AsienJapan

Kontrastprogramm: Von der Kunstinsel Naoshima ins historische Kurashiki

Die faszinierende Kunstinsel Naoshima ploppte lange vor unserer konkreten Japan-Reiseplanung im Gespräch mit Kollegen auf meinem Reiseradar auf. «Tönt spannend», dachte ich und informierte mich über dieses surreal anmutende Projekt, welches das Verlagshaus Benesse Corporation aus Okayama in den 1990er Jahren startete. Das erklärte Ziel: Kunst unter freiem Himmel erlebbar zu machen. Als wir uns letzten Herbst im Detail mit unserer Reiseroute durch Japan auseinandersetzten, war für mich klar, dass ein Abstecher nach Naoshima drin liegen muss. Gleichzeitig stellten wir fest, dass es rund um Okayama noch weitere spannende Orte zu besichtigen gibt und es sich somit lohnt, mehrere Tage in der Region zu verbringen.

Im Anschluss mussten wir uns entscheiden, ob wir für mehrere Tage eine fixe Basis nehmen und Tagesausflüge zu den Sehenswürdigkeiten unternehmen oder aber täglich die Unterkunft «mitwechseln». Wir wählten Letzteres. Sowohl Naoshima als auch Kurashiki unweit von Okayama sind beliebte Tagesausflugsziele und dementsprechend lohnt es sich, mit einer Übernachtung vor Ort dem Touristenstrom auszuweichen. Auch wenn der tägliche Unterkunftswechsel mit Hektik verbunden ist (schon nur der jeweilige Check im Hotelzimmer, ob nichts vergessen ging), hat sich der Zusatzstress bei unserer dreitägigen Erkundungstour in der Region Okayama gelohnt. Dazu kommt, dass zwei der insgesamt drei Übernachtungen zu unseren Japan-Highlights zählen. Zum einen die Übernachtung im von Tadao Ando geplanten Benesse Park Hotel auf Naoshima und zum anderen die Übernachtung in einem traditionellen Ryokan mitten im historischen Viertel von Kurashiki.

Farbenfroh: Die Sehenswürdigkeiten von Okayama

Die Hauptstadt der gleichnamigen Präfektur Okayama liegt zwischen Osaka und Hiroshima und ist dank der guten Verkehrsanbindung Hauptausgangspunkt für Erkundungen in der Region. Die Fahrt von Shin-Osaka nach Okayama dauert mit dem Shinkansen rund 45 Minuten. In der Mitte der Strecke bietet sich Himeji mit seiner berühmten Burg für einen Zwischenstopp an. Zwei bis drei Stunden sind ausreichend, um die Burg und die darum liegenden Gärten zu besichtigten. Fürs Gepäck stehen am Bahnhof Himeji grosse Schliessfächer zur Verfügung (sogar der 110l Dufflebag hat reingepasst).

Am frühen Vormittag erreichen wir Okayama und checken im zentral gelegenen Hotel Excel (50 CHF für 1 Übernachtung im Doppelzimmer) ein. Das Hotel ist an sich nichts Spezielles, aber gut gelegen, um die Sehenswürdigkeiten von Okayama zu Fuss zu erkunden. Hungrig machen wir uns zuerst auf die Suche nach einem Restaurant und landen im «Cozzy’s». Hier stehen keine japanischen Gerichte auf der Karte, sondern Burger – die echt gut schmecken! In der Zwischenzeit ist der Tag schon weit fortgeschritten und das Licht perfekt, um die Burg von Okayama und den Koraku-en Garten zu besichtigen. Zu meiner Überraschung sind nur wenige andere Touristen anzutreffen und ich kann mir in aller Ruhe die Burg und den Garten anschauen. Die Gartenanlage vor der Burg ist kostenlos zugänglich. Eintritt wird nur für die Besichtigung der Burg selbst verlangt. Nachdem wir aber schon die Burgen in Hikone und Himeji besichtigt haben und beide mässig spannend fanden, verzichte ich auf diesen Teil.

