Links oder rechts? Ein Flug mit freier Sitzeinteilung setzt ganz schön unter Druck – vor allem, wenn beim Betreten des kleinen Inselhüpfers noch freie Plätze auf beiden Seiten verfügbar sind und Wichtiges auf dem Spiel steht: der Blick auf den Vulkan Pico, Namensgeber der gleichnamigen Insel und höchster Berg Portugals. Nach 20 Minuten Flugzeit triumphierendes Gebrüll vom Freund am Fensterplatz. «Ich hab’s dir ja gesagt». Tatsächlich – als hätte der Pilot unsere Diskussionen im Vorfeld mitverfolgt gleitet unsere Propellermaschine am greifbar nah erscheinenden Gipfel von Vulkan Pico vorbei. Was für ein Auftakt für unsere zweite Etappe des Azoren-Inselhoppings, das uns von Terceira in rund dreissig Flugminuten nach Faial führt.
Seglerflair in Horta
Das Herzstück der fünftgrössten Insel der portugiesischen Inselgruppe der Azoren (ca. halb so gross wie Terceira) Faial ist der Jachthafen von Horta. Dem unter Atlantikseglern beliebten Treffpunkt verdankt die Insel ihr internationales Flair und die bunte Hafenmauer. Hier verewigt sich nämlich jede Crew, um mögliches Unglück auf See abzuwenden. Horta ist eine übersichtliche Kleinstadt, die man in einem zweistündigen Rundgang besichtigt hat. Zu den Pflichtstopps gehört Peter Café Sport, eine Institution, wo Einheimische und Segler gleichermassen einkehren. Wer danach Lust auf was Süsses hat, dem empfehle ich einen Abstecher zu Gelados Do Atlantico. Ich hatte nach drei Tagen bereits Stammkundenstatus. Mit einem Becher gefüllt mit feinen, inseltypischen Glacesorten schlendert ihr zum idyllischen gelegenen Sandstrand auf der «Rückseite» von Horta. Porto Pim ist der perfekte Ort für eine Siesta. Am anderen Ende des Strandes befindet sich die ehemalige Walfabrik, die heute als Walmuseum interessante Einblicke in die Geschichte des Walfangs der Azoren gibt.
Neuland
Mit Mietwagen lässt sich Faial problemlos in einem Tag umrunden. Wer es eilig hat, der schafft es auch in einem halben. Es lohnt sich aber, genügend Zeit einzuplanen, da es unterwegs viele tolle Wanderoptionen gibt. So auch an der Ponta dos Capelinhos. Von der Kirche in Capelo aus führt eine Rundwanderung in vier Stunden durch die bizarr anmutende Landschaft, die durch einen Vulkanausbrauch Ende der 1950er Jahre neu erstand. Doch bevor wir diesen westlichen Zipfel von Faial erkunden, machen wir einen Abstecher zum Morro do Castelo Branco. Der weisse Felsen liegt mitten in einem kleinen Naturschutzgebiet und bietet tolle Ausblicke auf den südlichen Küstenstreifen. Ebenfalls sehenswert ist der Badeort Varadouro, der mich mit seinen sattgrünen, steil abfallenden Klippen an Hawaii erinnert. In der Nebensaison ist hier zwar kaum was los, aber hübsch anzusehen ist es allemal. Der Übergang zwischen den dicht begrünten Hängen und dem «neuen Land» erfolgt abrupt. Vor uns liegt eine sandige, steinige, gelblich gefärbte Mondlandschaft. Faszinierend. Beim Leuchturm Farol da Ponta dos Capelinhos befindet sich ein interessant gestaltetes Museum, das sich der geologischen Entstehungsgeschichte der Azoren widmet und den Ausbruch des Capelinhos detailliert beschreibt. Wer das komplette Eintrittsticket kauft, der kann am Ende des Museumsrundgangs den Leuchtturm besichtigen – für uns das Highlight des Tages!
Steile Küsten, Grosse Krater
Für das Fotografieren der kilometerlangen blauen Hortensiensträucher waren wir leider zur falschen Jahreszeit vor Ort. Diese verleihen Faial in den Sommermonaten den Übernamen «blauen Insel». Nichtsdestotrotz lohnt sich die Fahrt entlang der wilden Nordküsten hinauf zur Caldeira. Wenn die Anhöhen nicht von Wolken umhüllt sind, dann bietet der Miradouro da Caldeira einen tollen Blick auf die Nachbarinsel Pico. Zudem besteht die Möglichkeit, die acht Kilometer lange Gratwanderung rund um den 400 tiefen zentralen Inselkrater zu unternehmen. Fast noch schöner ist die Stimmung hier oben, wenn sich die Wolken in den Anhöhen stauen und die Nebelschwaden den Ort in ein mystisches Licht tauchen.
Tagesausflug auf die Nachbarinsel Pico
Das Schönste an Faial ist der Blick auf Pico – bei dieser tollen Morgenstimmung mit dem perfekt geformten höchsten Berg Portugals im Hintergrund, kann mir kaum jemand widersprechen. Der Hauptort Madalena liegt nur dreissig Fährminuten von Horta entfernt. Da liegt ein Tagesausflug auf die Nachbarinsel auf der Hand. Wer nicht wie ich auf Automatikgetriebe fixiert ist, der lässt sein Mietwagen auf Faial und mietet sich in Madalena ein Auto für einen Tag. Ich dagegen bot meinem Mietwagen die Gelegenheit, die Nachbarinsel zu erkunden. Wenn ich im Vorfeld gewusst hätte, dass dies bedingt, im Rückwärtsgang auf das Transportdeck der Fähre zu manövrieren, hätte ich mir das wohl nochmals gut überlegt. Manchmal ist es eben doch besser, wenn man nicht zu viel weiss. Immerhin wusste ich nach einem kurzen Schockmoment, dass ich problemlos in der Lage bin, mein Auto rückwärts auf einer Fähre zu parkieren.
