Knapp 40 Kilometer von der Schweizer Grenze entfernt befindet sich mit dem Lac d’Annecy nicht nur einer der grössten Seen Frankreichs, sondern an dessen Ufer auch eine charmante Alpenstadt. Annecy begeistert mit einer privilegierten Lage und bietet die perfekte Kombination aus Savoir-vivre und Naturerlebnissen. Wenn das keine ausgezeichnete Destination für einen Weekendtrip ist!
So meine Gedanken im Januar 2020. Und jetzt – exakt zwei Jahre, nachdem dieser Weekendtrip nach Annecy eigentlich hätte stattfinden sollen, machen wir uns endlich auf den Weg in die Hauptstadt der Region Haute-Savoie. Wir hatten im Frühling 2020 die bereits gebuchten Unterkünfte nicht storniert bzw. die längst getätigten Anzahlungen nicht zurückverlangt, sondern diese als Guthaben für einen späteren Zeitpunkt hinterlegen lassen. Immerhin ist unser Timing beim zweiten Anlauf perfekt auf das herrliche Frühlingswetter abgestimmt. Und ja: Der strahlend blaue Himmel steht Annecy besonders gut!
Durch die hübschen Altstadtgassen bummeln, im Jardin de l’Europe verweilen, mit dem Velo einmal um den Lac d’Annecy pedalen, einen der vielen Gipfel rund um den See erklimmen oder ein feines Essen geniessen – in Annecy kommen Genussmenschen und aktive Personen gleichermassen auf ihre Kosten. Wo ihr besonders fein speist, schön schlaft und die beste Aussicht geniesst, entnehmt ihr den nachfolgenden Zeilen mit meinen top Tipps.
1. Ein Bummel durch die Altstadtgassen von Annecy unternehmen
An Markttagen sind die kopfsteingepflasterten Altstadtgassen von Annecy voller Leben. Der Wochenmarkt findet ganzjährig jeweils am Dienstag, Freitag und Sonntag von 7:00 Uhr bis 13:00 Uhr statt und ist ein Paradies für alle, die sich mit lokalen Köstlichkeiten (insbesondere Käse!) eindecken möchten. Wir stürzen uns aber nicht sofort ins Gewusel, sondern begutachten die hübsche Altstadtkulisse mit dem «Château», dem einstigen Gefängnis «Palais de l’Isle, den pastellfarbenen Steinhäusern und dem dazwischen ruhig dahinfliessenden Thiou vom Quai Eustache Chappuis aus. Danach folgen wir dem nördlichen, schmalen Quai flussaufwärts bis auf Höhe Rue de la République. Hier säumt sich ein Restaurant ans andere – die Mehrheit davon fällt, meine ich, in die Kategorie «klassische Touristenfallen».
Die vielversprechenderen Lokale verstecken sich in den Altstadtgassen südlich des Thiou. Am besten lässt ihr euch der Nase nach durch die Gassen treiben. Baut in jedem Fall auch einen Abstecher zum Schloss hoch in euren Stadtrundgang ein. Dabei ist zu beachten, dass das Schloss am Mittag jeweils für zwei Stunden (von 12:00 Uhr bis 14:00 Uhr) schliesst und währenddessen auch die Aussichtsplattform nicht zugänglich ist. Alternativ gibt es aber auch von der Escalier du Château aus den einen oder anderen schönen Blick über die Altstadtdächer.
2. Zum Mittagessen im Restaurant Conza einkehren
Trotz der vielen Einkehrmöglichkeiten und der Tatsache, dass man sich auch auf dem Markt bestens verköstigen kann, haben wir uns im Vorfeld für den Mittag einen Tisch reserviert. Zum Glück! Das Restaurant Conza reiht sich unscheinbar in die Häuserfronten der Faubourg Sainte Claire ein.
Das Inhaberpaar Sandra & Léo muss aber auch gar nicht laut und schrill auf sich aufmerksam machen, sondern überzeugt seine Gäste lieber mit einer frischen, kreativen Marktküche zu einem fairen Preis (3-Gang-Menü für 34 Euro). Alternativ ist uns beim Rundgang noch das Vinistrot an der Rue Perrière positiv aufgefallen.
