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Sentiero Cristallina: tolle Mehrtageswanderung im Tessin

In drei Tagen zu Fuss durch die Tessiner Alpen – das lässt sich mit überschaubarem Effort auf dem 40 Kilometer langen Sentiero Cristallina erleben. Wir haben die Mehrtageswanderung Ende August in Angriff genommen und uns auf eine sowohl abwechslungsreiche als auch sportliche Entdeckungstour durch die vielseitigen Landschaften zwischen der Leventina und dem Valle Maggia begeben. Von alpinen Passübergängen über kristallklare Bergseen bis hin zu urigen Steindörfern hält der Sentiero Cristallina abseits der bekannten Sehenswürdigkeiten des Tessins so einige Highlights bereit.

Der Sentiero Cristallina im Überblick

Beim Sentiero Cristallina handelt es sich um eine Mehrtageswanderung, die von Bignasco im Maggiatal nach Airolo am Fusse des Gotthardpasses führt. Die Streckenwanderung ist mit der Routennummer «59» ausgeschildert und in drei Etappen aufgeteilt.

Die Etappe 1 von Bignasco bis nach S. Carlo (Val Bavona) führt dabei mehrheitlich entlang historischer Saumwege (Schwierigkeitsstufe T1/T2). Die zweite und dritte Etappe sind klassische Bergwanderwege der Schwierigkeitsstufe T2/T3. Der Weg ist durchgängig super ausgeschildert und beinhaltet keine technisch schwierigen Stellen. Sowohl bei der zweiten als auch bei der dritten Etappe besteht die Möglichkeit, die Wegetappen mittels Seilbahnfahrt abzukürzen. Daher ist es auch möglich, den Sentiero Cristallina in lediglich zwei anstelle von drei Tagesetappen zu absolvieren.

Alternativ kann man die zweite Etappe zwischen der Capanna Cristallina und Robiei (S. Carlo) mit einer Zusatzschlaufe durch die faszinierenden Gletscherlandschaften am Fusse das Basòdino (dem höchsten Berg der Tessiner Alpen) verlängern. Genau das haben wir gemacht und so trotz Seilbahnfahrten drei Wandertage auf dem Sentiero Cristallina verbracht. Die Eckpunkte und Routenführung unserer Tagesetappen sind jeweils am Ende der jeweiligen Etappe abgebildet.  

In puncto Start- und Endpunkt der Mehrtageswanderung besteht ebenfalls Flexibilität. Während SchweizMobil die Route in nördliche Richtung beschreibt (mit Start im Valle Maggia), haben wir die Tour in Airolo gestartet und in die umgekehrte Richtung absolviert.   

Etappe 1: von Airolo zur Capanna Cristallina

Vollblut-Trekker werden jetzt vielleicht die Nase rümpfen – starten wir doch tatsächlich mit einer Abkürzung in unsere Mehrtageswanderung auf dem Sentiero Cristallina. Doch die 600 Meter Höhendifferenz zwischen Airolo und der Alpe di Pesciüm lassen sich mit der Gondelbahn wesentlich bequemer und schneller überwinden als zu Fuss. Und so blicken wir statt nach einem zähen gut 1.5-stündigen Aufstieg bereits nach 15 Minuten hinunter ins Val Bedretto.

Für uns geht die Tour somit erst bei der Bergstation Pesciüm so richtig los. Wir folgen der «Strada degli Alpi» (einem relativ breiten Kiesweg) über die auch ein Biketrail verläuft Richtung «Piano die Pescia/Alpe di Cristallina». Die Wege sind Teil der Alpweiden und aufgrund des teilweise sehr abschüssigen Geländes kann es vorkommen, dass sich die Kuhherde auf dem Weg so dicht an dicht drängt, dass ein Durchkommen schwierig ist. Wir mussten die Herde auf einem Abschnitt von gut einem Kilometer richtiggehend vor uns hertreiben, damit wir den Weg fortsetzen konnten. Da ich einige Sommerwochen auf Bauernbetrieben verbracht habe, bin ich mir solche Situationen zum Glück gewohnt. Ich kann mir aber vorstellen, dass dies für jemanden mit Angst vor Kühen oder fehlender Kenntnis im Umgang mit Kühen eine unangenehme Situation sein könnte.

Ansonsten hält der Wegabschnitt zwischen Pesciüm und Alpe di Cristallina schöne Lärchenwälder und Moorlandschaften sowie prächtige Panoramablicke Richtung Gotthardmassiv und ins Val Bedretto bereit.

