Wie wär’s mit einer genussvollen Kurzauszeit in den Freibergen? Zugegeben, auf Anhieb würde man vermutlich nicht darauf tippen, dass sich im leicht verschlafen wirkenden Le Noirmont eine Hochburg für Gourmets befindet. Doch entgegen aller Vorurteile ist hier unweit der französischen Grenze die hohe Küchenkunst tief verwurzelt. 38 Jahre lang begeisterte Starchef George Wenger in seinem Restaurant direkt neben dem Bahnhof Le Noirmont Gäste aus aller Welt.
Anfangs 2019 trat Jérémy Desbraux in seine Fussstapfen. George Wenger gab das Zepter altershalber weiter und Jérémy Desbraux – bis dahin die Nummer 2 in Crissier (Restaurant de l’Hôtel de Ville) – packte die Chance, einen eigenen Betrieb aufzubauen. Den Mut, die kosmopolitische Genferseeregion gegen ein jurassisches Dorf einzutauschen, hat sich ausgezahlt. Kaum ein Jahr «im Amt», würdigte der Guide Michelin sein Wirken im Februar 2020 mit zwei Sternen.
Und da wir unseren eigentlich vor Ostern geplanten Foodie-Trip nach Annecy auf einen späteren Zeitpunkt verschieben mussten, schien uns das Maison Wenger in Le Noirmont einen würdigen Ersatzkandidaten. Zum 2-Sterne-Restaurant gehören nämlich auch noch fünf Hotelzimmer – perfekt für alle, die sich nicht nur ein feines Abendessen gönnen möchten, sondern auch etwas von der Region sehen möchten.
Von den Freibergen zum Doubs
Le Noirmont befindet sich zwischen der Hochebene der Freiberge – ein Paradies für alle Pferdenarren – und dem regionalen Naturpark Doubs, welcher die canyonartige Landschaft rund um den Grenzfluss Doubs umfasst. Beim Bahnhof Le Noirmont startet eine Rundwanderung, die vom Hochplateau hinunter zum Doubs und retour führt. «Des Franches-Montagnes au Doubs» zeichnet sich durch eine – für Jura-Wanderungen – äusserst kurzweilige Wegführung sowie einigen abenteuerlich anmutenden Partien aus. Es empfiehlt sich, die Route im Uhrzeigersinn zu starten und Richtung La Goule abzusteigen.
Auch wir folgen dem lauschigen Waldpfad, der uns mit einem angenehmen Gefälle in vielen Kehren in die Schluchtenlandschaft des Doubs hinunter leitet. Wir sind früh unterwegs und ausser uns ist niemand in diesem Teil des Waldes unterwegs – und so lässt sich auch eine Gämse, die unseren Weg kreuzt, nicht weiter stören und widmet sich nach einem kurzen prüfenden Blick in unsere Richtung weiter den saftig grünen jungen Baumtrieben.
Auf Höhe La Goule mündet unser Wanderweg in den «Au Fil du Doubs». Einen Grossteil dieser Mehrtageswanderung, die in vier Etappen von Les Brenets bis nach St. Ursanne führt, haben wir vor vier Jahren absolviert. Und auch wenn ich den Teilabschnitt entlang dem Doubs diesmal zum zweiten Mal absolviere, zieht mich der Fluss sofort in den Bann. Diese Stille – diese tausend Grün-Schattierungen – einfach magisch!
Auf abenteuerlichen Pfaden zur Ruine de Spiegelberg
Fast drei Kilometer folgen wir dem Doubs-Ufer bis uns die Wanderweg-Beschilderung auf Höhe Le Theusseret wieder hinauf Richtung Freiberge leitet. Der Aufstieg ist als Bergwanderweg ausgeschildert und das aus gutem Grund – für jurassische Verhältnisse wird es nämlich bald einmal abenteuerlich. Der Wanderpfad verläuft unterhalb des Felsgrats «Les Sommêtres» – einem beliebten Kletter-Spot. Selbst auf dem Wanderpfad wird man nicht davor verschont, mit den Händen anzupacken. Ist der steile Part im unteren Drittel inklusive der drei kurzen Leitern bewältigt, ist das Gröbste überwunden. Bis wir die luftige Aussicht vom Sommêtre-Grat geniessen können, wird uns aber noch etwas Schweiss abverlangt. Die Höhendifferenz von 500 Metern zwischen Doubs und Freiberge, bekommen wir hier unmittelbar zu spüren.
Oben angekommen ist es nicht mehr weit, bis zur Ruine Spiegelberg. Von der im 14. Jahrhundert errichteten Burganlage sind heute nur noch wenige Mauerreste sichtbar. Nichtsdestotrotz ist die Ruine Spiegelberg aufgrund des tollen Panoramablicks ein beliebtes Ausflugsziel. Und man kann sogar auf dem Gelände der mittelalterlichen Festung übernachten – das Refuge des Sommêtres (errichtet durch die Groupe d’Alpinistes des Franches-Montagnes) bietet sieben Schlafplätze.
Von hier sind wir in knapp 45 Minuten zurück am Bahnhof Le Noirmont – wem also die ganze Runde zu anstrengend ist, kann auch einfach direkt die Ruine ansteuern.
