Ich bin gescheitert beim Unterfangen, Antwerpen auf 25 Bilder zu reduzieren. Mit jedem Bild, das ich zögerlich gelöscht habe, ging eine der tausend Facetten der grössten Stadt Belgiens verloren. Antwerpen hat Weltstadtformat und deshalb habe ich kurzerhand beschlossen, keine Rücksicht auf euer Datenvolumen zu nehmen und die Bilderflut für sich sprechen zu lassen. So, nun bitte ich euch aber, zuerst den Sicherheitsgurt anzuschnallen und mit mir nach Brüssel zu fliegen.
Die Ankunft in Flanderns grösster Stadt gleicht einer fulminaten Ouvertüre. Staunend stehen wir nach einer kurzweiligen 30-minütigen Bahnfahrt ab Brüssel Flughafen in der Bahnhofshalle von Antwerpen. Der Prunkbau gleicht eher einer Art Kathedrale statt einem Verkehrsknotenpunkt und gibt uns das Gefühl in einer bedeutenden Metropole angekommen zu sein. Gar nicht so unwahr, denn Antwerpen bildet eine wichtige Handelsdrehscheibe mit einem der grössten Hafenanlagen Europas und ist Zentrum des Diamantenhandels.
In Antwerpen ankommen und Wohlfühlen
Ausgangsbasis für unsere Entdeckungstour ist das entzückende Hotel Julien, das sich hinter einer schäbigen Tür versteckt. Fast wären wir einfach daran vorbeigelaufen. Aber genau diese leichte Tendenz zum Understatement – nennen wir es „entspannte Coolheit“ – ist typisch für die Stadt. Antwerpen ist alles andere als anstrengend oder aufgesetzt, sondern wunderbar lässig. Das Hotel hätte mich allein mit dem hübschen Innenhof um den Finger gewickelt, aber die Dachterrasse mit Blick auf die Liebfrauenkathedrale setzte noch das Tüpfchen aufs i.
Weltstadt kompakt
Historisches Zentrum, Eilandje, Schipperskwartier, Theaterviertel, Antwerpen-Noord, Antwerpen-Zuid… wer vor lauter bunter Vielfalt nicht weiss, wo er beginnen soll, der findet im Modeviertel eine Entscheidungshilfe. Einfach das Rad drehen und schon wird einem gesagt, wo man als Nächstes hin soll. Leider weiss ich nicht mehr WO genau wir dieses tolle Ding gesehen haben (irgendwo in der Nähe der National Straat), wer’s weiss der kriegt von mir ne Postkarte :)!
Abhängig davon, was man in einem Tag alles sehen möchte, mietet man sich entweder ein Fahrrad oder erkundet die Stadt zu Fuss. Hierzu benötigt man nicht einmal eine Karte, weil die Fusswege perfekt ausgeschildert sind. Wir haben beides ausprobiert und sind mit dem Fahrrad in einem halben Tag einmal quer durch alle Stadtteile gefahren. Perfekt für den ersten groben Überblick. Mit den vielen Pflastersteinen sowie den engen Strassen mit Tramgleisen ist es für mich jedoch nicht die ideale Fahrradstadt.
Historisches Zentrum und Grote Markt Antwerpen
Wir starten unsere Tour beim Grote Markt. Gesäumt von hübsch restaurierten Gildehäusern und dem mächtigen Rathaus im prunkvollen Palazzo-Stil repräsentiert der Platz immer noch das Herz der Altstadt. Anschliessend flanieren wir quer durch das historische Zentrum, passieren die hübscheste Gasse Antwerpens den Vlaeykensgang und landen inmitten lautem Flohmarkttrubels auf dem Groenplaats. Trotz genügend Postkartenmotiven hat Antwerpen keine „herausgepützelte“ Altstadt. Hier und dort bröckelt der Putz, aber genau deshalb wirkt es so charmant nachlässig.
Eilandje, Schipperskwartier, Park Spoor Noord
Nördlich der Altstadt befindet sich das Schipperskwartier und das Eilandje. Wo früher reger Hafenbetrieb herrschte werden heute fleissig moderne Hochhäuser in die Höhe gestemmt und alte Hafenanlagen umgenutzt. Unübersehbar ist das architektonische Glanzstück Museum aan de Strom MAS. Ich empfehle euch auch einen Abstecher in den weitläufigen Park Spoor Noord, der auf einem ehemaligen Güterbahnhofareal die neuste grüne Oase bildet.
Diamenten, Mode, Theater und kunterbunter Architekturmix
Südlich und östlich des historischen Zentrums bekommt man von wildem Graffitimix bis hin zu chicen Strassen im Pariser-Haussmann-Stil alles geboten. Ebenso abenteuerlich ist dabei das kunterbunte Architekturmischmasch, wo einzelne exotische Objekte besonders hervorstechen. Langweilig wird es einem beim Spazieren in dieser Gegend bestimmt nicht. Ein Tipp: wenn ihr hier mit dem Fahrrad unterwegs seid (wie wir es waren), dann wirkt das dank fehlender Abstellmöglichkeiten vorbeugend gegen einen allfälligen Kaufrausch aufgrund der vielen einladenden Schaufensterauslagen.
