Kamelkarawanen, betörende Gewürznoten, wertvolle Seidenstoffe und prunkvolle Oasenstädte; mit der Seidenstrasse verbinde ich einen Hauch Exotik und eine Reise zu faszinierenden antiken Stätten zwischen China und Europa. Und genau diese ehemals bedeutende Handelsroute mit historischem Startpunkt in Xian steht im Fokus der letzten Reiseetappe unserer sechsmonatigen Reise. Unser Timing ist ideal. China hat in den letzten Jahren «Gas» gegeben und unter dem Titel «Neue Seidenstrasse» ein gigantisches Infrastrukturprojekt vorangetrieben. Ein idealer Zeitpunkt, um die geschichtsträchtigen Orte der Seidenstrasse zu besichtigen.
Der Ausbau der Bahntrassen sowie des Strassennetzes zwischen China und Europa dient in erster Linie der chinesischen Exportindustrie. Gleichzeitig kurbelt China hiermit aber auch den inländischen Tourismus an. Für viele Han-Chinesen ist eine Reise in die nordwestliche autonome Provinz Xinjiang vergleichbar mit einer Reise ins ferne Ausland, wie uns einer unserer Reiseleiter unterwegs verrät. Auch für uns hält diese Reise viel Spannendes bereit.
Xian: Das Tor zur Seidenstrasse
Ausgangspunkt unserer gut sechswöchigen Reise entlang der Seidenstrasse von China über Kirgistan und Kasachstan bis nach Usbekistan ist Chinas alte Hauptstadt Xian. Xian ist nicht nur das Tor zur Seidenstrasse, sondern dank der berühmten Terrakotta-Armee fixer Bestandteil zahlreicher klassischer China-Rundreisen. Bei der Organisation dieser letzten Reiseetappe haben uns die Schweizer Reisespezialisten Globotrain und Globotrek mit ihrem Know-how unterstützt. Als Grundlage für die Planung unserer China-Reiseroute diente mir der Globotrain Reisevorschlag «entlang der neuen Seidenstrasse durch China».
Ankunft mit dem Nachtzug
Im Hinblick auf das Projekt «Neue Seidenstrasse» hat China in den letzten Jahren viel Effort in den Ausbau der Schieneninfrastruktur gelegt. Gleichzeitig hat China in die Entwicklung von Hochgeschwindigkeitszügen investiert. Das Resultat: ein über 7’000 km langes Hochgeschwindigkeitsnetz, auf dem seit 2017 chinesisches Rollmaterial unterwegs ist. Die gesamte Strecke von Peking bis nach Ürümqi ist entsprechend ausgebaut, was die Reisezeiten gegenüber früher stark verkürzt. Ausgehend von Peking ist man mit dem Schnellzug in gut 4,5 Stunden in Xian.
Um etwas mehr Zeit in Xian zur Verfügung zu haben, entscheiden wir uns gegen den Schnellzug und nehmen stattdessen den Nachtzug. Der lokale Partner von Globotrain hat uns im Vorfeld die entsprechenden Tickets besorgt und im 4er-Abteil der Softklasse die zwei unteren Betten reserviert. Die beiden chinesischen Damen, die mit uns das Abteil teilen, sind über diese Platzverteilung wenig begeistert und versuchen uns zu einem Wechsel zu überreden. Da aber die Tickets für die unteren Betten teurer sind und es uns dort – solange wir noch nicht schlafen – gemütlicher scheint, lassen wir uns nicht auf diesen Deal ein. Unsere beiden Nachbarinnen richten sich somit auf den Klappsitzen im Gang ein und tippen dort bis spät in die Nacht energisch auf ihren Laptops herum. Insgesamt ist unsere erste Nachtzugfahrt in China angenehm ruhig und mit einem tiefen Schlaf fast so schnell vorbei, als wären wir mit dem Schnellzug von Peking nach Xi’an gedüst. Trotz Schnellzugverbindung war unser Nachtzug übrigens bis auf den letzten Platz ausgebucht!
Xian auf eigene Faust entdecken
Am Eingang zum Bahnhof Xian erwartet uns bereits unsere deutschsprachige Reiseleiterin, die uns ins Hotel begleitet und die Formalitäten erledigt. Für uns natürlich äusserst komfortabel. Direkt nach dem Einchecken verabschiedet sie sich aber auch schon wieder. Heute steht das individuelle Erkunden von Xi’an auf dem Reiseprogramm, während für den zweiten Reisetag eine Stadtführung sowie einen Ausflug zur Terrakota-Armee gemeinsam mit unserer Reiseleiterin geplant ist. Für uns eine super Kombination. So haben wir die Gelegenheit, uns zuerst einen eigenen Eindruck von Xi’an zu verschaffen und danach ergänzend dazu Fakten und Wissenswertes durch die lokale Reiseleiterin vermittelt zu bekommen.
