Wer im Spätherbst nach Venedig reist, der sollte wissen, dass die Füsse unter Umständen ziemlich nass werden können, da in dieser Jahreszeit das berüchtigte Acqua Alta häufig auftritt. Wir überlegten uns somit vor unserer Reise (anfangs November), ob wir präventiv Gummistiefel einpacken sollen, haben aber dann darauf verzichtet. Bei der Anreise am Samstag deutete noch nichts auf einen erhöhten Wasserpegel hin, am Sonntag morgen trauten wir dann aber kaum unseren Augen.
Aufgrund eines Mittelmeer-Tief stieg der Wasserpegel über Nacht rekordmässig an und überraschte uns alle am Sonntag morgen mit einem Pegelstand von 150 cm. Dies bedeutet, dass ca. 70% der gesamten Stadt zumindest teilweise unter Wasser stehen. Am meisten betroffen sind dabei die tiefsten Lagen, wie beispielsweise der Markusplatz. Vom Hotelzimmer aus blickte ich nicht mehr auf gepflästerte Wege, sondern auf Wasserkanäle.
Bis zu einem Hochwasserstand von 120 cm gibt es in Venedig ein Fusswegenetz, das trockene Füsse garantiert. Wenn das Wasser höher kommt, sind Gummistiefel unerlässlich. Übrigens, die Stiefel werden überall verkauft (sogar in unserem Hotel) und sind mit 20 Euro gar nicht mal so teuer, da die Qualität stimmt.
Ich staunte ab der Ruhe, mit welcher die Einheimischen den Wassermassen begegnen. Vor vielen Hauseingängen hat es 50 cm hohe Eisenplatten, welche das Wasser zumindest teilweise abhalten. Nach rund 4-6 Stunden ist der Spuk vorbei. Mit der einsetzenden Ebbe, fliesst das Wasser langsam ab. Dies ist der Zeitpunkt, wo alle Ladenbesitzer das Putzmaterial hervornehmen, um die nassen Ladenbereiche zu trocknen. Wir wagten uns da auch wieder aus unserem Hotel raus und balancierten auf den Holzstegen in Richtung Markusplatz.
Nebst dem Klimawandel, der den Meeresspiegel langsam ansteigen lässt, gibt es noch zwei weitere Gründe, wieso Venedig unter immer häufiger auftretendem Hochwasser leidet. Einerseits gibt der Baugrund unter dem Gewicht aller Gebäude langsam nach und „versinkt“ immer tiefer im Boden. Aus diesem Grund wurde die Grundwasserentnahme reguliert. Andererseits wurde die Lagune so bearbeitet, dass sie für die grossen Kreuzfahrtschiffe befahrbar wurde, was sich erheblich auf das lokale Ökosystem auswirkte.
Um Venedig vor dem Untergang zu retten, wurde das umstrittene Projekt „Mose“ – Modulo Sperimentale Elettromeccanico” entwickelt. An drei unterschiedlichen Eingängen zur Lagune sollen riesige Stahlkästen, das Wasser in der Adria zurückhalten und Venedig vor dem offenen Meer abriegeln. 2014 soll, falls alles planmässig abläuft, dieses System in Betrieb genommen werden. Es ist aber unbestritten, dass dies ebenfalls erhebliche Auswirkungen auf das Ökosystem und den natürlichen Prozess der Gezeiten haben wird. Zu hoffen ist, dass wenigstens Venedig dadurch tatsächlich vor dem langsamen Versinken bewahrt werden kann.
Genial! Das hätte ich auch gerne gesehen. Zuerst das gepflasterte Venedig und am nächsten Tag eine überflutete Stadt. Venedig ist sowieso schon ewig lange auf meiner Liste an Städten, die ich sehen will, jetzt weiß ich aber, dass ich den Spätherbst lieber meiden sollte, wenn ich keine Gummistiefel kaufen möchte. ;-)
Liebe Grüße
Christina
Ja, ohne Gummistiefel geht im Spätherbst gar nichts :-)