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Ännis Regeln fürs Trampen auf Island

«Muss ich auf Twitter sein?» – eine Frage, mit der ich öfters konfrontiert bin und auf die ich gerne antworte «Nein, wenn es dir keinen Spass macht, dann lass es bleiben». Mir macht Twitter Spass. In erster Linie deshalb, weil sich dort ein bunter Haufen interessanter, unterhaltsamer Leute tummelt. Eine meiner Twitter-Bekanntschaften ist Änni. Ich mag ihre «fadegrade» Tweets mit Hang zu Sarkasmus. Da sind wir glaub’s auf der gleichen Linie. Aktuell ist Änni auf Island unterwegs und erobert mit Schweizer Schokolade das Herz der Isländer. Ich freu mich riesig, dass sie – Regenwetter sei Dank – irgendwo auf einem Guesthouse-Sofa rumfläzend Zeit gefunden hat, bei mir ihre bisherigen Erkenntnisse zum ungeplanten Island-Tramping-Trip weiterzugeben. Mehr zu ihrer Island-Reise könnt ihr hier nachlesen: Änni on Tour.

Eigentlich war ja nicht geplant, dass wir in Island Autostopp betreiben. Gemäss Plan wäre mit unserem «Full Circle»-Buspass von Sterna Travel nämlich die gesamte Reise rund um die ganze Insel abgdeckt, sprich bezahlt gewesen, und die einzig wahre Herausforderung wäre gewesen, immer wieder stundenlang auf die häufig nur einmal pro Tag fahrenden Busse zu warten. Wäre gewesen, hätte sein sollen – vor Ort zeichnete sich dann zügig ab, dass wir grosse Teile unserer Pläne getrost in den Konjunktiv einwickeln und entsorgen konnten. So kam es, dass wir schon nach unserer ersten Übernachtung in der Nähe des Jökulsarlon, der mystischen Gletscherlagune, das erste Mal Schilder aus Karton bastelten, um damit unser Glück beim Trampen zu versuchen. Es sollte nicht das letzte Mal bleiben, und daher gebe ich an dieser Stelle unser gesammeltes Wissen in Sachen Autostopp auf Island grosszügig weiter: Hier sind sie, die gesammelten 10 Grundregeln fürs trampen auf Island.

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© Änni on Tour

#1

Beachte den Standort: An einer geraden Strecke der Ringstrasse, auf der die Autos mit 90 oder mehr km/h unterwegs sind, wird kaum jemand anhalten, um dich mitzunehmen. Blöd ist, wenn du wie wir den Standort nicht wirklich aussuchen kannst, weil du nun mal von da aus weiterkommen solltest – in dem Fall lauf bis zur nächsten Abzweigung, an den nächsten Rastplatz oder an einen anderen Ort, wo ein Auto problemlos anhalten kann. Ebenfalls hilfreich: Ein Schild, auf dem steht, wo du hinwillst.

#2

Wenn du eine Frau bist: Zieh deine Mütze aus, insbesondere, wenn du einen Kurzhaarschnitt trägst. Jaja, Sexismus und so, aber du willst ja mitgenommen werden… Zieh die Mütze aus, damit du klar als Frau identifizierbar bist, besonders wenn du mit einem Mann unterwegs bist. Eine nach einem Hetero-Paar aussehende Zweiergruppe wird eher mitgenommen als zwei Männer.

#3

Wenn du ein Mann und mit einer Frau unterwegs bist: Bitte deine Begleiterin, die Mütze auszuziehen, aus oben genannten Gründen, und rechne am besten gleich damit, dass sie dir einen sanften, femininen Schlag auf den Hinterkopf verpasst bei diesem Vorschlag.

#4

Wenn du ein Mann und mit einer Frau unterwegs bist: Der Schlag auf deinen Hinterkopf wird deutlich kräftiger ausfallen, wenn du deine Begleiterin irgendwann nach stundenlangem erfolglosen Herumstehen an der Strasse bittest, sich bis auf den BH obenrum freizumachen, damit sie noch eindeutiger als Frau identifizierbar wird.