Grosse Wildganspagode |
Unser Hotel befindet sich mitten im Zentrum von Xian gegenüber dem Glockenturm. Die perfekte Lage, um das Gebiet innerhalb der historischen Stadtmauern zu Fuss zu erkunden. Wir beabsichtigen, uns als Erstes aber eines der Wahrzeichen von Xi’an anzuschauen, das sich weiter südlich ausserhalb der Stadtmauer befindet. Nach einigem Hin und Her finden wir die Busstation, die von der Busnummer 609 bedient wird, welche vom Zentrum Richtung Grosse Wildganspagode fährt. Der Eintritt zur Tempelanlage kostet 100 Yuan. Wer die Aussicht vom 7. Stock der Pagode geniessen möchte, zahlt 60 Yuan extra. Ich finde, es lohnt sich!
Nudelplausch |
Ohne richtiges Frühstück nach der Fahrt mit dem Nachtzug knurrt uns nun der Magen. Zum Glück befindet sich in der Nähe zur Grossen Wildganspagode einen Ableger von «First Noodle under the Sun». Xi’an ist für seine Nudelgerichte bekannt und in dieser lokalen Restaurantkette gibt es die famosen Biang Biang Nudeln. Unbedingt ausprobieren – die Bedienung versteht (mit Glück) ein bisschen Englisch.
Der Stelenwald von Xian |
Eine weitere interessante Sehenswürdigkeit in Xian ist das Stelenwaldmuseum, das sich in einer konfuzianischen Tempelanlage unweit des südlichen Tors der Stadtmauer befindet. Die Ausstellung besteht aus diversen Steintafeln, auf denen konfuzianische Klassiker sowie bedeutende kalligrafische Werke eingemeisselt sind. Ich fand insbesondere diejenigen Stelen spannend, die die alten chinesischen Zeichen den neueren vereinfachten Schriftzeichen gegenüberstellen. Informationen und Erläuterungen auf Englisch sind leider nur spärlich vorhanden.
Das muslimische Viertel |
Gegen den frühen Abend begeben wir uns ins muslimische Viertel, das direkt hinter dem Trommelturm beginnt und somit zentrumsnah liegt. Beim Bummel durch die Hauptgasse, an dessen Rändern sich ein Essensstand an den anderen reiht, bekommen wir einen ersten Eindruck der kulturellen Vielfalt, die uns bei der anstehenden Reise entlang der Seidenstrasse erwarten wird. Dazu gehören auch die Küche und Bräuche der muslimischen Bevölkerungsgruppen wie die Hui-Chinesen sowie die Uiguren. Nebst vielen Köstlichkeiten gibt es im muslimischen Viertel auch noch eine besondere Moschee zu entdecken. Die Grosse Moschee versteckt sich hinter hohen Mauern an der 30 Huajue Lane und überrascht mit einer spannenden architektonischen Kombination aus traditionellen chinesischen Elementen sowie islamischer Kunst. Der kurze Rundgang durch die Anlage fand ich äusserst spannend (Eintrittskosten pro Person 50 Yuan).
Lichterspektakel |
Direkt nach dem Eindunkeln steuern wir den Trommelturm an. Sowohl der Glockenturm als auch der Trommelturm sind gegen eine Eintrittsgebühr (Eintrittskosten Trommelturm 70 Yuan) zugänglich und bieten während der Blue Hour einen fantastischen Überblick über das bunt beleuchtete Zentrum von Xian.
Nicht weit vom Trommelturm entfernt besteht die Möglichkeit, eine weitere Spezialität von Xian zu kosten: Das Fleisch-Sandwich Roujiamo. Das ist quasi einfach mit gekochtem Schweinefleisch gefülltes Fladenbrot und schmeckt (sofern man Fleisch isst/mag) sehr lecker. Ihr findet diese Spezialität zum Beispiel im Fanji Lazhi Rou Jia Mo in knapp 10 Minuten Gehdistanz vom Trommelturm an der Zhubashi-Straße Nr. 53.