3. Ein paar Stunden im Jardin de l’Europa verweilen
Eigentlich wollten wir nach dem Mittagessen auf dem Weg von der Altstadt in den Jardin de l’Europe noch einen Zwischenstopp bei einer Eisdiele einlegen. Falls sich die Qualität der Eisgeschäfte von der Länge der Menschenschlange davor ableiten lässt, dann wäre «Glacier des Alpes» auf Platz 1 – dicht gefolgt vom «Ice Palace». Da das dreigängige Mittagsmenü im Conza aber üppiger ausfiel, als erwartet, muss ich an dieser Stelle mit einem effektiv erprobten Urteil passen. Ob mit oder ohne Glacé, Picknickdecke oder Buch – der Jardin de l’Europe ist an sonnigen Tagen definitiv einen Zwischenstopp wert. Die malerische Parkanlage liegt direkt am Ufer des Lac d’Annecy. Die sogenannte «Pont des Amours», die zu den beliebtesten Fotospots von Annecy zählt, verbindet den Jardin de l’Europe mit dem «Le Pâquier» – eine weitere weitläufige Parkanlage von Annecy.
4. Mit dem Velo rund um den Lac d’Annecy pedalen
Auch wenn Annecy mit rund 130’000 Einwohner/-innen in Schweizer Relation keine Kleinstadt ist, ist der sehenswerte Altstadtkern vergleichsweise kompakt. Die Sehenswürdigkeiten von Annecy lassen sich an einer Hand abzählen und das meiste könnt ihr problemlos innerhalb eines Tages besichtigen. Somit bleibt genügend Zeit, um die Umgebung zu erkunden. Und die ist genauso sehenswert wie Annecy selbst.
Zu den beliebtesten Aktivitäten zählt die sogenannte «Tour de Lac d’Annecy». Die Velotour führt in knapp 40 Kilometer auf einer mehrheitlich flachen Strecke einmal rund um den Lac d’Annecy. Die Routenführung erfolgt grösstenteils abseits der Strasse auf separat geführten Fahrradwegen. Es gibt aber auch Abschnitt, wo die Velos aufgrund er begrenzten Platzverhältnisse auf der Strasse geführt werden – was definitiv nicht angenehm ist! Dafür könnt ihr unterwegs die herrliche Bergkulisse aus allen Winkeln bewundern.
Falls ihr Lust auf eine Velotour habt, dann fragt ihr am besten zuerst in eurer Unterkunft nach, ob kostenlose Leihvelos angeboten werden. Alternativ gibt es in Annecy verschiedene Veloverleihstationen (z.B Cyclable Vieille Ville).
5. In der Auberge du Père Bise einen Zwischenstopp einlegen
Rund um den Lac d’Annecy gibt es einige tolle Unterkünfte in unmittelbarer Seenähe. Eine über 100-jährige Gastgebertradition verzeichnet die Auberge du Père Bise in Talloires. Ab 1903 bewirtschaftete die Familie Bise hier Gäste. Und dies mit Erfolg: Bereits 1937 galt die Auberge du Père Bise als Gourmetlokal und 1951 wurde Marguerite Bise im Guide Michelin mit drei Sternen ausgezeichnet.
Nachdem das Maison Père Bis über ein Jahrhundert von der Familie Bise betrieben wurde, ging es 2017 in die Hände von Magali und Jean Sulpice über. Diese investierten in eine «Verjüngungskur» und auch wenn die Auberge du Père Bise auf den ersten Blick rustikal wirkt, präsentiert sie sich im Innern zeitgemäss frisch. Ein Highlight ist – nebst der traumhaften Lage mit Seeanstoss – der tolle Spa mit einem Indoor-Pool unter heimeligen Gebälk sowie Outdoor-Jacuzzi, Sauna und Dampfbad.
6. Einen Tisch im Restaurant Jean Sulpice reservieren
In der Auberge du Père Bise kann man einen Lunch-Zwischenstopp einlegen oder aber ein ganzes Wochenende verbringen. Wir entschieden uns für eine Zwischenvariante und checkten für eine Nacht ein. Natürlich nicht ohne gleichzeitig auch einen Tisch im Restaurant Jean Sulpice – das mit zwei Michelin Sternen ausgezeichnete Fine Dining Restaurant des Hauses – zu reservieren. Der Savoyarde Jean Sulpice erkochte seinen ersten Michelin Stern mit jungen 26 Jahren. Bevor er im Jahr 2017 die Auberge du Père Bise übernahm, betrieb er ein 2-Sterne-Lokal in Val Thorens.
Jean Sulpice konzentriert sich bei seinen Menükreationen voll und ganz auf lokalen Produkten und eine Kräutervielfalt. Das Menü präsentiert sich dann auch für französische Verhältnisse überraschend leicht, frisch und reduziert (ohne «zu reduziert» zu sein) und trifft damit genau meinen Geschmack.
