Kyoto gehört als fixer Programmpunkt in eine «Japan-für-Einsteiger» Reiseroute; auch bei uns. Nach sechs vollgepackten Tagen in Tokyo, unternahmen wir zuerst einen Abstecher in die japanischen Alpen. Fernab des Grossstadttrubels tankten wir dort für die nächsten intensiven Tage in Kyoto und Osaka frische Energie. Ein weiser Entscheid. Kyoto bietet nämlich so viele spannende Sehenswürdigkeiten, dass schon der Entscheidungsprozess zur Tortur werden kann. Um euch vor dem «Tempelstress» zu bewahren, zeige ich in diesem Blogbeitrag, wie wir unser viertägiges Sightseeingprogramm in Kyoto gestaltet haben und was es nebst Tempeln und Schreinen sonst noch Spannendes zu besichtigen gibt.
Tag 1: Das historische Kyoto
Sagenhafte 17 verschiedene Orte umfasst das UNESCO-Weltkulturebe «Historisches Kyoto». Die einzelnen Objekte verteilen sich quer durch Kyoto sowie Otsu und Uji. Wer sich allein all diese Kulturgüter ansehen möchte, ist eine Weile beschäftigt. Am ersten Tag steuern wir als Erstes zwei der insgesamt 17 UNESCO-Weltkulturerbe Stätten an. Der golden schimmernde buddhistische Tempel Kinkaku-ji ist eines der Markenzeichen Kyotos und dementsprechend ist es innerhalb der Anlage proppenvoll. Jeder will sich einen guten Fotospot an vorderster Front «erkämpfen» und kaum einer schreckt vor dem gezielten Ellbogen-Einsatz zurück. Mir verleidet das hektische Treiben bald einmal und wir folgen in Trippelschritten der Masse durch die Parkanlage. Auch wenn der Tempel selbst imposant ist, war das für mich als Gesamterlebnis das Enttäuschendste in Kyoto. Hier sind anfangs April schlicht zu viele Touristen gleichzeitig unterwegs und aufgrund der Öffnungszeiten kann man den Massen kaum ausweichen.
Unweit des Kinkaku-ji, ebenfalls am nordwestlichen Stadtrand von Kyoto, befindet sich ein weiterer Tempel, der als Kulturerbe gelistet ist. Der Ryoan-ji ist für seinen minimalistischen Zengarten bekannt. Wir haben diesen jedoch ausgelassen und uns direkt auf den Weg zur Burg Nijo im Zentrum von Kyoto gemacht. Die Burg zählt ebenfalls zu den 17 Welterbestätten. Hier ist es deutlich weniger «voll» und der Spaziergang quer durch die Burganlage zieht sich mit allen Ecken und Schlenker überraschend in die Länge. Beim Teehaus gönnen wir uns eine kurze Pause und geniessen eine Tasse Matcha-Tee. Das lohnt sich nicht nur wegen des Tees, sondern auch wegen des Blickes in den wunderbaren japanischen Garten, der nur den Teehaus-Kunden vergönnt bleibt.
Nicht weit von der Burg Nijo entfernt liegt die weitläufige Anlage des Kaiserpalastes. Kyoto war über einen langen Zeitraum Kaiserstadt, bis das Machtzentrum Ende des 17. Jahrhunderts nach Tokyo verlegt wurde. Ich zögere zuerst, ob wir uns die Zeit für einen Rundgang über die Palastanlage nehmen sollen. In Tokyo hat’s mich nicht so beeindruckt und der Kaiserpalast Kyoto findet kaum in einer «must-do» Liste Erwähnung. Doch der Eintritt ist kostenfrei und wir stehen sowieso davor, also können wir es uns auch angucken. Ein guter Entscheid. Hier sind im Vergleich zum Kinkaku-ji kaum Touristen unterwegs und wir nutzen die Gelegenheit, uns alles in Ruhe anzusehen.