Maison Wenger: 2-Sterne-Genuss in Le Noirmont
Nach dem sportlichen Part des Tages folgt für uns das Gourmet-Erlebnis im Maison Wenger. Während am Mittag ein 4-gängiges Menü für 125 CHF angeboten wird, stehen am Abend das Menu Decouvert (165 CHF) sowie das Menu Dégustation (in 7 oder 9 Gängen für 230 CHF/265 CHF) sowie eine Auswahl an saisonalen à la Carte Gerichten zur Auswahl. Was ich an Jérémy Desbraux Menü-Gestaltung schätze, ist der saisonale Bezug der Gerichte. So finden sich auf der Frühlingskarte unter anderem Spargeln aus dem Wallis, Rhabarbern und Erdbeeren. Nicht begeistern kann ich mich für die Froschschenkel – nicht primär wegen des Geschmacks, sondern weil hierfür Wildfang in die Schweiz importiert wird (bei uns ist der Wildfang von potenziell gefährdeten Amphibien verboten).
Das ist dann aber auch der einzige Schönheitsfehler auf der Karte. Jérémy Desbraux schafft es, die einzelnen Produkte raffiniert in Szene zu setzen. Sowohl geschmacklich wie auch optisch ein absolut stimmiges Menü. Besonders angetan hat es mir die «Deklination der Rhabarber»; mit der angenehm nachklingenden Säure trifft das Pre-Dessert genau meinen Geschmack.
Und mit was für einem Getränk rundet man einen jurassischen Genussabend ab? Genau – Damassine! Nach diesem edlen Schlussbouquet sind wir froh, dass sich unser Bett nur zwei Stockwerke über dem Restaurant in einer grosszügigen bemessenen Junior-Suite befindet. Ich hätte mich auch mit einem der drei etwas günstigeren Doppelzimmer begnügt, aber es war gar nicht so einfach, ein Zeitfenster mit freien Kapazitäten zu ergattern, und schlussendlich war ich dann doch zu neugierig auf die Küche, als dass ich diesen Abstecher auf die lange Bank schieben wollte. Und hat es gelohnt? Auf jeden Fall! Fine-Dining par excellence.
Praktische Tipps für deinen Ausflug nach Le Noirmont
Der Routenverlauf unserer Rundwanderung von Le Noirmont hinunter zum Doubs und via Arête des Sommêtres retour an den Ausgangspunkt kann nachfolgender Karte entnommen werden. Der Abschnitt von Le Theusseret hinauf zur Ruine Spiegelberg ist bis Chez le Bôle als Bergwanderweg (T2/T3) bezeichnet – die restlichen Abschnitte sind normale Wanderwege (T1). An zwei Stellen muss das steile Terrain mittels Leitern überwunden werden. Die Distanz der Rundwanderung beträgt gut 14 Kilometer. Die knapp 750 Höhenmeter bergwärts fallen im zweiten Routenabschnitt – vom Doubs hinauf in die Freiberge an. Wir benötigten für die Tour inklusive einer kurzen Pause beim Refuge des Sommêtres knapp 4.30 Stunden.
Rundwanderung Le Noirmont – Doubs – retour: Eckpunkte unserer Tour
Ausgangspunkt | Bahnhof Le Noirmont |
Länge | 14,4 Kilometer |
Höhenmeter | ↗ 749 m ↘ 749 m |
Dauer | 4:30 h |
Zielort | Bahnhof Le Noirmont |
Weitere Tipps und Anregungen, was ihr rund um Le Noirmont alles unternehmen könnt, findet ihr in diesem Blogbeitrag: 5 Ausflugsziele im Jura
Sali Travelita Ich lese deine Berichte sehr gerne. Ich bin gespannt auf die vielen Ideen die ich hier finde. Diese Tour Hike+Dine In, wie «schwer» oder Gefährlich ist der Teil mit den Treppen. Ich planen einen Ausflug mit meiner Mutter 57 Jahre und frage mich ob dies eine gute Tour für uns beide wäre. Sie ist gut in Schuss und geht viel Laufen. Treppen sind für uns in Ordnung aber wenn es passage gibt wo wir fast schon klettern müssten wäre das wohl eher nichts für uns. Kannst du mir ja doch genauere Infos geben? Danke dir!
Liebe Nora danke für deinen Kommentar und freut mich, dass du hier gerne vorbeischaust :) SchweizMobil stuft die Schwierigkeit der Tour als mittelschwer ein und der Abschnitt ist als Bergwanderweg (SAC-Wanderskala T2/T3) gekennzeichnet. Es sind recht wenig Treppenpassagen (zwei bis drei wenn ich es richtig in Erinnerung habe) und diese sind etwas ausgesetzt (Schwindelfreizeit und Trittsicherheit erforderlich) aber technisch nicht weiter schwierig (kein «Klettern»). Es ist eher so, wie wenn man eine kurze Leiter hochgeht. Mit meiner Mutter (die 66 Jahre alt ist und viel wandern geht) würde ich die Tour ohne Bedenken machen – aber eben: ist halt auch immer sehr individuell, wie solche Passagen empfunden werden. Ich hoffe, diese Ausführungen helfen dir weiter.