Zur Auswahl steht ein Tasting Menu mit 6- oder 8-Gängen (à 235 / 275 Euro). Günstiger (aber qualitativ sicherlich auch hervorragend) diniert man im zweiten Restaurant des Hauses – dem 1903. Dort kostet ein 3-Gang-Menü 59 Euro.
7. Eine schöne Rundwanderung zum Belvédère du Roc de Chère unternehmen
Der etwas längere Zwischenhalt in Talloires lohnt sich aber nicht nur wegen den kulinarischen Annehmlichkeiten (das Frühstück in der Auberge Père Bise ist nämlich auch exzellent), sondern auch wegen der Möglichkeit, die Natur rundherum zu Fuss zu erkunden. Von der Auberge du Père Bise aus führt eine kurzweilige knapp zweistündige Rundwanderung durch das Naturreservat «Roc de Chère». Das kleine Waldgebiet trägt aufgrund seiner ökologischen Vielfalt seit 1977 einen Schutzstatus. Hier an dieser sonnenverwöhnten, windgeschützten und topografisch steil ansteigenden Hangkante treffen nämlich zwei unterschiedliche Pflanzenwelten aufeinander – die Alpenflora und die Mittelmeerflora. Die Wanderung führt dann auch stufenweise vom Seeufer die Kalkabhänge empor bis auf das fast 150 Höhenmeter höher liegende «Plateau». Nebst der vielfältigen Flora und Fauna lässt sich unterwegs natürlich auch das fantastische Panorama bestaunen.
Der Aufstiegt hält ein, zwei steilere Passagen bereit. Gutes Schuhwerk ist daher zwingend!
8. Durch das Naturschutzgebiet Bout du lac d’Annecy spazieren
Am südlichen Ende das Lac d’Annecy gibt es ein weiteres Naturschutzgebiet zu erkunden: das Réserve naturelle nationale du Bout du Lac d’Annecy. Höhenmeter fallen hier kaum welche an – einzig wer die Aussicht vom alten Festungsturm aus geniessen möchte, muss einige wenige Stufen überwinden. Die Spazierwege durch das Naturschutzgebiet sind somit zu grossen Teilen auch mit dem Kinderwagen oder mit älteren Personen, die zu Fuss nicht mehr ganz so «rüstig» sind, bewältigbar. Für eine Runde durch das Naturschutzgebiet ist – mit gemütlichem Tempo – rund eine Stunde einzurechnen.
Direkt neben dem Naturschutzgebiet befinden sich übrigens zwei Campingplätze mit Seeanstoss.
9. Den Sonnenuntergang vom La Maison Bleue aus bewundern
Nach unserem ersten gastronomischen Zwischenhalt in der Auberge du Père Bise haben wir uns für die zweite Nacht eine weitere besondere kulinarische «Station» rausgesucht. Im heutigen «La Maison Bleue» in Veyrier-du-Lac kochte einst Marc Veyrat, der als erster Koch vom Gault Millau mit der Höchstnote (20 von 20 Punkten) ausgezeichnet wurde. 2010 übernahm der Bretone Yoann Conte den Betrieb und verlieh ihm seine ganz eigene Handschrift. Das La Maison Bleue ist kleiner als die Auberge Père Bise. Nebst dem Zimmer, den Restaurantbereich und der Aussenterrasse gibt es noch eine Aussensauna, ein Jacuzzi und den See als Bademöglichkeit (geht auch im März – ich hab’s getestet). Womit aber beide Unterkünfte zu 100% punkten können, ist mit dem Blick auf die zauberhaften Sonnenuntergänge hinter den Hügeln des Lac d’Annecy.
10. Bei Yoann Conte am Lac d’Annecy dinieren
Während sich meiner Meinung nach ein Aufenthalt in der Auberge du Père Bise unabhängig von der Restaurantreservation im Restaurant Jean Sulpice lohnt, würde ich euch eine Übernachtung im La Maison Bleue nur in Kombination mit einem Abendessen im 2-Sterne-Lokal «La Table de Yoann Conte» empfehlen. Wobei auch hier «sur place» mit dem «Le Roc» eine Alternative zum Fine Dining angeboten wird.
Das Tasting Menü bei Yoann Conte ist keine Aneinanderreihung von hervorragenden Gerichten, sondern effektiv ein durchkomponiertes Erlebnis für den Geschmacks- und Geruchssinn. Und wenn sich irgendwo die Weinbegleitung lohnt – dann hier! Besonders ist auch, dass sich Yoann Conte keineswegs in der Küche «verschanzt», sondern den ganzen Abend locker zwischen den Tischen hin und her spaziert und mit den Gästen parliert. Im ersten Moment war ich davon irritiert, bzw. schien mir das unglaublich arrogant. Doch im Verlauf des Abends musste ich meinen ersten Eindruck revidieren.