In der Zwischenzeit ist es Abend geworden. Die letzten Sonnenstrahlen des Tages wollen wir in den traditionellen Vierteln Gion und Higashiyama auskosten. Hier hat es logischerweise wieder deutlich mehr Touristen, da sich alle erhoffen, eine «echte» Geisha zu entdecken. Ich sehe auf unserem Rundgang nur zahlreiche «verkleidete» Exemplare. Sich für die Stadtbesichtigung von Kyoto (sowie anderen historischen Stätten in Japan) Kimonos zu mieten und sich darin ablichten lassen, ist offensichtlich im Trend. Witzigerweise konzentriert sich der Menschenauflauf auf einige wenige Gassen. Verlässt man diese und wagt sich links oder rechts auf Abwege, ist man plötzlich alleine unterwegs. Diskret hinter traditionellen Häuserfronten versteckt finden sich in Gion und Higashiyama zahlreiche Restaurants. Wir steuern zielstrebig das Restaurant Gion Manzara an und ergattern mit Glück ohne Reservation zwei Plätze an der Theke. Die Spezialität des Gion Manzara ist die traditionelle Hausmannskost Kyotos «Obanzai».
Tag 2: Noch mehr Tempel und Schreine
Am nächsten Morgen stehen wir zeitig auf. Kurz nach sieben Uhr in der Früh erreichen wir das Eingangstor zum Fushimi Inari-Taisha Shinto-Schrein. Der ist für seine über tausend scharlachrot leuchtender Torii bekannt und zählt wie der Kinkaku-ji Tempel zu den Hauptattraktionen von Kyoto. Der Zutritt zum Fushimi Inari-Taisha ist kostenfrei und nicht an Öffnungszeiten gebunden, was es einfacher macht, dem Haupttouristenstrom auszuweichen. Die roten Torii Bögen führen bis auf den 233 m hohen Inari-Berg hinauf, den wir uns an diesem Morgen vornehmen. Diese kurzweilige «Morgenwanderung» gehört für mich zu den schönsten Erlebnissen in Kyoto. Ganz unten treffen wir vereinzelt auf gleichgesinnte Frühaufsteher. Aber je weiter wir aufstiegen, desto einsamer wird es. Nur die Torii-Bögen, das Rascheln des Blätterdaches, Vogelgezwitscher und unsere rhythmischen Schritte. Wir benötigen für die Rundwanderung zum Berg hoch und wieder runter an den Ausgangspunkt keine zwei Stunden und erreichen – perfekt getimt – um 9.00 Uhr das leicht versteckte, empfehlenswerte Cafe Vermillion. Der ideale Frühstücksstopp nach der Fushimi Inari-Taisha Schrein Besichtigung. Auf dem Rückweg zum Bahnhof bekommen wir einen Eindruck, wie geschäftig es hier zu den «normalen» Zeiten zu und hergeht, und sind froh, dass wir den imposanten Schrein einen kurzen Moment für uns allein hatten.
Mit der Metro fahren wir von der Bahnstation Inari nach Sanjo und laufen von dort zu Fuss bis zum Nanzen-ji Tempel. Hier startet der sogenannte Philosophenweg, der am östlichen Stadtrand von Kyoto am Fusses des Berges Daimonji bis zum Ginkaku-ji Tempel führt. Eine schön angelegte Promenade, die verschiedene Tempel und Schreine miteinander verbindet und durch idyllische Quartiere führt. Besonders imponiert hat mir der Eikando Tempel (Zenrin-ji). Diese Tempelanlage gehört während der Zeit der Herbstfärbung zu den Top-Fotospots in Kyoto. Interessanterweise zieht er im Frühling kaum Leute an (zumindest bei unserem Besuch war die Gartenanlage menschenleer) und zu meinem Erstaunen geht hier die japanische Gartenkunst so weit, dass der Garten selbst im Frühling in dezenten Herbstfarben leuchtet. Für mich gehört er definitiv mit unter die schönsten Gärten, die wir auf dieser Reise gesehen haben. Am Ende des Philosophenweges sehen wir uns noch den Tempel des Silbernen Pavillon «Ginkaku-ji» mit seinem herausragenden Zengarten an.
Dann ist es höchste Zeit für eine Kaffeepause. Wer sich hier im Nordosten von Kyoto befindet, dem kann ich zwei Lokale empfehlen. Zum einen die Patisserie Tatsuhito Satoi, die sehr feine Kuchen im Angebot hat und zum anderen das hippe Akatsuki Coffee, das sich mitten in einem lässigen Wohnquartier befindet.
Nach den vielen Kilometern, die wir heute zu Fuss zurückgelegt haben, stillen Kaffee und Kuchen den Hunger jedoch nicht ausreichend. Daher legen wir noch einen Stopp beim «No Name Ramen Shop» unweit der Metrostation Sanjo ein. Das kleine Restaurant befindet sich in einem unscheinbaren Untergeschoss, ist aber total hip in einem minimalistischen Stil ausgebaut. Die Menu-Bestellung erfolgt – typisch für Japan – am Automaten. Eine weitere Option für eine feine Ramen-Suppe ist das Restaurant Inoichi in der Nähe der Station Gion.
