Die hässliche Schwester von Manchester sei sie. Eine Arbeiterstadt ohne Charme. In den 90er Jahren eine der ärmsten Städte Westeuropas. Und dann sind da noch die Beatles und der glorreiche Fussball, die sich wie einen roten Faden durch die letzten Jahrzehnte Stadtgeschichte fädeln. 2015 kann man festhalten, Liverpool hat sich aufgerappelt. Die Stadt wächst und gedeiht und lockt mit einem gut durchmischten Kulturprogramm sowie mit einem architektonisch interessanten Mix aus ehemaligen Industriebauten und modernen Hochhäusern. Mich hat Liverpool begeistert. Die Stadt hat unglaublich viele Facetten und ihre Bewohner haben Humor.
Nach einer Woche intensivem Sightseeing habe ich meine Lieblingsplätze gefunden und die möchte ich euch nicht vorenthalten.
Albert Dock – oder wie sich eine Stadt neu erfindet
2004 wurde der historische Teil der Hafenstadt Liverpool zum UNESCO Weltkulturerbe erklärt. In den alten Docks entlang des River Mersey schlägt auch noch heute das Herz der Stadt. Beeindruckend ist zum Beispiel das sogenannte Pier Head mit den markanten Gebäuden namens Royal Liver Building, Cunard Building and Port of Liverpool Building. Zwischen den historischen Gebäuden sind in den letzten Jahren im Rahmen der Stadterneuerung moderne Glasgebäude dazukommen. Auffällig ist auch der Neubau des dänischen Büros 3xN, in dem sich das Museum of Liverpool befindet. Ein gelungener Mix, wie ich finde.
Die Anlaufstelle Nr. 1 für Touristen ist das Albert Dock neben dem Pier Head. Die alten Warengebäude wurden umgenutzt und beherbergen nun Restaurants, Shops und Museen. Darunter das Tate Liverpool mit moderner Kunst und das Merseyside Maritime Museum, das kostenlos besucht werden kann. Im obersten Stockwerk liegt das International Slavery Museum, das eine dunkle Seite der imperialistischen Geschichte beleuchtet. Liverpool war eine der Hauptdrehscheiben im Sklavenhandel. Gerade bei typischem englischen Regenwetter bietet das Albert Dock spannende Indoor-Aktivitäten.
Schräg, schräger, Bold Street
Eine Strasse, die es mir besonders angetan hat, liegt gleich östlich des Shopping Viertels Liverpool One. Diesbezüglich ist die Stadt relativ einfach gestrickt. Die meisten Standard-Shops befinden sich entlang der Fussgängerzonen zwischen South John Street, Lord Street und Church Street. Entlang der Bold Street dagegen hat sich eine kunterbunte Mischung an Stores und Restaurants eingenistet. Secondhand- und Vintage Liebhaber kommen hier auf ihre Kosten. Schleckmäuler wie ich kommen dagegen nicht ungeschoren am Custom Cupcake & Co. vorbei. Am östlichen Ende der Bold Street befindet sich die im 2. Weltkrieg ausgebombte St. Lukes Church, die als Mahnmal stehengelassen wurde.
Nach oben gucken im St. George’s Quarter
Das sogenannte «cultural quarter» St. Georges Quarter gehört mit zu den sechs UNESCO Welterbestätten Liverpools. Hier konzentriert sich Viktorianische Archiktur vom Feinsten – darunter die St. George’s Hall, Lime Street Station, Walker Art Gallery, the World Museum, das ehemalige Great North Western Hotel sowie der Eingang zum Queensway Tunnel, der den River Mersey unterquert. Ein weiteres Bijou in diesem Gebäudeensemble ist die Central Library. Das Gebäude wurde 2013 nach einer Renovationsphase mit einem beeindruckenden Atrium wiedereröffnet. Im obersten Stockwerk der Bibliothek gibt es eine öffentlich zugängliche Aussichtsplattform, die kaum ein Tourist kennt und einen schönen Blick über diesen Stadtteil bietet.