Pesciüm Airolo

Nach einem gemütlichen Einstieg entlang des Höhenweges bis Piano die Pescia beginnt mit dem Aufstieg zur Alpe di Cristallina der sportliche – aber landschaftlich noch reizvollere Part dieser Etappe. Der Weg folgt dem plätschernden Ri di Cristallina entlang kontinuierlich bergwärts. Die zuerst üppige Vegetation wird immer spärlicher, bis vor uns endlich der steinige Passo di Cristallina auftaucht, auf dessen Passhöhe die Cristallinahütte thront. Die ursprüngliche SAC-Hütte wurde 1939 rund 150 Höhenmeter unter dem jetzigen Standort erstellt. Nachdem diese aber mehrfach durch Lawinen beschädigt und im Jahr 1999 von einer Lawine nahezu vollständig zerstört wurde, platzierte man den im Jahr 2002 eröffnete Neubau aus Sicherheitsgründen ausserhalb der Lawinen-Couloirs direkt auf der Passhöhe.

Alpe di Cristallina Val Bedretto
Wanderung Val Bedretto
Airolo-Capanna Cristallina Wanderung
Sentiero Cristallina Etappa 1
Aufstieg zur Capanna Cristallina
Capanna Cristallina SAC Tessin

Wir bekommen beim Einchecken einen Schlafplatz in einem 8er Schlag zugewiesen, der aber aktuell nur zur Hälfte belegt wird. Während wir die Wanderung in Airolo bei sommerlichen Temperaturen und strahlendem Sonnenschein starteten, haben sich hier oben die Wolken überraschend hartnäckig gehalten. Und so kommen wir leider nicht in den Genuss eines wohlverdienten Aperitivos auf der schönen Sonnenterrasse der Hütte. Stattdessen machen wir es uns an unserem zugeteilten Platz im Aufenthaltsraum gemütlich und vertreiben die verbleibende Zeit bis zum Nachtessen mit einem Scrabble (ein Hoch auf die grosse Auswahl an Gesellschaftsspielen in der Hütte).

Eckdaten der 1. Etappe Pesciüm – Capanna-Cristallina

AusgangspunktBergstation Gondelbahn Airolo-Pesciüm
Länge11,8 Kilometer
Höhenmeter↗ 1’107 m ↘ 284 m
Dauer4:30 h
ZielortCapanna Cristallina SAC

Tag 2: von der Capanna Cristallina auf dem attraktiven 7-Seen-Weg nach Robiei

Der nächste Morgen präsentiert sich noch trüber als der Vorabend. Das war dann wohl leider nichts mit einem Sonnenaufgang über den Tessiner Alpen. Tja. Dafür bringt der morgendliche Besuch der Steinböcke Bewegung in den Frühstückssaal. Diese sind hier öfters zu sichten und dementsprechend lohnt es sich, ein gutes Zoomobjektiv mitzunehmen. Wir hatten leider nur unsere «Standardlinse», das Sony FE 24-70 mm f/2.8 GM dabei, das bei diesem Nebel leider nichts Brauchbares hergab.

Trotz der tiefhängender Wolken machen wir uns zeitig auf den Weg. Würden wir auf direktem Weg dem Sentiero Cristallina zu unserem nächsten Übernachtungsort in Robiei folgen, wären wir nach zwei Stunden schon am Ziel. Wir wollen aber an diesem Tag einen Umweg via Lago die Cavagnöö und Lago dei Matörgn ins Valletta di Fiorina in Angriff nehmen.

Wir folgen hierfür zuerst dem Sentiero Cristallina, der uns auf einem schmalen Pfad hoch über dem imposanten Lago Sfundau entlangführt. Am Ende des Lago Sfundau biegen wir nach rechts ab und wandern über steiniges Gelände talwärts auf die Zufahrtsstrasse zum Lago die Cavagnöö. Kurz vor dem Stausee schrecken wir ganz unverhofft eine Gruppe aus Steingeissen mit Nachwuchs auf. Auch wenn wir nicht das geeignete Equipment dabeihaben, können wir diese Begegnung doch mit einigen Fotos festhalten.

Sentiero Cristallina Robiei
Lago Sfundau
Wandern Sentiero Cristallina
Lago Bianco Tessin

Die heutige Etappe ist geprägt von einem stetigen Auf und Ab. Wir steigen nun nämlich erneut hoch, um über die Cresta dell’Arzo ins nächste Hochtal zu gelangen. Unser Tagesziel Robiei scheint zum Greifen nah und der Blick auf diese imposante und gleichzeitig massiv durch Infrastrukturbauten geprägte Berglandschaft ist von hier oben unglaublich faszinierend.

