«Am Sonntag wird die Hochnebelgrenze auf über 1’400 Meter über Meer ansteigen», verlautete der Wetterbericht vor dem letzten November-Wochenende. Nach einer Woche unter der zähen Zürcher Nebelsuppe verspürte ich grosse Lust auf einige Stunden im Sonnenschein. Gleichzeitig wollten wir unseren Ausflugsradius möglichst gering halten. Der Plan: ein Sonntagsmorgenausflug mit maximal einer Stunde Anreisezeit. Bei einer so hohen Hochnebelobergrenze kein leichtes Unterfangen – bis wir das Hirzli bei Niederurnen entdeckten.
Eine attraktive Rundwanderung führt auf den 1’639 Meter hohen Gipfel am Rande der Linthebene und belohnt Sonnenhungrige mit einem imposanten Weitblick übers herbstliche Nebelmeer.
Ausflugstipp Niederurnertäli
Das Niederurnertäli zweigt so dezent hinter Niederurnen (Glarus Nord) ab, dass man es fast übersieht. Dabei ist die Hochebene zwischen Hirzli und Planggenstock auf der sonnigen Nordseite des Tals und den imposanten, schattigen Felswänden vom Chöpfenberg bis zum Wageten auf der Südseite ganzjährig (mit Ausnahme der Revisionszeitfenster) mit der Luftseilbahn Niederurnen – Morgenholz erschlossen. Alternativ kann man auch von Niederurnen aus hochwandern oder über eine Fahrstrasse mit dem Bike hochradeln.
Nebst dem Hirzli-Rundweg gibt es im Niederurnertäli weitere ausgeschilderte Wanderwege. Wem der Aufstieg aufs Hirzli zu anstrengend ist, der kann zum Beispiel dem Skulpturenweg folgen. Mit einer Wanderzeit von rund 1.5 bis 2 Stunden ist dieser auch für Familien mit Kindern geeignet. Bei der Talstation der Luftseilbahn Niederurnen-Morgenholz erhält man kostenlos eine Broschüre, welche die Routenoptionen aufzeigt.
Steil bergauf: von Morgenholz aufs Hirzli
Pünktlich zum Betriebsbeginn um 09:00 Uhr stehen wir unten an der Talstation der Luftseilbahn Niederurnen-Morgenholz bereit. Die Seilbahnkabine bietet Platz für 8 Personen. Der Ansturm hält sich an diesem Morgen aber wie erwartet in Grenzen – und somit teilen wir die erste Gondel nur mit drei weiteren Personen. Rundherum alles grau in grau – der zähe Hochnebel hat sich heute wie angekündigt auch bis in Glarnerland hineingeschlichen. Das ändert sich auch nicht bei der Bergstation der Luftseilbahn auf 982 Meter über Meer. Während man an vielen Hochnebeltagen schon ab hier mit Sonne begrüsst wird, ist heute mehr Muskelkraft gefordert. Doch das war uns bewusst und dementsprechend folgen wir dem Wegweiser zielgerichtet Richtung Hirzli.
Der Aufstieg hat es in sich. Der erste Abschnitt des Skulpturenwegs ist trotz Zick-zack-Verlauf sehr steil. Ein super Konditionstraining. Wir sind flott unterwegs und erreichen nach knapp 20 Minuten den Rastplatz (mit Feuerstelle) bei «Schwinfärch». Auch hier noch keine Spur von Sonne. Erst gut 100 Höhenmeter später tasten wir uns langsam an die Hochnebelgrenze heran und beim Forsthaus auf 1’445 Meter über Meer können wir endlich die ersten warmen Sonnenstrahlen geniessen. Herrlich!
Herausragend – Logenplatz hoch über dem Nebelmeer
Motiviert, dass unser Plan aufgegangen ist und mit etwas Schadenfreude über all diejenigen, die das im Nebel liegende Amden auf der gegenüberliegenden Talseite angesteuert haben, gehen auch die letzten verbleibenden Höhenmeter bis auf den Gipfel des Hirzli ring. Eine gute Stunde nach Abmarsch unten in der Nebelsuppe stehen wir also hier oben beim Gipfelkreuz und strahlen wie Maikäfer. Der Blick übers Nebelmeer, wo da und dort einzelne Gipfel oder ganze Gipfelgruppen herausragen, ist gleichermassen surreal wie imposant. Wir setzen uns auf eines der Bänkli auf dem Gipfel, trinken warmen Tee aus der Thermoskanne, essen die eingepackten Honig-Brötli und geniessen den Weitblick.
Spektakulärer Gratweg: vom Hirzli auf den Planggenstock
Bei der Wandervorbereitung hatten wir uns auf die Routenführung des Hirzli-Rundwegs konzentriert. Wir waren uns auch nicht sicher, wie viel Schnee hier oben schon (oder noch) liegt. Beim Aufstieg zeigte sich aber schnell, dass der dem Südhang des Hirzli folgenden Wanderweg bis auf den Gipfel schneefrei blieb und für uns somit ohne Probleme passierbar war. Motiviert von den guten Bedingungen entschieden wir spontan, dem Gratweg zum Nachbargipfel – dem Planggenstock – zu folgen.