Da wir bereits kurz nach sieben Uhr morgens die Fährüberfahrt antraten, verschoben wir das Frühstück auf die Ankunft in Madalena. Während wir uns im Caffe 5 (Rua Carlos Dabney) mit Kaffee und feinen Toastsandwichs stärkten, schmiedeten wir Pläne für den Sightseeingtag auf Pico. Die Wanderung auf den Gipfel des Vulkans war für uns kein Thema, da – wie wir vom Flugzeug aus gut sehen konnten – oben noch ziemlich viel Schnee lag. Eine Inselumrundung stand für mich eigentlich auch nicht zur Diskussion. Pico ist die zweitgrösste Azoreninsel und ich befürchtete, dass wir die Distanzen unterschätzen. Doch nichts da. Ehe ich mich versah, erreichten wir die östlichste Inselspitze.
Müsste ich übrigens Medaillen verteilen, dann würde Pico Gold erhalten. Mich hat die Insel mit ihrer unglaublich wilden und endlos grünen Nordküste ins Staunen versetzt. Im Hochland gäbe es auch noch einige tolle Kraterseen, in denen sich der Pico spiegelt. Leider musste sich ausgerechnet an diesem Tag ein fieses Tief mit sintflutartigen Regengüssen auf Pico ausbreiten. Obwohl es in der Inselmitte wie verrückt regnete, blieb ein Küstenstreifen vor Lajes verschont. Und so guckten wir uns halt im Museu dos Baleeiros einen interessanten Film über die Geschichte des Walfangs auf Pico an. Einen Teil der ehemaligen Walausgucke auf Pico sind immer noch aktiv – nur wird seit dem Ende des Walfangs 1983 nur noch für touristische Zwecke gespäht. Pico und Faial sind beliebte Reiseziele für Whale Watching. In den Monaten April, Mai und Juni besteht mit etwas Glück sogar die Möglichkeit Blauwale zu sichten. Auch wenn ich dabei wohl voll Schiss hätte, bedauerte ich, dass unser geplante Bootsausflug der Schlechtwetterfront zum Opfer fiel.
Quer durch die Weingärten
Dafür blieb uns mehr Zeit, die Weingärten von Pico zu erkunden. Die spezielle Anbautechnik in Kombination mit den Lavasteinen wurde 2004 von der UNESCO als Welterbe klassiert. Die Gebiete verteilen sich nördlich und südlich von Madalena der Küste entlang. Bei der Kirche in Criação Velha startet eine Rundwanderung durch die sogenannte Zona do Verdelho. Ein Grossteil des Wanderweges ist alternativ mit dem Velo oder Auto problemlos machbar (breite Schotterwege). Ebenfalls sehenswert ist die Zona de Adegas nördlich von Santa Luzia. Dort warten eine Reihe idyllischer Weinorte mit typischen Basaltbauten darauf, entdeckt zu werden. Und von Santa Luzia ist es einen Katzensprung zur Cella Bar (Rua Da Barca). Leider hatte die Bar bei unserem Besuch noch zu – aber in den Sommermonaten ist dies garantiert der Sundowner Hotspot von Pico. Statt einem Sundowner am stürmischen Meer, genehmigten wir uns vor der Rückfahrt nach Horta ein feines Znacht im Restaurant Ancoradouro. Seafood LiebhaberInnen kommen hier voll auf ihre Kosten.
Praktische Tipps für Faial und Pico
- Anreise mit TAP Portugal (tägliche Verbindungen ab Zürich) über Lissabon auf die Azoren (entweder direkt nach Horta oder via Terceira / São Miguel mit der Azores Airlines SATA)
- Zentral übernachten: Hotel do Canal in Horta
- Fein essen: Restaurante Genuíno und Canto da Doca in Horta / Restaurante Ancoradouro in Madalena / Bistrot Whale’come in Lajes
- In fast allen Restaurants erhält ihr Wein von Pico – der Terras de Lava hat uns unter anderem sehr gut geschmeckt
- Im Hafen von Horta bietet unter anderem Norberto und seine Crew Whale Watching an (mehr Infos: Whale Watch Azores). Am besten gleich bei der Ankunft vorbei gehen und die Wetterlage checken.
Unsere Azoren-Reise wurde durch Amin Travel GmbH ermöglicht. Amin Travel ist spezialisiert auf Reisen nach Portugal mit den Azoren und Madeira, den Kapverdischen Inseln sowie Ägypten und Jordanien. Das kleine Team stellt gerne massgeschneiderte Programme zusammen. Für uns haben sie ein Programm für vier Inseln in 9 Tagen ausgearbeitet. Wer unser Inselhopping in gemütlicheren 14 Tagen nachreisen möchte, kann das inkl. TAP-Flügen, Hotelübernachtungen mit Frühstück und Mietwagen ab 1’725 CHF pro Person buchen
Dein Beitrag und die wunderschönen Bilder machen sehr große Lust die Azoren zu bereisen!
Sehr schöner Artikel und phantastische Fotos!
Jetzt freue ich mich umso mehr auf drei Monate Housesitting auf Faial. Ich werde dort von März bis Juni auf zwei Katzen aufpassen und wahrscheinlich jeden Winkel der Insel erwandern.
Hoi Andreas, danke für deinen Kommentar und viel Spass auf dieser wunderbaren Insel :)