Ausflug zur Terrakota Armee
Am nächsten Morgen geht’s gemeinsam mit unserer lokalen Reiseleiterin sowie einem Fahrer ins 35 km entfernte Lington. Hier befindet sich das Mausoleum Qin Shihuangdis mit der beeindruckenden Terrakotta-Armee. Der Morgenverkehr ist weniger zähflüssig als erwartet und so erreichen wir die Kleinstadt nördlich von Xi’an zügig. Bevor wir uns die Grabanlagen anschauen, stoppen wir bei einer staatlichen Fabrik, die Replikate der Terrakotta-Figuren herstellt. Für uns schien es so, dass der Stopp in dieser staatlichen Fabrik den ebenfalls staatlichen Reiseveranstaltern vorgeschrieben wird. Der Rundgang durch den «Showroom» der Fabrik sowie der anschliessende «Pflichtaufenthalt» im Verkaufsgeschäft waren aber kurzweilig und gar nicht mal so unspannend.
Nach dieser – wie ich vermute – staatlich verordneten Stippvisite erreichen wir das Grabgelände des ersten Kaisers der Qin-Dynastie Qin Shi Huang Di. Aufgrund seiner rücksichtslosen Gewaltherrschaft mit Zwangsarbeit ist er eine äusserst umstrittene Figur der chinesischen Geschichte. Auch für den Bau seiner monumentalen Grabstätte auf einer Fläche von schier unglaublichen 56 km2 wurden über eine halbe Million Zwangsarbeiter eingesetzt.
Unsere Reiseleiterin führt uns pädagogisch geschickt durch die Anlage und startet mit dem Besuch der Ausstellung von Streitwagen und antiker Waffen, die ebenfalls zu den bedeutenden Ausgrabungsgegenständen zählen. Danach schauen wir uns die Ausgrabungshallen 2 und 3 an, wo die Restaurierungsarbeiten noch nicht abgeschlossen sind. Die Besichtigung dieser Hallen zeigt eindrücklich, wie der Fundzustand der Gruben ist und wie viel Arbeit danach in die Restaurierung der Figuren gesteckt wird. Den meisten Figuren fehlen Köpfe sowie Gliedmassen, die in vielen Arbeitsschritten «zusammengeflickt» werden. Unser Rundgang endet in der grössten und beeindruckendsten der drei Ausstellungshallen – Halle 1. Hier stehen fast 2’000 restaurierte lebensgrosse Figuren in Reih und Glied und wir staunen ab den Details; Die feinen Gesichtszüge, die unterschiedlichen Kopfbedeckungen und die eine oder andere überraschende Mimik. Im Original waren die Figuren bemalt. An einigen wenigen Figuren sind noch Farbreste auszumachen, was sie noch «lebensechter» scheinen lässt. Aktuell wird geforscht, mit welchen Methoden sich die Farbe bei weiteren Ausgrabungen konservieren lässt – es bleibt spannend, ob bald weitere Ausgrabungshallen folgen.
Wer nicht wie wir mit einem über einen Reiseveranstalter organisierten Reiseleiter/Fahrer unterwegs ist, der findet rund um den Bahnhof Xi’an diverse Buslinien, die die Strecke Xian Zentrum – Terrakotta-Armee Museum bedienen. Mit der «Turist Bus Line 5» Verbindung dauert die Fahrt rund eine Stunde.
Einmal rund um die Altstadt radeln
Ein weiterer Höhepunkt von Xian ist die antike Stadtmauer, welche die gesamte Altstadt umzieht. Auch Xian ist nicht vor dem chinesischen Bauboom gefeit und links und rechts der Stadtmauer dominieren schmucklose Hochhausbauten das Stadtbild. Der Grüngürtel mit der vollständig erhaltenen Stadtmauer verleiht Xian jedoch seine Einzigartigkeit. Einmalig ist auch die Gelegenheit, 12 autofreie Kilometer rund um den Stadtkern einer chinesischen Grosstadt zu radeln. Wir haben beim Südtor gegen eine Gebühr von 90 Yuan zu zweit ein Tandem gemietet und sind in gut 1,5 Stunden auf der massiven Stadtmauer einmal rundherum gefahren. Ein absolut empfehlenswertes Erlebnis. So haben wir Xian nochmals aus einer ganz neuen Perspektive kennengelernt.
Hinweis: Diese Reiseetappe wurde von Globotrain unterstützt. Alle Meinungen und Eindrücke sind wie immer die unseren.