Okayama Castle

Okayama Japan

Stattdessen spaziere ich im Abendlicht über eine Brücke, die die Burg mit dem Koraku-en Garten auf der gegenüberliegenden Seite des Asahi-Flusses verbindet. Der Koraku-en Garten gehört zusammen mit dem Kenroku-en Garten in Kanazawa (den haben wir uns auch angeschaut) und dem Kairaku-en Garten in Mito zu Japans drei berühmtesten Gärten. Ich geniesse, dass ich den Garten praktisch für mich alleine habe, und streife über eine Stunde lang bis kurz vor Schliessung durch die weitläufige Anlage. Den Tag lassen wir im Restaurant al Bacio ausklingen. Ich habe die nette kleine Beiz auf dem Weg zum Restaurant Cozzy’s entdeckt und sogleich einen Tisch für den Abend reserviert. Im al Bacio wird eine italienisch inspirierte Küche mit lokalen Produkten serviert. Definitiv empfehlenswert als Abwechslung zu Sushi, Ramen, Udon-Nudeln und Co.

Okayama Koraku-en Garten

Koraku-en in Okayama

Japanischer Garten Koraku-en

Koraku-en-Gartenanlage

Mystisch: Die Kunstinsel Naoshima

Am nächsten Morgen machen wir uns zeitig auf den Weg Richtung Naoshima. Die Insel ist sowohl über den Hafen von Uno als auch via Takamatsu mit der Fähre angeschlossen. Wer wie wir mit dem Japan Rail Pass unterwegs ist und in Okayama startet, der spart ein paar Franken, wenn er via Uno nach Naoshima fährt. Die Fähre ist nämlich auf dieser Strecke günstiger (Ticket hin/retour pro Person 510 Yen). Mit Glück erwischt man einen Direktzug Okayama – Uno. Bei der von uns gewählten Verbindung müssen wir am Bahnhof Chayamachi umsteigen. Der Anschlusszug hält auf dem gleichen Perron.

Auf Naoshima ist es mir nach mehreren Versuchen geglückt, ein Zimmer im Benesse Park Hotel zu buchen. Die zur Benesse Art Site gehörenden Zimmer (Park, Beach, Oval) sind nur direkt über deren Website (oder allenfalls via Reiseveranstalter) buchbar und das System dahinter nicht ganz logisch (zumindest für mich nicht). Es gibt auf Naoshima andere (günstigere) Übernachtungsoptionen in kleineren Gasthäusern, aber nur im Park/Beach/Oval befindet man sich in unmittelbarer Nähe zu den Museen und dem Open-Air Sculpture Park. Uns hat die Übernachtung im Benesse Park Hotel inklusive mehrgängigem Abendessen sowie Frühstück 580 CHF gekostet. Das ist kostspielig, war mir aber jeden einzelnen Franken wert. Zum Benefit der teuren Übernachtung gehört der inkludierte Shuttle-Service über die Insel sowie der Eintritt ins Benesse Art Museum.

Und so übergeben wir direkt am Hafen unser Gepäck dem Hotel Concierge und lassen uns direkt zum Chichu Art Museum chauffieren. Das 2004 eröffnete Museum in einem von Tadao Ando mehrheitlich unterirdisch angeordneten Gebäudekomplex gehört mit zu den Highlights Naoshimas. Der Eintritt kostet 2’060 Yen pro Person und fotografieren ist nicht erlaubt. Kern der Ausstellung sind drei Räume, massgeschneidert für Installationen von James Turrell, Walter de Maria und Claude Monet. Das Zusammenspiel zwischen Kunst und Architektur ist beeindruckend und inspirierend zu gleich. Eine der neusten Zugänge auf Naoshima ist das Lee Ufan Museum gleich ums Eck vom Chichu Art Museum. Ein weiterer imposanter Ando-Bau mit Exponaten des koranischen Künstlers Lee Ufan.

Danach nutzen wir erneut den Shuttle-Dienst, um rasch auf die gegenüberliegende Inselseite zu gelangen. Im Zentrum von Honmura zeigt das Art House Project, welches Potenzial ungenutzte, alte Liegenschaften als Kunstobjekte haben. Für mich auch aus städtebaulicher Perspektive einen sehr interessanten Umnutzungsansatz. Aktuell beinhaltet der Rundgang sieben verschiedene Orte. Besonders beeindruckt hat mich das Projekt Minamidera «Back side on the Moon» in Zusammenarbeit mit Tado Ando und James Turrell. Wir betreten einen scheinbar stockfinsteren Raum und tasten uns Schritt für Schritt zu Bänken vorwärts. Dort sitzen wir für mehrere Minuten und lassen die Dunkelheit auf uns wirken. Plötzlich nehme ich in der Ferne ein weisses Schimmern war. Immer klarer erscheint eine weisse Fläche. Wir werden aufgefordert, näherzutreten und stellen beim Griff ins Leere fest, dass es sich nicht um eine Leinwand, sondern eine weiter entfernte weisse Wand handelt. Faszinierend ist der Fakt, dass die weisse Wand immer da war. Unsere Augen benötigten einfach eine kurze Zeit, um sich an die Dunkelheit zu gewöhnen. Der Art House Project Rundgang nimmt gut zwei Stunden in Anspruch.