Georgianische Pracht an der Hope Street
Müsste ich mir in Liverpool eine Wohnung oder ein Haus suchen, dann würde ich mich rund um die Hope Street umsehen. Die Hauptstrasse des Canning Georgian Quartier führt von dem eindrucksvollen Bauwerk der Metropolitan Cathderal (römisch-katholisch) bis zur angelikanischen Domkirche Liverpool Cathedral. Die Strasse ist gesäumt von zahlreichen Restaurants und Bars. Ebenfalls unübersehbar ist das Gebäude der Philharmonic Hall. Das Royal Liverpool Philharmonic Orchestra gehört zu den ältesten Symphonieorchestern der Welt. Auch wenn man sich nicht viel aus Kirchen macht, in die Liverpool Cathedral solltet ihr definitiv hineinschauen. Sie gehört mit zu den grössten Domkirchen dieser Art und beeindruckt mit ihren gewaltigen Ausmassen. Für rund 5 £ kann man von Montag bis Samstag vom 100 m hohen Vestey Tower einen einzigartigen Panoramablick über das Merseyside-Gebiet geniessen. Ich hab’s leider beim ersten Mal total verpennt, dass der Turm öffentlich zugänglich ist und für den zweiten Besuch habe ich mir einen Sonntag ausgewählt, was auch eher suboptimal war. Aber man braucht ja Gründe, um nochmals in eine Stadt zurückzukehren. Gleich vor der Kathedrale an der Ecke Great George Street / Upper Duke Street gibt es noch ein weiteres Highlight zu bewundern. Hier steht das grösste chinesische Tor ausserhalb von Chinas und bildet gleichzeitig den Eingang zu Europas ältestem Chinatown.
Ich habe mich vor zwei Jahren in Dublin’s georgianisches Quartier verliebt und muss jetzt zugeben, dass Liverpool’s georgianische Quartier das übertrumpft. Ich habe so viele Türen abfotografiert, dass ich mir sogar überlege, einen Fotobeitrag nur mit all den hübschen Türen zu bringen. Mal schauen. Auf jeden Fall solltet ihr dieses Quartier keinesfalls verpassen.
Strawberry Fields forever
In Liverpool stolpert man an diversen Orten über Beatles-Songzeilen. So zum Beispiel beim Strawberry Field, ein Gebäude, das ab den 1930er Jahren als Waisenhaus genutzt wurde und auf dessen Gelände John Lennon als Kind mit seinen Freunden spielte. Leider war es dann noch nicht «forever» und wurde 2005 geschlossen. Nachdem das Gelände danach für alle offen stand, hat man es vor wenigen wieder Jahren geräumt. Das rote Eingangstor ist aber nach wie vor Pilgerstätte für eingefleischte Beatles Fans. Das Gelände befindet sich an der Beaconsfield Road, die man vom Zentrum am einfachsten mit den Bussen 75, 86 und 86 A erreicht.
Penny Lane in ganzer Länge
[blockquote style=»1″]In Penny Lane there is a barber showing photographs Of every head he’s had the pleasure to know And all the people that come and go Stop and say hello[/blockquote]
In wohl keiner Strasse Liverpools werden so viele Strassenschilder geklaut wie in der Penny Lane. In dieser Gegend wuchsen John Lennon und Paul McCartney auf und was im Song noch als «suburban» bezeichnet wird, gehört heute zur Stadt Liverpool hat aber durchaus seinen Vorstadt-Charakter bewahrt. Auf dem Penny Lane Millenium Green – eine Grünfläche direkt neben der Strasse – wurde nach jahrelangen Verhandlungen erfolgreich ein Entwicklungsprojekt verhindert und stattdessen ein Gemeinschaftszentrum errichtet, das den Beatles gewidmet ist. Meine Empfehlung: tut die Kopfhörer rein, stellt den Song Penny Lane auf volle Lautstärke und spaziert der gleichnamigen Strasse entlang.
Hippe Plätze: Sefton Park und Lark Lane
Wenn ihr der Penny Lane in südliche Richtung folgt und anschliessend in die Greenbank Lane abbiegt kommt ihr direkt zum Sefton Park. Diese grüne Oase ist der perfekte Ort für alle, die kurz mal das Stadtleben hinter sich lassen möchten. Die riesige Parkanlage ist durchzogen mit Wasserläufen und knorrige alte Bäume sind wunderbare Schattenspender. Nicht zu verpassen ist das denkmalgeschützte Palmenhaus aus der viktorianischen Zeit und der bunte Musikpavillon (der übrigens die Beatles zum Song Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band inspiriert hat).
