-Dieser Beitrag enthält Werbung für die Schweizer Berghilfe-
Gemessen am freundlichen «Bongiorno», das uns am frühen Samstagmorgen in Braggio entgegenschallt, und den steinernen Rustici am Wegrand könnte man meinen, dass wir im Tessin oder Piemont unterwegs sind. Doch dem ist nicht so. Das schmale, steile Calancatal gehört politisch zum Kanton Graubünden, bildet aber als einer von vier italienisch sprachigen Kantonsteilen eine kulturelle Brücke Richtung Süden. Eine wunderschöne Gegend, die definitiv nicht zu den Mainstream-Ausflugszielen zählt. Und genau das macht den Reiz des Tales aus.
Calancatal – Wunderschön abgelegen
Zufällig verirrt sich kaum jemand ins Calancatal. Wer aber den Weg dorthin bewusst in Kauf nimmt, wird nicht enttäuscht. Den Impuls für einen Ausflug dorthin gab mir die Berghilfe Trophy der Schweizer Berghilfe. Im Rahmen meiner Zusammenarbeit mit der Schweizer Berghilfe besuchte ich diesen Sommer drei der 44 Projekte, die Teil der Trophy sind. Nebst der Hängebrücke Leiternweide im Simmental und dem Sentier Pieds Nus im Jura wählte ich als drittes Projekt die «Osteria Landarenca» im Calancatal. Bekanntlich tun wir ja nichts lieber, als eine schöne Wanderung mit einem feinen Einkehrstopp zu verbinden. Und bei solchen Vorlieben ist die Osteria Landarenca im unteren Calancatal das perfekte Ausflugsziel.
Wer das Calancatal einmal auf dem Radar hat, stellt fest, dass die Anreise weniger kompliziert ist, als gedacht. Wir fahren mit dem Zug bis Bellinzona, nehmen dort das Postauto Richtung Grono, steigen an der Haltestelle «Grono, Bivio Calanca» aus und warten dort den Postautoanschluss ins Calancatal ab. Ab Zürich dauert die Anreise bis nach Arvigo etwas mehr als 2,5 Stunden. Während der Talboden noch im Schatten liegt, lassen die Sonnenstrahlen die Hänge weiter oben an den Bergflanken golden schimmern. Genau dort hinauf wollen wir, und da heute der genussvolle Aspekt im Vordergrund liegt, nutzen wir die Seilbahnverbindung Arvigo-Braggio, um Höhenmeter einzusparen. Wobei unser Vorhaben fast scheitert. Der Ticketautomat der auf Knopfdruck vollautomatisch betriebenen Seilbahn akzeptiert nämlich nur Münz, 10er und 20er Noten. In meinem Portemonnaie findet sich jedoch nur ein Einfränkler sowie eine 50er Note. Zum Glück ist einer der für die Seilbahn zuständigen Personen vor Ort und kann mir Geld wechseln. Glück gehabt!
Kurz nach 9 Uhr erreichen wir das autofreie Bergdorf Braggio und folgen dem Wegweiser steil bergwärts nach Mondent.
Hier verschnaufen wir kurz und geniessen den Ausblick auf die kargen Gipfelspitzen und die verstreuten, auf dem Sonnenplateau liegenden, Weilern. Auf den kurzen, knackigen Anstieg folgt ein eben verlaufender Höhenweg, dem wir Richtung Selma folgen. Hoch oberhalb von Selma stehen wir unserem Ziel für den Mittagsstopp – Landarenca – genau gegenüber. Eine Hängebrücke wäre schampar praktisch, denke ich in diesem Moment. Mangels dieser werden unsere Knie auf dem steilen Abstieg nach Selma hinunter gefordert.
Osteria Landarenca – Eine Beiz für mehr Leben im Dorf
Während wir auf der ersten Etappe von Braggio bis nach Selma unterwegs niemandem begegneten, hat sich vor der Seilbahnstation in Selma bereits eine kleine Schlange gebildet. Offenbar sind wir nicht die Einzigen, die dem Ruf der guten Hausmannskoste nach Landarenca folgt. Das kleine Bergdorf sieht sich mit einem zunehmenden Bevölkerungsschwund konfrontiert. Einst zählte das Dorf über 100 Einwohner. Heute sind es an Wochentagen noch etwas mehr als ein Dutzend. Noemi Negretti und Valentino Borgonovo tragen mit ihrer Osteria dazu bei, das die Einheimischen weiterhin einen Treffpunkt haben und sich Landarenca an den Wochenenden mit Leben füllt. Die einfache aber gute Küche sowie die Herzlichkeit der Gastgeber hat sich schnell herumgesprochen. Dementsprechend ist eine vorgängige Reservation für einen garantierten Platz auf der Sonnenterrasse empfehlenswert.