Naoshima Japan

Walter de Maria Tadao Ando Naoshima

Lee Ufan Museum Naoshima

Im Anschluss lassen wir uns zurück zur Benesse Art Site chauffieren und checken im Hotel ein. Fürs Abendessen konnte ich im Vorfeld zwischen dem Terrace Restaurant und dem Museum Restaurant Issen auswählen. Meine Wahl fiel auf das Museum Restaurant Issen, das im Benesse House Museum integriert ist und ein mehrgängiges Kaiseki-Menu serviert. Bis spätabends von Kunstwerken umgeben speisen, hat schon was Einzigartiges. Dazu kommt der Panoramablick über Naoshimas wunderschöne Küste. Der Fakt, dass Naoshima nicht nur tolle Kunst, sondern auch eine wunderbare Küstenlandschaft bietet, sollte nicht unerwähnt bleiben.

Benesse House Naoshima

Benesse House Naoshima Architektur

Dinner im Benesse House Museum Restaurant Issen

Abendlicht auf der Kunstinsel Naoshima

Zum Glück haben wir am Vortag die Sonnenstrahlen richtiggehend aufgesogen und das tolle Wetter bis auf die letzte Minute ausgekostet. Heute zeigt sich Naoshima von einer ganz anderen Seite. Nebelschwaden umhüllen die sorgfältig ausgearbeitete Betonstruktur des Benesse Park Gebäudes und der davorliegende Skulpturenpark strahlt eine mystische Stimmung aus. Vor dem Frühstück spazieren wir nochmals zum Steg und Staunen, wie der Nebel alles verschluckt. Danach probieren wir uns durch die geschmacklichen Besonderheiten unseres vorbestellten japanischen Frühstücks.

Kurz vor unsere Weiterreise klart der Himmel langsam auf. Ich nutze die Gelegenheit, um den riesigen Kürbis von Yayoi Kusama mit den ersten zögerlichen Sonnenstrahlen des Tages zu fotografieren. Insgesamt sind auf Naoshima zwei Kürbisse (ein roter im Hafen von Miyanoura und der orange unweit vom Benesse Park) zu finden. Sie gehören zu den meist fotografiertesten Sujets der Insel und stehen symbolisch für die einzigartige Verschmelzung von Kunst, Architektur und Landschaft.

Benesse House Park Tadao Ando

Benesse Beach House

Benesse Art Site Naoshima

Sculpture Park Naoshima

Naoshima Steg

Museum Restaurant Issen Frühstück

Benesse House Museum

Yayoi Kusama Kürbis Naoshima

Naoshima Küste

Traditionell: Ryokan-Erlebnis in Kurashiki

Wir haben Glück – die von uns anvisierte Fähre zurück nach Uno ist die erste des Tages, die plangemäss fährt. Aufgrund des Nebels war am frühen Vormittag der Fährbetrieb nämlich eingestellt. Um zu unserer dritten Destination in der Region zu gelangen, müssen wir einen Umweg zurück nach Okayama in Kauf nehmen. Wir erreichen Kurashiki gegen den Sonntagmittag und zirkeln mit unseren Taschen um all die flanierenden Sonntagsausflügler und Touristen herum. Da ist ordentlich was los! Wir haben zum Glück keine Eile, deponieren unser Gepäck in der Unterkunft mitten im historischen Viertel und machen uns danach auf die Suche nach einem empfehlenswerten Restaurant. In Japan dient jeweils die Warteschlange vor einem Restaurant als Orientierungsmerkmal, ob es sich um ein gutes oder nur um ein durchschnittliches Lokal handelt. Schlussendlich landen wir im Shodoshima Ramen Hishio. Eine kleine sympathische Ramenbar mit rund 12 Thekenplätzen. In der Zwischenzeit ist es in den hübschen Gassen rund um den Kanal bereits ruhiger geworden und wir können uns alles in Ruhe ansehen. Das historische Viertel von Kurashiki hat echt Charme!