Stauseen am Sentiero Cristallina
Wandern Capanna Cristallina Robiei
Robiei Stausee Maggiatal

Das fröhliche Auf und Ab geht heiter weiter und so folgt auf einen kurzen, zackigen Abstieg ein erneuter Aufstieg Richtung Bocchetta di Val Maggia (hochalpiner Passübergang nach Italien). Wir passieren die hübsch restaurierten Steinhäuser bei Arzo und geniessen den Weitblick in diesem wunderschönen – und im Gegensatz zu Robiei völlig naturbelassenen – Hochtal.

Wanderung Robiei - Lago dei Matörgn

Beim Lago dei Matörgn treten wir den Rückweg an und folgen hierfür einem weiss-blau-weiss markierten Weg hinunter ins Valletta di Fiorina. Der weiss-blau-weiss markierte Abschnitt war für mich bei der Tourenplanung ein Unsicherheitsfaktor – doch der Weg hält für mich keine unüberwindbaren Hindernisse bereit. Er ist steil und zwei, drei Abschnitte führen über kürzere Felspartien, die aber mit Stahlseilen gut gesichert sind. Wer Trittsicherheit mitbringt und sich von abschüssigen Stellen nicht sofort aus der Ruhe bringen lässt, der wird diese Partien problemlos bewältigen.

Lago dei Matörgn
Moräne im Valletta di Fiorina

Der Rückweg durchs Valletta die Fiorina nach Robiei ist für mich ein weiteres Highlight an diesem Tag. Der Weg ist Teil des Gletscherpfades Basòdino und biete einzigartige Einblicke in eine von Gletschern geformte Landschaft.

Wandern Robiei Tessin

In Robiei gibt es mit der Capanna Basodino und dem Albergo-Ristorante Robiei zwei Übernachtungsmöglichkeiten. Alternativ kann man natürlich auch mit der Seilbahn runter nach S.Carlo fahren und dort übernachten (wobei die Auswahl unten im Val Bavona nicht viel grösser ist). Wir haben uns für eine Nacht im Albergo-Ristorante Robiei (Partnerlink) entschieden, das komfortable Doppelzimmer mit integrierter WC/Bad (Hotelstandard) bietet. Das Hotel ist in den Räumlichkeiten des prägnanten achteckigen Gebäudes untergebracht, das in den 1960er Jahren zur Unterbringung der Kraftwerksmitarbeiter genutzt wurde. Unser Zimmer als auch die Aussicht – direkt auf den Basodino-Gletscher – sind top. Weniger überzeugt hat uns die Kochkunst vor Ort. Aber der Feldversuch meiner Eltern wenige Woche zuvor ergab, dass die Capanna Basodino diesbezüglich auch nicht besser zu bewerten sei.

Wanderwege im Tessin
Basodino

Eckdaten der 2. Etappe Capanna Cristallina – Robiei

AusgangspunktCapanna Cristallina SAC
Länge12,25 Kilometer
Höhenmeter↗ 692 m ↘ 1’351 m
Dauer4:45 h
ZielortRobiei

Tag 3: durch die verwunschenen Wälder des Val Bavona

Am dritten Tag unserer Mehrtageswanderung entlang dem Sentiero Cristallina geht es mit der Seilbahn runter ins Val Bavona. Wie gesagt lässt sich diese Strecke auch zu Fuss bewältigen, aber zum einen ist der Blick von der Seilbahn in diese dicht bewaldete Tallandschaft eindrücklich und zum anderen sind meine Knie dankbar, dass ihnen die hier anfallenden Höhenmeter erspart bleiben. Paradox ist übrigens, dass das Val Bavona trotz seiner Nähe zur Kraftwerk-Landschaft bei Robiei nach wie vor in weiten Teilen über keinen Strom verfügt. Die kleinen Siedlungen im Tal sind bis heute Selbstversorger und behelfen sich mit Solarzellen, Gas und Kleinkraftwerken.

Die dritte Wanderetappe hält landschaftlich nochmals eine ganz neue Facette bereit. Statt Weitblick, Alpweiden und Geröllhalden werden uns heute gefühlte tausend Nuancen «Grün» geboten. Um das Urwaldfeeling zu perfektionieren, hat Petrus zudem für feucht-warme Temperaturen und durchziehende Regenschauer gesorgt. Uns bleibt an diesem Tag somit nichts erspart – aber genau das macht diese Etappe so magisch. Dank zahlreichen Informationstafeln mit Erläuterungen zu historischen Bauten nehmen wir unterwegs viel Wissenswertes zum Tal und seinen Bewohnern mit.