#5

Hab Geduld und übe dich in Gelassenheit. Es ist nach 23 Uhr abends? Du stehst mit deinem Reisekumpan an einer verlassenen Abzweigung mitten in der Pampa, weit weg von der nächsten Ortschaft? Es nieselt, weit und breit nur Gras und Büsche, und ihr habt kein Zelt dabei? In der letzten Stunde fuhren nur 4 Autos vorbei? Überleg mal scharf: Du kannst dich jetzt enorm aufregen, über deine Begleitung, über die Situation, über das Wetter, über die Autofahrer, über ganz Island oder das gesamte Universum. Aufregung jedoch verbrennt jede Menge Kalorien, die du vielleicht noch dringend benötigen wirst, schliesslich habt ihr ja kaum Proviant dabei. Schlechte Stimmung ist zudem ansteckend, und ausserdem wird diese die Situation kaum ändern, im Gegenteil: Wenn deine schlechte Laune wie eine Gewitterwolke an negativen Energien über deinem Kopf hängt, werden noch weniger AutofahrerInnen bereit sein, dich mitzunehmen.

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© Änni on Tour

#6

Überleg dir im Voraus, womit du dich bei allfälligen AutofahrerInnen, die dich mitnehmen, bedanken kannst. Sich nicht nur mit aufrichtiger Dankbarkeit, sondern auch mit einer materiellen Kleinigkeit bedanken kurbelt nicht nur die Wirtschaft an, sondern auch dein Karma. Wir zum Beispiel haben immer zwei Pappe-Schilder dabei: Eins mit der Ortschaft, wo wir hinwollen, eines mit der Aufschrift «We pay with Swiss Chocolate!» In der Tat verschenken wir dann Mini-Tobleronen, wenn uns jemand mitnimmt.

#7

Autofahrer, die am Schluss zufrieden sind mit ihrer Tat, werden viel eher wieder Autostöppler mitnehmen als Autofahrer, die am Schluss genervt sind. Daher: Lass deine Empathie walten und versuche, abzuschätzen, ob der oder die Fahrerin mit dir plaudern möchte – oder eben nicht. Die meisten AutofahrerInnen, die Anhalter mitnehmen, möchten etwas Unterhaltung (wo kommt ihr her, wie lange seid ihr in Island, wie gefällt es euch hier, wie findet ihr ds Wetter etc.), aber es gibt auch Leute, die sind müde oder einfach eher wortkarg und bevorzugen es, einfach zu schweigen. Das selbe Prinzip gilt für «heiklere» Gesprächsthemen: Sei diplomatisch. Wenn dich jemand in seinem Auto mitnimmt, musst du diese Gelegenheit nicht nutzen, um ihn zum Veganismus zu bekehren, um seine reilgiöse Lebensweise zu kritisieren, um ihm vorzurechnen, wie viele Schadstoffe sein Auto absorbiert.

#8

Nicht alle AutofahrerInnen, die AnhalterInnen mitnehmen, sind sympathisch. Eine traurige Erkenntnis, eigentlich, aber wie dem auch sei: Siehe oben. Sei diplomatisch, sei grosszügig, sei dankbar, schenk ihnen Schoki und ein Lächeln, und vielleicht wird deine Freundlichkeit, Offenheit und Toleranz im Unterbewusstsein auf sie abfärben – oder aber sie bleiben halt Idioten.

#9

Eine kleine Faustregel: Je teurer, grösser und sauberer das Auto, das heranbraust, desto kleiner die Wahrscheinlichkeit, dass es anhält. In Island sieht man sehr viele grössere Geländewagen, die meisten davon sind Mietautos für Touristen. Du kannst quasi vergessen, dass einer davon anhält. Viel wahrscheinlicher ist, dass ein altes, mässig sauberes, kleines Auto eines Isländers (oder, wie auch schon, zwei junger, aufgebrezelten Isländerinnen) anhält, in das ihr zu zweit mit zwei riesigen und zwei normalen Rucksäcken samt Einkaufstüten mit den Schoki-Vorräten kaum reinpasst.

#10

Hab Spass dabei! Per Anhalter unterwegs zu sein wird dir Erfahrungen und Begegnungen bescheren, die du sonst kaum machen würdest. Die Erleichterung und Freude, wenn dich jemand mitten in der Nacht aufgabelt, die vorsichtige Fahrt über einen schneebedeckten Pass und schliesslich das wie ein Diamant funkelnde Dorf in der nächtlichen Ferne, die Gewissheit, das Ziel endlich erreicht zu haben, die Begegnung mit dem älteren Herrn von den Färöer-Inseln, mit dem du dich mangels gemeinsamer Sprache vor allem mit Händen und Füssen unterhalten hast – nein, nichts davon möchte ich missen.

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© Änni on Tour

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