Ach, du meine Güte! Ich war richtiggehend geschockt ab dem Anblick all der wartenden Menschen auf dem Bahnsteig des Bahnhofs Gent-Sint-Pieters. Leider waren wir nicht die Einzigen mit der glorreichen Idee, an diesem herrlichen Samstagmorgen einen Tagesausflug ins 50 Kilometer entfernte Brügge zu unternehmen. Bei der Einfahrt des Zuges sackte meine Laune noch ein wenig mehr Richtung Tiefpunkt. Er war bereits proppenvoll mit unternehmenslustigen Familien und Senioren. Halleluja! Die Aussicht auf einen freien Sitzplatz verflüchtigte sich im Nu. Somit blieb uns nichts anderes übrig, als uns mit der gesamten Horde in den Vorraum zu drängen und die Fahrt stehend zu überbrücken. Grundsätzlich ist das ja kein Anlass für Lästereien. „Kann ja mal passieren“, denkt ihr euch jetzt vielleicht. Stimmt! Trotzdem haben wir uns den lang ersehnten Ausflug ins vielfach hochgelobte Brügge anders vorgestellt. Entspannter, zufriedener, ohne Hektik, mit Blick aus dem Zugfenster und Vorfreude auf die malerische Kleinstadt, deren mittelalterlicher Kern seit 2000 ein UNESCO-Weltkulturerbe ist.
Die Hotspots
Nun, wir erreichen Brügge auch stehend (Zugfahrt Gent – Brügge dauert knapp 30 Minuten). Während die gesamte Menschenmasse langsam aus dem Zug strömt, sind wir uns bereits nicht mehr so sicher, ob wir Brügge überhaupt mögen werden. Dennoch, einen Abstecher zu den Hotspots muss drin liegen. Wir spazieren vom Bahnhof via Steenstraat zum Markt, von dort zackig weiter via Burg direkt zum Postkartenmotiv schlechthin – dem Rozenhoedkaai. Brügge ist hübsch, keine Frage. Aber uns fehlt die Gemächlichkeit. Überall muss man sich an geführten Gruppen vorbeischlängeln.
Blaue Ader
Kaum verlassen wir die stark frequentierten Gassen im innersten Kern, nehmen auch die Menschenmassen blitzartig ab. Im ehemaligen Hansequartier nordöstlich des Markts spüren wir zum ersten Mal das Flair der Stadt. Wir schlendern entlang der Kanäle und müssen beim Anblick der gefüllten Kanaltour-Boote schmunzeln. Die Kanaltour gehört zu den Klassikern bei einem Brügge-Besuch. Zu Fuss lässt sich die blaue Ader der Stadt aber genauso gut entdecken.
Idylle entlang der Vesten
Je weiter wir uns von der Innenstadt entfernen, desto idyllischer erscheint uns Brügge. Bei so viel Faszination fürs malerische Stadtzentrum vergessen wohl die meisten Touristen, einen Abstecher in die grüne Lunge, die Brügge umgibt, einzuplanen. Die sogenannten Brugse Vesten – Stadtwälle – bergen eine Vielzahl interessanter Ecken und bieten schöne Blicke auf die Türmchen der Innenstadt. Wir besichtigen zuerst eine der vier noch erhaltenen Windmühlen und spazieren zurück in Richtung Minnewaterpark vis-à-vis vom Bahnhof. Gleich gegenüber befindet sich der jahrhundertealte Beginenhof „Het Prinselijk Begijnhof Ten Wijngaarde“. Die weissgekalkten Häuschen und die mächtigen Bäume strahlen eine unvergleichliche Ruhe aus. Hier, zwischen Beginenhof und Minnewaterpark stossen wir ganz unverhofft auf die Weinbar One (Arrenallstraat 55), ein kleines kulinarisches Paradies. Lasst euch nicht von der unscheinbaren Fassade und dem Namen des Lokals täuschen. Hinter den dicken Efeuhecken versteckt sich eine romantische kleine Terrasse. Fernab von Hektik werden hier frische, hausgemachte Köstlichkeiten serviert. Aber psssst! Dieses Plätzchen ist zurzeit noch garantiert Massentouristen frei.
Hinweis: Mein Besuch in Brügge wurde von Tourismus Flandern unterstützt. Vielen Dank hierfür! Meine Leser dürfen wie immer sicher sein, dass ich stets meine Ansichten und Begeisterung vertrete.
WEIN-Bar in Belgien?? Ich bin entsetzt! ;)
Immer diese Vorurteile ;D