Geschichte erleben
Ein Museumsbesuch war eigentlich nicht geplant. Als wir dann aber im Eilandje vor dem Red Star Line Museum standen, das die Auswandergeschichte und den grossen Traum «Amerika» thematisiert, siegte die Neugier. Innen waren wir positiv überrascht. Das Museum ist interaktiv und modern gestaltet und bietet für Regentage definitiv ein kurzweiliges Indoor-Programm.
Ein weiterer Tipp meinerseits ist das Museum Plantin-Moretus, übrigens einziges Museum weltweit, das UNESCO-Weltkulturerbe ist. Das Museum befindet sich in der Wohnung und Druckerei von Christoph Plantin. Ich interessierte mich weniger für die uralten Druckpressen sondern viel mehr für das beeindruckende Patriziergebäude mit dem wunderschönen Innenhof.
Genussmomente
Radeln, spazieren, entdecken und staunen machen hungrig. Kein Problem! Genussmomente werden in Flandern zelebriert und entsprechend breit ist die Auswahl an guten Restaurants. Als Mittagsstopp kann ich euch das Restaurant Zuiderterras empfehlen. Das auffällige Gebäude wurde vom bekannten flämischen Baumeister Bob van Reeth bewusst als maritimes Statement entworfen und liegt an einzigartiger Lage direkt an der Schelde. Der Fluss, der schon immer die Welt nach Antwerpen brachte.
Wer eine kurze Verschnaufpause braucht, der findet im Café Daily Roast (existiert leider nicht mehr) direkt hinter dem Grote Markt den perfekt gebrauten Kaffee und einen Sitzplatz in der Sonne. Für süsse Momente legt man dabei am bestem noch bei Elisa Pralines einen Zwischenstopp ein. Hier habe ich auch das Geheimnis der Belgischen Schokolade begriffen. Sie ist im Vergleich zur Schweizer Schokolade nicht besser, einfach unschlagbar günstiger. Wie war ich entzückt, als ich realisierte, dass man Säckchen gefüllt mit feinsten Pralinen nur 3.50 Euro kostet!
Für ein leichtes Abendessen eignet sich beispielsweise das Grand Cafe Horta ganz gut. Es liegt in der Nähe zum Rubens Haus und serviert bodenständige Kost in einer ungezwungen chicen Atmosphäre.
Perspektivenwechsel
Zwei Arten Antwerpen aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten, möchte ich euch besonders ans Herz legen. Wer eine Brücke über die Schelde sucht, der wird im Zentrum nicht fündig. Die Stadt hat sich im Vergleich zu anderen Städten erstaunlicherweise auf das Ausbreiten auf einer Seite beschränkt. Ein Besuch der anderen Seite – von einigen Einheimischen abfällig „Parkplatz“ genannt – lohnt sich dennoch. Dort drüben gibt es den besten Blick auf die Skyline von Antwerpen. Nur, wie gelange ich dorthin? Seit 1931 verbindet der heute denkmalgeschützte Sint-Anna Fussgängertunnel die Schlafstadt der gegenüberliegenden Seite mit historischem Kern. Alleine die ratternden Holzrolltreppen sind ein Erlebnis für sich.
Die Vogelperspektive gibt’s dafür gratis vom Dach des MAS. Wer also nicht primär an einem Museumsbesuch sondern am Gebäude und der Aussicht interessiert ist, der kommt hier voll auf seine Kosten.
Hinweis: Diese Reise wurde von Tourismus Flandern und Visit Antwerpen unterstützt. Vielen Dank hierfür! Meine Leser dürfen wie immer sicher sein, dass ich stets meine Ansichten und Begeisterung vertrete.
Tipp: In Juli und August ist jeweils am Montag um 20:00 Uhr Glockenspielkonzert (Beiaardconcert) im Stadtzentrum (Onze-Lieve-Vrouwekathedraal). Das ist ein Mini-Open-Air und viele Leute stehen in den Strassen und lauschen bei einem «bolleke De Koninck» (ein Kelch des einheimischen Amber-Biers) der Musik (mehr oder weniger).
Lieber Horst danke für die super Tipps! Hört sich toll an :)
Hallo Anita,
Vielen Dank für den schönen Artikel über Antwerpen!
Das Bild mit dem Rad ist bei Wouters & Hendrix, Juwelengeschäft in Lange Gasthuisstraat 13, Antwerpen. :-)
Vera (Antwerpen Tourismus & Kongress / Visit Antwerpen)
Super! Danke Vera :)