Die Menüpreise variieren und können auf der Website eingesehen werden. Einzurechnen sind mindestens 300 Euro pro Person. Die Anzahl Gänge und Bestandteile werden im Vorfeld nicht aufgeführt, weil dies – wie Yoann Conte uns erklärt, die Küchencrew zu fest einschränken würde. Er bevorzugt es, frische, liefer- oder (im hauseigenen Garten) pflückbare Produkte zu verwenden und nicht den Produkten «nachrennen» zu müssen, die auf einem Menü aufgeführt sind.
11. Die Aussicht auf Annecy vom Col des Sauts aus geniessen
Von Veyrier-du-Lac aus lassen sich ebenfalls diverse Wanderungen unternehmen. Ein veritables Höhenmetertraining bietet der Aufstieg auf den Mont Baron. Hierfür sind vom Seeufer bis zur stillgelegten Seilbahnstation knapp 700 Höhenmeter zu überwinden. Wer mit dem Auto unterwegs ist und einige Höhenmeter einsparen könnte, der kann bis zum Wanderparkplatz beim «Col du Pré Vernet» über eine kurvenreiche, geteerte, aber teils mit Schlaglöchern versehene Waldstrasse hochfahren und von dort aus zu Fuss den Aussichtspunkt «Col des Sauts» ansteuern. Für den Hin- und Rückweg sind 60 bis 90 Minuten einzurechnen. Der Aufstieg ist recht steil und führt über steiniges, durchwurzeltes Gelände. Ich empfehle auch hier gutes Schuhwerk. In puncto Aussicht lohnt sich aber diese kurzweilige Tour definitiv!
Praktische Tipps für deinen Abstecher nach Annecy
- Annecy ist in das binationale Léman Express Bahnstreckennetz eingebunden und von Genf aus in knapp 90 Minuten mit der Bahn erreichbar (Anreise von Zürich nach Annecy dauert mit dem Zug 4:44 h mit 1x Umsteigen). Die Ortschaften rund um den Lac d’Annecy sind mit dem Bus erschlossen. Auf der Website des Verbunds SIBRA (Transports urbains de l’agglomération d’Annecy) könnt ihr die Verbindungen nachschauen.
- Wer mit dem Auto nach Annecy fährt, dem empfehle ich das zentral gelegene Parking Bonlieu anzusteuern. Dieses befindet sich in Fussdistanz zur Altstadt.
- Ein Besuch von Annecy empfiehlt sich meiner Meinung besonders im Frühling und im Herbst. Aber auch im Sommer kann sich ein Abstecher nach Annecy lohnen, da rund um den See durchaus auch alpinere Gipfel darauf warten, erkundet zu werden (die im Frühling definitiv noch schneebedeckt sind).
- Eine Besonderheit von Annecy ist zudem der Venezianische Karneval. Dieser findet seit 1996 jährlich am Wochenende nach Faschingsdienstag statt.
- Sowohl die Auberge du Père Bise als auch das Maison Bleue sind Mitgliedshäuser von Relais & Châteaux. Die Übernachtungspreise starten bei 300 (Maison Bleue) bzw. 320 (Père Bise) Euro. Falls ihr euren Besuch unter der Woche plant, dann checkt im Vorfeld die Restaurantöffnungszeiten. Die Sternelokale haben nicht an jedem Wochentag geöffnet.
- Mit dem Le Clos des Sens gibt es ein weiteres herausragendes Sternelokal (3 Michelin Sterne) in der unmittelbaren Umgebung von Annecy. Im 2020 hatten wir auch hier eine Reservation. Aktuell scheint (zumindest das Restaurant) nahezu durchgehend ausgebucht zu sein.
Danke, Anita!
Ich bin frisch nach Genf gezogen und hab mich auf den ersten Besuch und Blick hin in Annecy verliebt – aber Deine Liste hat mir jetzt noch mal kräftig den Blickwinkel darauf erweitert. Falls Du mal eine vegane Brunch-Alternative dort suchst (und das Dein Ding ist – es fällt eher in den Bereich «Hipster» statt «Sterne») kann ich das Kia Ora am Samstag empfehlen. Es ist ganz klein, wird von zwei Frauen geleitet und ein kleines Goldstück in meinen Augen.
Liebe Grüße aus der Westschweiz!
Carina
Liebe Carina schön von dir zu hören und danke für den Tipp. Es muss durchaus nicht immer zwingend Sterneküche sein ;)