20 Jahre ist es her, seit ein Bauwerk die Geschichte einer Stadt in ganz neue, unerwartete Bahnen lenken konnte. Keine andere Stadt hat durch die gezielte Aufwertung mittels spektakulären Bauten eine derartig nachhallende Trendwende geschafft, wie es Bilbao 1997 durch die Eröffnung des Guggenheim-Museums gelungen ist. Manch einer versuchte die Magie des Bilbao-Effekts zu kopieren – das Original ist und bleibt ein faszinierendes Beispiel für eine gelungene städtische Transformation. Aber auch sonst ist Bilbao ein lohnendes Städtereiseziel: mit Direktflug ab Zürich erreichbar, voller Architektur- und Kulturüberraschungen und eine wahre Freude für Feinschmecker.
Kaixo! Willkommen in Bilbao
Was ist die Essenz des Bilbao-Effekts? Dieser Frage sind wir auf unsere Büroreise Mitte Juli nachgegangen. Zahlreiche Städte versuchten zwischenzeitlich mit imposanten Gebäuden und Stararchitekten eine Scheibe des Erfolges von Bilbao abzuschneiden. Doch – im Unterschied zu den Kopien – umfasst der Bilbao-Effekt weit mehr als nur der Beizug eines prominenten Architekten, wie uns Bernd Nitsch von Guiding Architects erklärt. Um uns einen Überblick über die grösste Stadt des Baskenlandes zu verschaffen, steuern wir als Erstes die Funicular de Artxanda an. Auf dem Weg dahin streifen wir die von Santiago Calatrava entworfene weisse Brücke «Zubizuri», die im selben Jahr wie das Guggenheim Museum eröffnet wurde. Nach einer kurzen Fahrt mit der Standseilbahn erreichen wir die Aussichtsplattform des Stadtbergs von Bilbao und lassen den Blick über die Dächerlandschaft schweifen. Da und dort ein markanter Hochbau – aber ansonsten eine sehr homogene Geschichte. Leider drückt der Wind an diesem Tag die dunstige Luft vom Meer Richtung Hinterland und beeinträchtigt unseren Panoramablick. «An schönen Tagen sieht man bis zum Meer», versichert uns Bernd. Später schlendern wir durch die Gassen von «Casco Viejo». Der schmucke Altstadtkern von Bilbao ist im Vergleich zu Stadtfläche zwar winzig, aber nicht minder sehenswert.
Behind the Guggenheim
Der eigentliche Auslöser für die städtebauliche Reorganisation war nicht das Guggenheim Museum, sondern die verehrenden Überschwemmungen von 1983. Bis zu drei Meter tief standen manche flussnahen Gassen unter Wasser. Damals galt Bilbao als schmutzige Industriestadt. Doch mit einer geschickten Landpolitik und erfolgreichen Public-Private-Partnership Modellen erschuf sich Bilbao Stück für Stück neu. Dazu trug nicht nur Frank O. Gehry mit seinem leicht verrückt anmutenden Museumsbau bei, sondern auch Norman Foster, dessen U-Bahn zum Vorzeigeobjekt unter Verkehrsplanern wurde und Philippe Starck, der ein ehemaliges Weinhandelzentrum zum Stadtreffpunkt verwandelte. Das alles zeigt sich bei einem Spaziergang durch die breiten Prachtsstrassen der «Ensanche». «Weitaus mehr als das Guggenheim» hat uns Bernd versprochen und wir verstehen rasch, dass das Guggenheim wirklich nur die Spitze des Eisberges ist.
Für Brückenbauer
Eine grosse Aufwertung erfuhr die Stadt in den letzten dreissig Jahren durch rigorose Reinigungsmassnahmen. Heute sind die Promenaden links und rechts des Nervion (früher ein stinkender Moloch) beliebte Laufstrecken, die sich bis zur Meeresmündung hin ziehen. Ein Zeitzeuge aus der Industrialisierung wurde im Hafenviertel bewahrt. Die 1893 eingeweihte Puente de Portugalete mit Schwebefähre ist heute nahtlos ins Nahverkehrsnetz integriert, und als UNESCO Welterbe klassiert. Wer sich nicht vor luftigen Höhen fürchtet, dem empfehle ich eine Liftfahrt hinauf zum Brückenbalken. Die Stahlbaukonstruktion dient nicht nur dem täglichen Transport von Personen und Fahrzeugen über die Flussmündung, sondern bietet auch eine tolle Aussicht über das Hafengebiet von Bilbao.
Ab in die Rioja
Rund um Bilbao gibt es so viel zu unternehmen, dass es schade ist, sich bei einer Städtereise nur auf die Stadt zu beschränken. Viele kombinieren Bilbao mit der europäischen Kulturstadt 2016 San Sebastián. Wir dagegen entscheiden uns für einen Tagesausflug in die Rioja inklusive kurzem Stopp in Vitoria-Gasteiz, der Hauptstadt des Baskenlandes. Wir haben drei verschiedene Bodegas besucht, die sich nicht nur mit ihrem Wein, sondern auch mit der landschaftlichen Inszenierung ihrer Weingüter einen Namen gemacht haben (respektive, kann ich das mit dem Wein nicht nachvollziehen, weil ich mit dem Rioja noch auf keiner Wellenlänge schwimme). Ein beeindruckendes Beispiel sind die Bodegas Campo Viejo oberhalb von Logroño. Aber auch sonst hat mich die Rioja mit ihrer wundervoll hügeligen, grünen Landschaft unglaublich fasziniert und ich hätte zu gerne mehr Zeit fürs Fotografieren gehabt. Mietet euch ein Auto, fahrt Richtung Logroño und lässt euch danach einfach treiben.
Bodegas Campo Viejo – Bodegas Juan Alcorta
Bodegas Ysios – Architektur: Santiago Calatrava
Bodegas Baigorri
Bilbao für Foodies
Das Baskenland hat sich in den letzten Jahren mit namhaften Michelin-Restaurants zu einem Foodie-Hotspot entwickelt. Dazu beigetragen haben auch die «Pintxos» – die baskische Version der Tapas sind meist sehr aufwändig zubereitete Häppchen, die in Kneipen und Bars an der Theke verkauft werden. Zahlreiche Restaurants vertreten die 0-Kilometer Philosophie und zelebrieren die regionale Küche. Mein kulinarischer Höhepunkt war das Abendessen im Sternerestaurant Mina, wo uns ein feines Degustationsmenü aufgetischt wurde. Das Tolle: Die Degustationsmenüs gibt es ab 66 Euro – für Leute wie mich sehr Portemonnaie-freundlich. In der Regel geht bei mir bei Städtereisen nämlich immer am Meisten fürs Essen drauf.