Tag 3: Kyoto aus neuen Blickwinkeln
Am liebsten sind mir jeweils die Entdeckungen, die ich zufällig mache und nicht vorher recherchiert habe. Genau eine solches Bijou ist das Murmur Coffee in Kyoto. Als ich am ersten Abend dem Kanal entlang spazierte, hat mich die auffällige Fassadenfront angesprochen und ich habe es mir für einen Frühstücksstopp vorgemerkt. Auch im Innern entspricht das Cafe mit einer Kombination aus Beton- und Holzelementen ganz meinem Geschmack. Der Kaffee und die feinen Toasts mit Honig sind obendrauf die bekannten i-Tüpfelchen. Ich wäre hier definitiv Stammgast. So aber bleibt es bei einer Stärkung für den dritten Sightseeing-Tag, den wir ganz der Kunst und dem Kyoto «off the beaten path» widmen.
Wir haben nämlich das Glück, dass wir mit unserem Reisezeitpunkt das Eröffnungswochenende der Kyotographie tüpfen. Das internationale Fotofestival findet dieses Jahr bereits zum sechsten Mal im Zeitraum Mitte April bis Mitte Mai statt. Das Fotofestival besteht aus insgesamt 15 verschiedenen Ausstellungen, die kreuz und quer im Zentrum von Kyoto verteilt sind. Der Tagespass kostet 3’000 Yen (rund 27,50 CHF) und berechtigt zum Zutritt zu allen Ausstellungen. Für uns ist nicht nur der künstlerische Aspekt spannend, sondern auch, dass wir auf der Suche nach den einzelnen Locations nochmals eine ganz andere Facette von Kyoto kennenlernen. Vom künstlerischen Aspekt her beeindruckten mich sowohl die Ausstellung von Lauren Greenfield (Generation Wealth), die in einer ehemaligen Druckerei imposant in Szene gesetzt wurde als auch die Werke von Liu Bolin in Zusammenarbeit mit Ruinart (Reveal the Invisible).
Im Gegensatz zu unserem Aufenthalt in Tokyo haben wir in Kyoto im Vorfeld keine Restaurantreservationen getätigt. Der «Trick», um in einem beliebten Restaurant auch ohne Reservation einen Tisch zu erhalten, lautet: Entweder sehr früh oder sehr spät vorbeischauen. Das Restaurant Pound Kyoto Ekimae, das für sein Kobe-Grillfleisch bekannt ist, steuern wir direkt kurz nach der Öffnung um 17:00 Uhr an und haben Glück. Ein Tisch ist noch für 1.5 Stunden zu haben und das reicht in Japan vollends aus. Das Pound ist eine gute Wahl für alle, die sich gerne durch die verschiedenen Kobe-Varianten durchprobieren (und dafür keine Unsummen ausgeben) möchten. Uns hat das Abendessen rund 120 CHF gekostet.
Tag 4: Ausflug ins Grüne
Am vierten Tag ist nochmals frühes Aufstehen angesagt. Ab der Kyoto Station fahren wir in gut 15 Minuten mit der San-In Line nach Arashiyama. Diese Verbindung ist im Japan Rail Pass inkludiert (im Gegensatz zu den Metro-Fahrten zwischen Inari und Sanjo). In Arashiyama schauen wir uns zuerst einen der bekanntesten Fotospots von Kyoto an – der Arashiyama Bamboo Forest. Wer hier nicht zwischen 6:00 Uhr und 6:30 Uhr bereitsteht, der schafft kein Bild, auf dem keine anderen Leute zu sehen sind. Ich war zwischenzeitlich echt sprachlos, wer alles hierhin strömt und dass dies 80% der Leute tatsächlich nur wegen des Bambuswaldes tun. Dieser macht sich auf Fotos zwar gut, bietet aber sonst keine «Substanz». Der Abschnitt ist relativ kurz und in echt meiner Meinung nichts Besonderes. Schaut euch also kurz den Bambuswald an, trinkt einen Kaffee bei 100% Arabica Arashiyama und widmet euch danach den echten Highlights von Arashiyama. Dazu gehört direkt neben dem Bambuswald der Tenryu-ji Tempel. Dieser ist aufgrund seiner Nähe zum Bambo Groove gut frequentiert.