Eine Karte gibt es nicht. Noemi und Valentino kochen alles frisch mit Zutaten, die vor Ort verfügbar sind. Dazu gehört, dass vorab ungefragt etwas Kleines zum Knabbern aufgetischt wird. Zum «Aperitivo» stossen wir mit einem Glas Wein auf diese herrliche Genusswanderung an. Unterwegs hatten wir den Eindruck, dass sich das Tal eher Richtung Bellinzona als Richtung Chur orientiert. Die Weine auf der Karte bestätigen meine Vermutung. Bei den im Offenausschank verfügbaren Weine (Chardonnay und Merlot) handelt es sich um Tessiner Tropfen. Bei den Flaschenweinen findet sich nebst Tessinern und Italienern ein Rotwein aus dem Misox.
An diesem Samstag beinhaltet das dreigängige Mittagsmenü eine Salatschüssel (mit Blattsalat aus einem der Gärten in Landarenca) und ein sämiges Pilzrisotto, bei dem man die Liebe bei der Zubereitung mit jedem Biss spürt. Als Nachtisch wird ein hausgemachtes halbgefrorenes Nekatrinen-Parfait serviert. Göttlich!
Talwärts nach Arvigo
Wer in der Osteria Landarenca einkehrt, der sollte genügend Zeit mitbringen. An geschäftigen Samstagen – wie wir einen erwischen – kann sich das Mittagessen in die Länge ziehen. Gegen 14:00 Uhr nehmen wir die zweite Etappe unserer Rundwanderung im unteren Calancatal in Angriff. Direkt nach der Osteria führt der Wanderweg bei den Gärten vorbei, von denen das Gastgeberpaar jeweils das frische Gemüse bezieht. Rund 50 m weiter befindet sich der wohl beste Fotospot, um den pittoresken Dorfkern von Landarenca mit der Kamera einzufangen.
Von Landarenca folgen wir dem schmalen Pfad bis nach Arvigo hinunter. Ein kurzweiliger Streckenabschnitt, der auf gut 2 Kilometer mehrheitlich mit sanften Gefälle dem Verlauf der Höhenlinien folgt. Erst auf Höhe Arvigo folgt der steile Abstieg in die Talsohle. Dank zahlreicher Treppen ist dieser Abschnitt jedoch deutlich angenehmer zu laufen, als derjenige Richtung Selma.
Abkühlung in der Calancasca
Die Wartezeit aufs nächste Postauto überbrückt man am besten am Ufer der Calancasca. Direkt unter der steinernen Brücke vis-à-vis der Haltestelle Arvigo Paese befindet sich eine natürliche «Badewanne». Die Mutigen springen hier zur Erfrischung ins eisig kalte Wasser – ich hingegen dippe nur kurz meine Füsse ins kühle Nass.
Praktische Infos zur Rundwanderung «unteres Calancatal»
Wir haben die Rundwanderung durchs untere Calancatal im autofreien Bergdorf Braggio gestartet. Von dort sind wir 5,3 Kilometer nach Selma gewandert. Da es sich bei unserer Version um eine Genusswanderung handelt, haben wir die anschliessenden 350 Höhenmeter von Selma hinauf nach Landarenca bequem mit der Seilbahn überwunden. Die Streckenlänge unserer Version der Wanderung beträgt gesamthaft 8 Kilometer mit einer Steigung von 300 Höhenmeter und einem Gefälle von 1’100 Höhenmeter. Den Routenverlauf könnt ihr nachfolgender Karte entnehmen.
Den Ausgangspunkt der Wanderung erreicht ihr ab Bellinzona mit dem Postauto. Bei der Station «Arvigo Filovia» müsst ihr aussteigen und beim Selbstbedienungsautomaten der Seilbahnstation Arvigo-Braggio euer Ticket lösen (Achtung: Automat nimmt nur Bargeld – Münz bereithalten). Eine einfache Fahrt kostet für Erwachsene 4 CHF. Die Seilbahn ist durchgehend in Betrieb.
Falls ihr einen Zwischenhalt in der Osteria Landarenca einplant, solltet ihr unbedingt die saisonalen Öffnungszeiten beachten und vorher telefonisch reservieren.
Infos zur Berghilfe Trophy
In diesem Jahr präsentiert die Schweizer Berghilfe 44 quer in der Schweiz verteilte Projekte, die dank der Berghilfe realisiert werden konnten. Wer drei Projekte besucht, den jeweiligen Code findet und ihn auf der Website der Schweizer Berghilfe eingibt, kann mit etwas Glück tolle Preise gewinnen. Alle Infos zur Trophy sowie den 44 Projekten findet ihr auf der Website der Schweizer Berghilfe.
Hinweis: Im Rahmen einer Zusammenarbeit mit der Schweizer Berghilfe besuche ich diesen Sommer drei verschiedene von der Berghilfe unterstützte Projekte und stelle euch diese hier auf dem Blog vor.
Wie es der Zufall will, waren wir Ende August in Augio, Hotel La Cascata, für ein Wochenende und haben am Sonntag die gleiche Wanderung gemacht. Tolles Tal um Slow Food und die Tage zu geniessen. Die Zeit steht einfach still.
Habe vor gut einem Jahr vis a vis von der Seilbahnstation ein Chalet erworben.Habe das Calancatal vorher noch nicht gekannt.Geniesse jede freie n Tag in der Stille und Natur!