneeflocken tanzen uns um den Kopf. Was für eine wunderbare Stimmung, um durch die frischverschneite Landschaft zu stapfen. Le Buet selbst hat einen Schlepplift und einen Übungshang. Ansonsten stört keine Wintersportinfrastruktur das Naturerlebnis. Wer hierhin kommt, der findet Stille und Natur pur. Kaum haben wir die Schneeschuhe an die Füsse geschnallt, führt uns Claire in den Tiefschnee. Schritt für Schritt stapfen wir durch die frische Pulverpracht in Richtung der markanten Bergspitze des Aiguille de Loriaz. Immer mal wieder müssen wir kurz stoppen, weil mir ein hübsches Chalet vor die Kameralinse hüpft. Bei den alten Chalets ist der Einfluss der Walser sichtbar, die auch dieses Tal besiedelt haben. Auffällig ist, dass viele alte Speicher sorgfältig renoviert wurden und nun als wunderschöne Feriendomizile genutzt werden. Wir folgen teilweise einem markierten Schneeschuhtrail. Trotzdem, wer hier abseits der Winterwanderwege unterwegs sein möchte, dem wird nahegelegt, mit einem ortskundigen Führer die Gegend zu erkunden. Die Compagnie des Guides führt täglich geführte Schneeschuhtouren verschiedener Schwierigkeitsgrade durch. Die minimale Gruppengrösse beträgt drei Personen, maximal werden acht Personen mitgenommen. An fix definierten Tagen werden jeweils auch Mondschein-Touren mit einem Fondueplausch in einer Berghütte angeboten. Eine Übersicht der markierten Trails gibt es hier: Wanderungen im Winter
„Mit etwas Glück sehen wir vielleicht Rehe oder Hirsche“, hat uns Claire zu Beginn der Tour erzählt. Das Glück scheint an diesem Tag nicht auf unserer Seite zu sein. Wahrscheinlich stören wir zu dritt die Ruhe im Wald viel zu fest. Einzig zwei putzige Eichhörnchen zeigen sich überhaupt nicht beeindruckt und hopsen munter im Schnee umher.
Nach rund zwei Stunden und einigen Höhenmetern rauf und runter kehren wir nach Le Buet zurück. Die idyllisch gelegenen Chalets und der lockere Tannenwald haben im Nu mein Herz erobert. Die Gegend ist bestimmt auch im Spätsommer ein prächtiges Wanderparadies und liegt verlockend nah zur Schweiz. Nachdem sich die Wolken zum Schluss unserer Tour gelichtet haben, können wir sogar bis hinüber in die Schweiz gucken.
Argentière – hoch hinaus
Mit dem Mont-Blanc Express geht’s nun unter dem Col des Montets durch zum nächsten Halt. Argentière, Ausgangspunkt für das Skigebiet Grand Montets, das zum Skiverbund Chamonix gehört. Ein Stopp lohnt sich hier nicht nur wegen des idyllischen Ortskerns mit der markanten Kirche vor den steilen Bergflanken. Hier gibt es wunderbare Winterwanderwege durch verschneite Tannenwälder, die ausgeschildert sind und ohne Guide auf eigene Faust erkundet werden können. Wer gerne zu Fuss unterwegs ist, kann hier im Winter auch auf dem Talweg bis nach Chamonix wandern. Dafür sind rund zwei Stunden einzurechnen.
Chamonix – Ankunft in der Bergstadt
Nach einem kurzen Rundgang durch Argentière setzen wir uns für die letzte Etappe nochmals in den Mont-Blanc Express. Nach knapp 20 Minuten erreichen wir den Bahnhof Chamonix. Mit welchen Argumenten der Ferienort am Fusse des höchsten Bergs der Alpen im Winter punktet, erzähle ich euch im nächsten Beitrag.
Hinweis: Diese Reise wurde von Chamonix Mont-Blanc und Atout France unterstützt – Vielen Dank hierfür. Meine Leser dürfen wie immer sicher sein, dass ich hier stets meine Ansichten und Begeisterung vertrete.