Wer in südliche Richtung den Sefton Park quert kommt zur Lark Lane. Entlang dieser unkonventionellen Quartierstrasse säumen sich ganz überraschend zahlreiche nette Cafés und Restaurant. Der perfekte Ort, für eine Stärkung nach dem ausgedehnten Spaziergang durch den Park. Empfehlenswert ist zum Beispiel das Moon & Pea(leider geschlossen). Kommt einfach nicht auf die Idee am Sonntagmorgen um 9 Uhr hier irgendwo brunchen zu wollen. Vor 11 Uhr tut ihr kaum einer seinen Laden auf – ich habe es getestet.
Another Place – Liverpools schönste Seite
100 Figuren aus Gusseisen, die ins Meer hinaus blicken und bei Flut teilweise gänzlich vom Meer vereinnahmt werden. Die beeindruckende Installation von Antony Gormley nennt sich «Another Place» und zieht sich über die ganze Länge des Crosby Beach. Ein wahrlich zauberhafter Ort, der sich auch zum «Sonnenuntergang gucken» eignet. Man sollte jedoch vor lauter Verzückung nicht vergessen, immer das Meer im Auge zu behalten. Die Unterschiede zwischen Ebbe und Flut sind gewaltig und wenn die Flut hereinkommt, riskiert man schnell einmal nasse Füsse.
Am einfachsten erreicht man den Ausgangspunkt «Waterloo» mit der Northern Line in Richtung Southport ab James Street (oder Moorfields train station).
Im Cavern Quarter durchtanzen
Gegen den Abend füllt sich das sogenannte Cavern Quarter mit ausgehfreudigem Publikum. In den Pubs entlang der Mathew Street wird die Nacht zum Tag. Bei den Touristen am beliebtesten ist natürlich der Cavern Club, wo die Beatles in den Anfangszeiten ihrer Karriere mehrmals gespielt haben. Wer das Nachtleben Liverpools erkunden möchte, ist hier an der richtigen Stelle.
Etwas habe ich jedoch selbst nach einer Woche noch nicht durchblickt. Das Ticket- und Betreibersystem im öffentlichen Verkehr. In Liverpool sind verschiedene Busbetreiber unterwegs und je nach Bus und Strecke zahlt man für ein Single Ticket zwischen 1.50 £ bis 3.30 £. Bei manchen kostet es mit Return-Ticket quasi gleichviel und bei anderen kann man gar kein Return Ticket lösen. Ich will ja gar nicht herumnörgeln, denn abgesehen von dem mir unbegreiflichen Ticketsystem sind die Busse immer pünktlich und Google Maps hat mich auch immer perfekt durch die Stadt gelotst. Vom Flughafen in die Stadt geht’s am Schnellsten mit dem Bus Nr 500 (3 £). Mehr Informationen zum Öffentlichen Verkehr in und um Liverpool gibt’s bei Merseytravel.
Mein Aufenthalt in Liverpool wurde von Kaplan unterstützt– vielen Dank hierfür! Meine Leser dürfen wie immer sicher sein, dass ich stets meine Ansichten und Begeisterung vertrete.
Hallo Anita,
toller Beitrag über Liverpool, der meine Vorfreude extrem anwachsen lässt. In zwei Wochen werde ich Liverpool für ein Wochenende unsicher machen und ich bin schon sehr gespannt.
Vor allem «Another Place» scheint absolut herrlich zu sein bei Sonnenuntergang und da möchte ich unbedingt hin. Hoffentlich wird mir bei deinen ganzen Tipps das Wochenende nicht zu kurz ;-)
Hast du die Beatles-Tour gemacht? Ich bin momentan am überlegen, ob sie sich lohnt, wenn man kein großartiger Beatles-Fan ist – oder vielleicht werde ich dann zum Fan?!
Ich freue mich jedenfalls dank deinem Beitrag noch mehr auf meinen Städtetrip. Merci!
Viele Grüße
Dori