Zwei Jahre liegt unser letzter Besuch im winterlichen Grindelwald zurück. Damals konnten wir eine eigentlich fix eingeplante Aktivität mangels Schnees nicht umsetzen: die Schlittenabfahrt vom Faulhorn. Doch aufgeschoben ist nicht aufgehoben – und so machte ich mich Ende Januar gemeinsam mit meiner Schwester ein weiteres Mal auf den Weg ins Berner Oberland. Nebst der diesmal offenen und bestens präparierten längsten Schlittelpiste der Alpen erwartete uns mitten im alten Dorfkern Grindelwalds neuestes Hotel Bijou.
Hotel Glacier: alte Dame aufgemöbelt
Als das Hotel Glacier Mitte des 19. Jahrhunderts als eines der ersten Hotels in Grindelwald erbaut wurde, reichte der Untere Grindelwaldgletscher noch bis ins Tal hinunter. Das Gletschereis wurde damals in Handarbeit abgetragen und zu Kühlzwecken auf dem Endweg Richtung Interlaken transportiert. Die einzige für Pferdefuhrwerken befahrbare Strasse von Interlaken nach Grindelwald endete zu der Zeit vor dem Hotel Glacier und so gehörten die Eisarbeiter mit zu den ersten Gästen des Hauses.
Rund 150 Jahre sind seither vergangenen und die Gletscher haben sich weit in die Anhöhen zurückgezogen. Nicht verändert hat sich die imposante Bergkulisse mit dem Eiger als Anziehungsmagnet. 2017 haben Justine und Jan Pyott das Hotel und Restaurant Glacier erworben und während einer intensiven Umbauphase die Räumlichkeiten den heutigen Bedürfnissen sowie einem 4-Sterne-Standard angepasst. Als Grundlage für die Neugestaltung haben die beiden die Historie des Hauses sorgfältig zusammengetragen und daraus die Geschichten rund um den Gletscher und die Eisarbeiter zur Leitidee für die Neugestaltung abgeleitet. Mit Unterstützung der Innenarchitektin Francesca Alder-Schweizer ist den beiden gelungen, aus den teils angestaubten Räumen ein richtig lässiges Ambiente zu schaffen. Es dominieren Blautöne und Erdfarben – trotz der Anspielung auf die kühle Gletscherwelt, resultiert so eine warme Umgebung. Bemerkenswert ist die Detailliebe: Die Lampen im Restaurant erscheinen wie Eiskristalle und hier und dort finden sich alte Gerätschaften der Eisarbeiter.
Die total 28 Zimmer und Suiten verteilen sich auf sieben Kategorien. Wir nächtigen im Eigersicht Zimmer, das – wie es der Name verspricht – einen phänomenalen Ausblick auf die Eigernordwand bietet. In den Zimmern finden sich alle Annehmlichkeiten von gut platzierten Steckdosen über Wasserkocher bis hin zu Kosmetikprodukten von Rituals (sehr zur Freude meiner Schwester).
Justine und Jan Pyott haben dem Hotel Glacier nicht nur ein frisches Erscheinungsbild verpasst, sondern mit Jonas Messer auch einen ambitionierten Küchenchef mit an Bord geholt. Aktuell wird in der Küche an einem exquisiten Mehrgangmenü getüftelt. Bis dies spruchreif ist, bietet die reguläre Menükarte ebenfalls einige Highlights, wie die Alpentapas (perfekt, um zu zweit vor dem Dinner ausgiebig zu «apérölä» ), das Alpen-Eglifilet oder der 24h gegarte Oberländer Schweinebauch. Sehr zu empfehlen sind auch die pikanten Tatarvariationen und der Kalbs-Burger. Pluspunkte gibt’s von meiner Seite für die Möglichkeit, alle Weine glasweise zu probieren – Coravin sei Dank!