Wir spazieren im Anschluss weiter nordwärts, passieren ein hübsches historisches Viertel und erreichen nach gut 20 Minuten den Adashinonenbutsuji Tempel. Das Spezielle an dieser Tempelanlage sind seine über 8’000 kleinen Buddha-Statuen sowie – Bonustipp (!) – der wirklich schöne Bambuswald. Die meisten Bambuswald-Postkartensujets stammen nämlich nicht vom Arashiyama Bamboo Groove, sondern vom Bambuswald in der Adashinonenbutsuji Tempelanlage. Interessanterweise übersehen die meisten Touristen dieses Detail, anders kann ich mir nicht erklären, wieso es beim Adashinonenbutsuji Tempel keine Leute hat. Leider war der Zugang zum dortigen Bambuswald während unseres Besuches aufgrund Bauarbeiten geschlossen und wir haben nicht herausgefunden, wann die Arbeiten abgeschlossen sein werden. So oder so: Der Abstecher lohnt sich in jedem Fall. Wer der Strasse weitere zehn Minuten bergwärts folgt, der erreicht eine weitere herausragende Tempelanlage. Auch wenn wir in Tokyo und Kyoto bereits viele Tempel gesehen haben, der Otagi Nenbutsu-ji wird uns mit seinen Rakan-Figuren (quasi antike Emojis) in Erinnerung bleiben. Ihr seht, Arashiyama bietet weit mehr, als ein Instagram-taugliches Bambusbild.
Praktische Reisetipps für Kyoto
- Wir haben im Hostel K’s House Kyoto in einem Doppelzimmer mit Gemeinschaftsbad übernachtet und für 4 Nächte 270 CHF bezahlt. Die leicht teureren Doppelzimmer mit privaten Bad waren während unseres Buchungszeitpunkts (im Oktober) bereits ausgebucht. Das K’s House ist aber auch mit Gemeinschaftsbad eine gute Wahl, da es in Gehdistanz zur Kyoto Station (mit direkten Verbindungen nach Arashiyama und Nara) und zur Shichijo Station (Richtung Gion und Inari) liegt.
- Die IC-Cards (z.B Pasamo oder Suica) funktionieren sowohl in der Metro von Kyoto als auch in den Bussen.
- In den Bussen steigt man bei der hinteren Tür ein und zahlt vorne beim Fahrer beim Aussteigen (entweder mit der IC-Card oder in Bar mit dem exakten Betrag).
- Direkt bei der Kyoto Station befindet sich der Coffeeshop Kurasu – Kaffeeliebhaber finden hier eine spannende Auswahl an Filterkaffee.
- Eine grossartige Auswahl an lokalen Köstlichkeiten findet man auf dem bekannten Nishiki Market.
- Ein lässige Alternative zur klassischen Küche von Kyoto ist das Beer Lab. Hier gibt es eine Auswahl lokaler Biere sowie unglaublich leckere Häppchen (mein Favorit ist der Speck – soooo lecker!).
- Die Besichtigung der meisten Schreine ist kostenlos. Bei den Tempelanlagen muss in der Regel ein Eintrittsticket gelöst werden (meist zwischen 300 und 500 Yen pro Person).
Tausend dank für die wunderschönen Bilder und so tollen Informationen, wir planen gerade eine Japanreise und sind etwas unsicher was im April die besten Tage für Kyoto sind um die Massen der Kirschblütenbesucher etwas zu umgehen, wie war es denn bei euch? Viele Grüße!!
Hoi Johanna Marie, danke für deinen Kommentar. Wir waren mitte April (13.4-16.4) in Kyoto unterwegs, da war die Kirschblüte schon fast wieder vorbei, da sie letztes Jahr relativ früh stattfand. Mit Ausnahme vom Goldigen Tempel, dem Bambuswald (der definitiv überbewertet ist) und dem Inari Schrein ging es eigentlich noch mit dem Leuten. Es lohnt sich, früh aufzustehen und die Hotspots in den Morgenstunden zu besuchen.
Hallo, wunderschön, ich lebte in Kyoto, und ja es lohnt sich früh aufzustehen… ich vermisse die Tempel. Habe heute das Buch Kulinarische Zeitreisen bekommen, so schön, so ich schaute wer die Autorin. :-) Könnte sein das ich schon einmal den Blog gesehen habe, werde weiter schauen, weil es ist wirklich gut und schön gemacht.
Alles Gute. Trisha
Liebe Trisha vielen Dank für deinen Kommentar und freut mich sehr, dass dir der Blog gefällt :)