Der Gratwanderung ist durchgehend als weiss-rot-weisser Wanderweg markiert. Er weist aber einige abschüssige Partien auf. Dazu kommt, dass der Weg zwischen der Süd- und Nordseite hin und her wechselt und dementsprechend auch ein paar schattige Partien passiert, wo zu dieser Jahreszeit Schnee liegen bleibt. Ich habe mit abschüssigen Stellen alleine keine Mühe und auch die kurzen «Kraxeleien» über drahtseilgesicherte Felspartien waren für mich gut bewältigbar. Das Herausforderndste an diesem Tag sind effektiv die vereisten Stellen, für die das Mitbringen von Spikes (bzw. Grödel) von Vorteil gewesen wären.
Nichtsdestotrotz bewältige ich die Schlüsselstellen mit Bravour und stehe rund 30 Minuten später auf dem Gipfel des Planggenstocks. Der Blick zurück Richtung Hirzli offenbart ein spektakuläres Panorama. Und vom Planggenstock kommen wir dann auch nochmals in den Genuss eines Rundblicks, der vom Fronalpstock über den Grossen Mythen und die Glarner Alpen bis zum Säntis reicht.
Und über den Hirzli-Rundweg retour in die Nebelsuppe
Während wir das Hirzli für uns ganz allein geniessen konnten, treffen wir auf dem Planggenstock auf gut eine Handvoll weitere Wanderer, die via Tierweg/Oberer Planggen aufgestiegen sind. Wir folgen diesem Weg nun talwärts und treffen dabei auch wieder auf den Hirzli-Rundweg, welcher der Südflanke des Planggenstocks entlang folgt. Die Route über den Gratweg hat uns daher auch noch ein paar wertvolle zusätzliche Sonnenminuten beschert. Bald schon taucht vor uns die Nebelgrenze auf und lässt uns keine Wahl, als wieder in die monochrome Parallelwelt unterhalb von 1’400 Meter über Meer einzutauchen. Doch auch diese hat ihren Reiz. Hier hinten im Niederurnertäli hat der Raureif die Wiesen und Bäume überzogen – fast so, als hätte es frisch geschneit.
Auf dem Rückweg treffen wir auf ein paar Ausflügler, die sich darauf eingestellt hatten, schon auf Höhe Morgenholz dem Hochnebel entfliehen zu können. Die Perspektive, mindestens noch 400 Höhenmeter aufzusteigen, löst bei dieser Gruppe Resignation aus. Um solche Enttäuschungen zu vermeiden, empfiehlt es sich, zusätzlich zur Wetterprognose auch den Verlauf der potenziellen Hochnebelobergrenze zu studieren.
Praktische Tipps für deine Wanderung auf dem Hirzli-Rundweg
Nachfolgender Karte könnt ihr unseren Routenverlauf der Hirzli-Rundwanderung in der Version via Planggenstock entnehmen. Die Strecke misst rund 8.5 Kilometer und beinhaltet eine Steigung von gut 800 Höhenmeter. Der Aufstieg ist im ersten Abschnitt sehr steil und dementsprechend variiert die benötigte Zeit für die Rundwanderung je nach Grundkondition. Wir benötigten für die gesamte Strecke gut drei Stunden, waren aber beim Aufstieg zügig (und ohne Pausen) unterwegs. Beim Hirzli-Rundweg handelt es sich um einen Wanderweg/Bergweg der Schwierigkeit T2. Der Gratweg zwischen Hirzli und Planggenstock entspricht der Schwierigkeitsstufe «anspruchsvolles Bergwandern» (T3). Trittsicherheit und Schwindelfreiheit sind auf dieser Passage ein Muss.
Den Ausgangspunkt der Wanderungen erreicht ihr mit der Luftseilbahn Niederurnen – Morgenholz. Während des Winterfahrplans (von Anfang November bis Ende April) fährt die Luftseilbahn an den Wochentagen (Montag bis Freitag) nur auf Voranmeldung (mindestens 24 Stunden vorher). Am Samstag und Sonntag sowie an allgemeinen Feiertagen ist sie von 09:00 Uhr bis 16:00 Uhr regulär im Betrieb. Mit dem öffentlichen Verkehr erreicht ihr die Talstation der Luftseilbahn mit einem kurzen Fussmarsch von der Bushaltestelle Niederurnen, Ochsenplatz aus. Für Erwachsene kostet die Fahrt 18 CHF (hin- und retour). Weitere aktuelle Informationen findet ihr auf der Website der Luftseilbahn Niederurnen-Morgenholz.
Das Niederurnertäli ist auch im Winter ein lohnenswertes Ausflugsziel für alle, die etwas abseits des Rummels suchen. Bei entsprechender Schneelage kann man mit den Schneeschuhen zum Beispiel dem Wanderweg Richtung Passübergang Rossweidhöchi folgen
Eckdaten der Tour: Morgenholz – Hirzli – Planggenstock – Morgenholz
Ausgangspunkt | Bergstation der Lufteilbahn Niederurnen-Morgenholz (982 m ü. M.) |
Erreichbarkeit | mit dem öffentlichen Verkehr erreichbar |
Länge | 8,5 Kilometer |
Höhenmeter | ↗ 800 m ↘ 800 m |
Dauer | 3:45 h |
Zielort | Bergstation der Lufteilbahn Niederurnen-Morgenholz |
Verpflegung | Restaurant Hirzli (in 15min Gehdistanz zur Bergstation, bis 22. Januar 2021 geschlossen) |