Schlitteln in Grindelwald zum Ersten: Schlittelweg Faulhorn
Schnee war bei unserem diesjährigen Besuch ausreichend vorhanden. Sorgen bereitete uns einzig das Wetter – es war nämlich sowohl für den Samstag als auch den Sonntag eine ziemlich trübe Wetterlage vorhergesagt. Doch bevor wir uns um die Witterung kümmern, widmen wir uns dem Frühstücksbuffet im Hotel Glacier. Dies enthält alle nötigen Zutaten, damit wir das Unterhaben «Faulhorn» gestärkt in Angriff nehmen können.
Wir haben früher die Schlittenabfahrt vom Faulhorn traditionell als Familienausflug an Silvester oder am 1. Januar unternommen. Ich erinnere mich vage daran, wie ich bei der letzten Ansteigung jedes Mal wie ein Rohrspatz schimpfte. Um in den Genuss von der 15 Kilometer langen Schlittelabfahrt vom Faulhorn nach Grindelwald zu kommen, ist nämlich eigene Muskelkraft gefragt. Hier chauffiert einem weder ein Seilbähnli, noch ein Postauto hoch – und genau das macht den Reiz dieses Ausfluges aus. Startpunkt für die Schlittenwanderung aufs Faulhorn ist die Bergstation First. Wer keinen eigenen Schlitten von zu Hause mitnimmt, der kann hier beim Intersport-Geschäft einen Schlitten mieten. Die Tagesmiete für eine Rodel beträgt 15 CHF. Unmittelbar hinter dem Sportgeschäft startet der rund zweistündige, ausgeschilderte Aufstieg bis zum Faulhorn – und ja, den Schlitten müsst ihr selbst hinter euch herziehen.
Bevor wir den Aufstieg in Angriff nehmen, unternehmen wir einen kurzen Rundgang über den First Cliff Walk. Der schwindelerregend angelegte Gipfelrundgang auf der First ist definitiv eine Extrarunde wert.
Während sich das Wetter beim Wanderstart auf der First noch von seiner trüben Seite präsentiert, lockert sich die Wolkenschicht je weiter wir Richtung Faulhorn voranschreiten. Ob wir heute noch die Sonne sehen werden? Nach einem ersten knackigen Anstieg folgt der Wanderweg mehrheitlich dem Ufer des zugefrorenen Bachalpsees. Einige kurze Abschnitte lassen sich sogar «erschlitteln».
Die Schlittenabfahrt Richtung Bussalp startet rund 100 Höhenmeter unterhalb des Faulhorns. Die bereits absolvierten 460 Höhenmeter machen sich in unseren Waden bemerkbar. Trotzdem entscheiden wir, bis zum Gipfel durchzubeissen… vielleicht hat das Berghotel Faulhorn ja auch im Winter geöffnet. Ein etwas zu optimistischer Gedanke. Und so wird unser Effort zwar nicht mit einer heissen Suppe, dafür aber mit einem gigantisch schönen Blick übers Nebelmeer belohnt. Wow!
Die darauffolgende rasante Abfahrt ist nach diesem tollen Gipfelmoment eigentlich nur noch Zugabe. Wobei wir irritiert sind, dass zahlreiche Leute auch von der Bussalp her Richtung Faulhorn aufsteigen und so den Schlittelspass beeinträchtigen. Ich würde da ein schlaues Wegleitsystem einführen.
World Snow Festival Grindelwald
Zurück im Hotel Glacier genehmigen wir uns eine Nachmittagsnascherei und erkunden danach den Wellnessbereich. Dieser ist klein, aber fein. Unser Lieblingsort ist der Outdoor-Whirlpool mit Bergblick. Perfekt, um die müden Muskeln einmal warm durchzusprudeln. Im Anschluss spazieren wir ins Zentrum. Unser Aufenthalt deckt sich mit dem Ende des jährlich stattfindenden World Snow Festivals. Jeweils als Abschluss der Woche, während der die internationalen EisskulpturenbauerInnen ihre Kunstwerke aus dem Schnee erschaffen, sind die Kunstwerke an zwei Abenden bunt beleuchtet.