Historisches Viertel Kurashiki

Kanäle in Kurashiki

Altstadt von Kurashiki

Kurashiki Old Town

Ebenfalls sehr liebenswürdig ist der Empfang im Ryokan Tsurugata. Passende traditionelle japanische Unterkünfte zu finden, ist gar nicht so einfach. Zwar bietet die Website Japanese Guest House eine breite Auswahl, aber den Buchungsprozess empfand ich als mühsam, da er zweistufig erfolgt (Anfrage / Buchung). Sämtliche von mir im Oktober angefragten Ryokans im mittleren Preisbereich waren zudem bereits zu diesem frühen Zeitpunkt ausgebucht. Verfügbarkeiten waren vereinzelt noch bei Zimmerpreisen über 500 CHF pro Nacht auszumachen.

Das Ryokan Tsurugata fand ich über Booking, buchte es aber bei Agoda, da bei Agoda im Gegensatz zu Booking die einzelnen Zimmerkategorien aufgeschaltet sind. Wir übernachteten in einem traditionellen Zimmer mit eigenem Bad inklusive Badewanne sowie lauschigem Blick in den Garten. Für eine Übernachtung mit Vollpension bezahlten wir 480 CHF. Auch dieser Budgetposten war es mir Wert!

Ein besonderes Erlebnis ist das Kaiseki-Abendessen (für «Fortgeschrittene» wie jemand treffend die Bilder meiner Instagram-Story kommentierte), das uns in unserem Zimmer serviert wurde und das darauffolgende japanische Frühstück, wo wir zur frühen Morgenstunde auf unserem kleinen Tischgrill Fisch grillierten. Wer sich für einen Einblick in die traditionelle japanische Gastgeberkultur interessiert, der sollte sich mindestens eine solche Nacht gönnen. Kurashiki finde ich deshalb eine tolle Location, weil wir Dank der Übernachtung vor Ort, das historische Viertel in aller Ruhe geniessen konnten. Nach dem Nachtessen unternahmen wir nochmals einen Spaziergang entlang dem beleuchteten Kanal, während die Gastgeber im Ryokan unser Futonbett vorbereiteten. Und ja: Auf dem Boden schläft es sich übrigens gut.

Kurashiki historische Fassaden

Ryokan Tsurugate Kursashiki

Praktische Reisetipps für den Abstecher auf die Kunstinsel Naoshima

  • Montags haben die Museen geschlossen – ich empfehle daher, den Montag zu meiden.
  • Nebst den Museen auf Naoshima umfasst die Benesse Art Site auch die Nachbarinsel Teshima. Wer sich alles ansehen möchte, der plant am besten zwei Nächte auf Naoshima ein und nutzt den vollen Tag für einen Abstecher nach Teshima.
  • Beachtet, dass das Fotografieren auf Naoshima/Teshima stark eingeschränkt ist. Im Prinzip dürfen nur die Outdoor-Exponate fotografiert werden. Im Benesse House Museum wird im Gegensatz zum Chichu Art Museum das eigentliche Fotoverbot jedoch nicht konsequent durchgesetzt (so zumindest mein Eindruck).
  • Für alle Museen müssen einzeln Eintrittstickets erworben werden. Der Eintritt ins Chichu Art Museum ist mit 2’060 Yen der Teuerste. Fürs Lee Ufan Museum sowie den Art House Project Rundgang haben wir je 1’030 Yen bezahlt.
  • Um schnell und Shuttle-unabhängig von einem Ort zum anderen zu kommen, lohnt sich das Mieten eines Velos. Das Benesse House Hotel hat jedoch selbst keine mietbaren Velos im Angebot.
  • Alle wichtige Infos zur Benesse Art Site inklusive der Buchungsplattform für Park / Beach / Oval findet ihr hier: Benesse Art Site Naoshima
  • Wichtig zu wissen: Reservationen für Hotelübernachtungen im Benesse House werden maximal 180 Tage im voraus akzeptiert. Hilfreich für die Planung sind diese FAQs.
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Hallo ich bin Anita, leidenschaftliche Weltenbummlerin und Hobby-Fotografin. Ich liebe es, neue Flecken auf unserer wunderbaren Welt zu entdecken. Dabei gilt, das Abenteuer beginnt direkt vor der Haustür! So bin ich nicht nur in exotischen Ländern sondern auch oft in der Schweiz unterwegs.
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