Wir staunen ab den liebevoll und sorgfältig restaurierten Kleinsiedlungen und lassen uns natürlich auch das Highlight im Tal – die Cascata di Foroglio nicht entgehen. Schade finde ich einzig, dass unseren Beobachtungen nach die Mehrheit der Touristen nicht die wunderschönen Wanderwege im Tal nutzt, sondern lieber mit dem Auto direkt nach Foroglio düsen und dort maximal die 500 Meter zum Wasserfall und retour marschiert. Man muss ja nicht gleich den ganzen Sentiero Cristallina erwandern, sondern könnte sich auch einfach die dritte Etappe von S. Carlo bis nach Bignasco als gemütliche Tageswanderung zu Gemüte führen.

Sentiero Cristallina Etappe 3
Wanderwege im Val Bavona
Foroglio Val Bavona
Wasserfall bei Foroglio
Wanderwege im Val Bavona
Hängebrücke Val Bavona

Wir lassen Foroglio und den unerwarteten Menschenauflauf hinter uns und tauchen erneut ins grüne Blätterdach ein. Zwei Stunden später erreichen wir nach 39 Kilometern das Ziel unserer dreitägigen Wanderung entlang dem Sentiero Cristallina: die Bushaltestelle Bignasco Posta. Was uns an dieser Mehrtageswanderung besonders gefallen hat, ist ihre Variabilität und auch Flexibilität hinsichtlich Routenführung und Etappenlänge. Jedem bietet sich somit die Möglichkeit, den Sentiero Cristallina seinen Präferenzen entsprechend zu adaptieren.

Eckdaten der 3. Etappe S. Carlo – Bignasco (inkl. Cascata di Foroglio)

AusgangspunktTalstation Seilbahn Robiei – S. Carlo
Länge15 Kilometer
Höhenmeter↗ 403 m ↘ 1’005 m
Dauer4:25 h
ZielortBushaltestelle Bignasco, Posta

Praktische Tipps für deine Wanderung auf dem Sentiero Cristallina

  • Bei unserer Variation des Sentiero Cristallina sind in drei Tagen insgesamt 39 Kilometer zu Fuss zu absolvieren. Die drei Tagesetappen sind ähnlich lang, wobei die letzte Etappe (Val Bavona) die Längste ist, aber am wenigsten Steigung aufweist.
  • Es handelt sich grossmehrheitlich um weiss-rot-weiss markierte Bergwanderwege. Ein Abschnitt ist weiss-blau-weiss markiert. Auf der zweiten Etappe ist zudem Trittsicherheit als auch Schwindelfreiheit (keine Angst vor abschüssigen Stellen) gefordert.
  • Die Seilbahn Airolo-Pesciüm fährt in der Sommersaison von Ende Juni bis Mitte Oktober (alle 30 Minuten).
    Zu den aktuellen Fahrplan- und Ticketinformationen
  • In der Capanna Cristallina kostet die Übernachtung für Erwachsene ab 22 Jahre inkl. Halbpension 80 CHF, SAC-Mitglieder erhalten 10 CHF Reduktion (Preisstand 2020). Die Schlafplätze können online reserviert werden.
  • Im Albergo-Ristorante Robiei (Partnerlink) kostet das Doppelzimmer mit Dusche 128 CHF (Preisstand 2020). Die Zimmer lassen sich über Booking stornierbar reservieren (was einem bei schlechtem Wetter die nötige Flexibilität bietet).
  • Bei der 3. Etappe durchs Val Bavona lohnt es sich, einen Zwischenstopp im Ristorante La Froda in Foroglio einzuplanen. Das Restaurant ist Slow Food Mitglied und serviert typische, lokale Gerichte. Es empfiehlt sich aber, an schönen Wochenenden, die Mittagszeit zu meiden, – durch die zahlreichen Ausflügler, die hier mal eben schnell was trinken möchten, geht der Slow Food Gedanke leider unter.
Über den Autor

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Hallo ich bin Anita, leidenschaftliche Weltenbummlerin und Hobby-Fotografin. Ich liebe es, neue Flecken auf unserer wunderbaren Welt zu entdecken. Dabei gilt, das Abenteuer beginnt direkt vor der Haustür! So bin ich nicht nur in exotischen Ländern sondern auch oft in der Schweiz unterwegs.
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