Schlitteln in Grindelwald zum Zweiten: Eiger Run
Ursprünglich lautet unser Plan: einen Tag Schlitteln, einen Tag Skifahren. Das unsichere Wetter hält uns aber davon ab, Skis zu mieten. Stattdessen entscheiden wir uns am Sonntagmorgen spontan für eine zweite Kombination aus Wandern und Schlitteln – nur, dass wir diesmal die Wanderung ohne Schlitten absolvieren. Nebst der Faulhorn-Schlittenabfahrt hat Grindelwald nämlich noch eine zweite tolle Schlittelstrecke im Angebot. Der Eiger Run startet auf der kleinen Scheidegg und führt bis nach Grindelwald Grund. Der spannendste Part dieser Schlittelstrecke befindet sich zwischen Alpiglen und Brandegg.
Um einige der am Vorabend angefutterten Kalorien im Hotel Glacier abzutrainieren, schlitteln wir nicht direkt los, sondern wandern zuerst von der Männlichen auf die Kleine Scheidegg. Ich habe diese Wanderung bereits im Sommer unternommen und hatte mich auf eine easypeasy Winterwanderung eingestellt. Doch nichts da – der Winterwanderweg wartet mit bedeutend mehr Höhenmeter auf, als die Sommerversion. Nach rund zwei Stunden erreichen wir die Kleine Scheidegg und mieten uns dort zwei Schlitten bei Wyss Sport (mit für Grindelwaldner-Verhältnisse extrem freundlicher Bedienung: chapeau!). Von dort folgen wir dem Eiger Run talwärts. Die Faulhorn-Abfahrt ist definitiv ausser Konkurrenz, aber wenn ihr zwischen Bussalp und Eiger Run hin- und herüberlegt ist die Wahl für mich sonnenklar: Macht den Eiger Run! Hier kommt euch kein Busshuttle in die Quere – die Höhenmeter werden mit dem Zug überwunden.
Weitere Wintertipps für Grindelwald
- Das Hotel Glacier hat nahezu ganzjährig geöffnet. Die Zimmerpreise variieren je nach Saison. Die Übernachtung im Eigersicht Zimmer gibt es ab 285 CHF. Aktuelle Preisinformationen könnt ihr hier abfragen: Zimmerübersicht Hotel Glacier
- Fürs Schlitteln hat Grindelwald zwei verschiedene Tageskarten im Angebot: Die Schlitteltageskarte Kleine Scheidegg sowie die Schlitteltageskarte Grindelwald-First. Die Kosten hierfür betragen 35 CHF für Erwachsene. Die Schlitteltageskarte Bussalp wird durch Grindelwald Bus vertrieben und kostet 47 CHF (Die Skipässe sind auf dieser Strecke nicht gültig). Wer vom Faulhorn bis zur Bushaltestelle Gaggi Säge runter schlittelt kann von dort den Ortsbus nehmen (dieser ist mit der Gästekarte kostenlos).
- Abseits der Schlittelwege kann ich auch den Eiger Schneeschuhtrail empfehlen. Dieser startet bei der Mittelstation der Männlichenbahn Hohlenstein und führt nach Brandegg.
- Ebenfalls sehr schön ist der Panorama Trail Grindelwald – dieser führt von der Bussalp Richtung Bort und ist sowohl mit den Schneeschuhen oder mit dem Schlitten machbar. Am Ziel lohnt sich die Einkehr in der «Schyr».
- Und falls ihr mehrere Tage in Grindelwald unterwegs seid und noch eine Restaurantalternative zum Hotel Glacier sucht, dann macht doch einen Abstecher ins Café 3692 (Terrassenweg 61).
Hinweis: unser Aufenthalt in Grindelwald wurde vom Hotel Glacier und von Grindelwald Tourismus unterstützt. Alle Eindrücke und Meinungen sind wie immer die unseren.
Was für ein tolles Hotel mit was für einem tollen Ausblick!
Und bei den Winterlandschaften geht mir sowieso das Herz auf!