Mit einem Latte Macchiato «to go» und Amaretti ausgestattet, steuern wir zügig das Perron mit dem wartenden Zug Richtung Mailand an. Es ist Pfingstsamstag und der Zug bis auf den allerletzten Platz besetzt. Zum Glück ist mir eine Woche vor der geplanten Reise in den Sinn gekommen, dass die Nachfrage über die Feiertage hoch sein wird und ich mit dem Ticketkauf besser nicht bis zur letzten Minute warte. 4 Stunden und 46 Minuten später fahren wir in Torino Porta Nuova ein. Hinter uns liegt eine kurzweilige Reise mit einem Umsteigestopp in Mailand und vor uns wartet ein verlängertes Wochenende «Dolce Vita» in der ehemaligen Hauptstadt Italiens – und zum Glück eine – die bislang nicht von Touristen «überrannt» wird.
#1 Die schönsten Aussichtspunkte
Wobei wir uns dafür das falsche Wochenende ausgesucht hatten. Als wir uns definitiv entschieden, über Pfingsten eine Städtereise nach Turin zu unternehmen, war nämlich noch nicht bekannt, dass Juventus Turin just an dem Wochenende den Champions League Final gegen Real Madrid bestreiten würde. Das Finalspiel fand zwar in England statt – dennoch pilgerten beinahe 30’000 Juventus-Fans an diesem Wochenende nach Turin und fieberten auf der Piazza San Carlo beim Public Viewing mit ihrem Team mit – ein Event mit einem tragischen Ende. Wir waren zum Glück nur kurz auf der Piazza (mir hatte es eindeutig zu viele Leute), sahen aber am nächsten Morgen das hinterlassene Chaos der Massenpanik und waren zutiefst bestürzt! Abstand schaffte der Abstecher zum Monte dei Cappuccini. Vor der Kirche Santa Maria, die an leicht erhöhter Lage über dem Po gebaut wurde, gibt es eine tolle Aussichtsplattform mit phänomenalem Panoramablick über die Innenstadt. Das Ganze kostet (mit Ausnahme einiger Höhenmeter) nichts.
Weit mehr Geduld und Geld erforderte der Abstecher auf das Wahrzeichen Turins. Der Mole Antonelliana ist ein eigenwilliges Bauwerk. Der Turm wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gebaut und galt mit einer Höhe von 167.50 m bei seiner Fertigstellung als zweithöchstes begehbares Gebäude der Welt. Heute beherbergt der Mole Antonelliana das Museo Nationale del Cinema. Wer mit dem Lift auf die Aussichtsplattform fahren möchte (die Liftfahrt im Glaslift ist ein Erlebnis für sich), der bucht sich das Ticket idealerweise online im Voraus. Wir warteten nämlich ganze zwei Stunden, bis wir endlich an der Reihe waren.
#2 Architekturhighlights
Turin ist eine elegante Stadt – und das, obwohl die Industrie das Stadtbild des 20. Jahrhunderts wie in kaum einer anderen italienischen Stadt mitprägte. Unser Spaziergang beginnt an der Porta Palantina. Das Stadttor unweit des Corso Regina Margherita ist der bedeutendste noch erhaltene Zeitzeuge des römischen Turins. Dahinter liegen die schmalen Gassen des historischen Viertels «Quadrilatero Romano». Östlich und südlich ans Quadrilatero Romano grenzt das aristokratische Zentrum von Turin mit wunderbar weitläufigen Plätzen, edlen Palästen und grosszügigen Bogengängen. Einige dieser Bijous (wie die Subalpina Galleria) liegen leicht versteckt in Innenhöfen oder Gebäudedurchgängen.
Sowohl im Zentrum als auch in den Aussenbezirken gibt es einige Highlights der Industriearchitektur sowie gelungene Umnutzungsbeispiele von Industriebrachen zu besichtigen. So fällt schräg vis-à-vis vom Mole Antonelliana die spezielle Fassade des Radio- und Fernsehmuseums auf und für Fiat-Fans gehört der Abstecher zum Lingotto Fiere mit der ehemaligen Fiat-Teststrecke auf dem Gebäudedach zum Pflichtprogramm.
Wir haben uns intensiver mit dem Stadtviertel Dora auseinandergesetzt und sind mit dem Tram zum Parco Dora rausgefahren. Dort gibt es zum einen Mario Bottas hervorragender Kirchenbau Santo Volto zu bewundern. Andererseits wurde direkt gegenüber der Kirche rund um ein ehemaliges Fiat-Walzwerk eine weitläufige Parkanlage (Parco Dora) realisiert. Die Umnutzung von Turins grösster innerstädtischen Industriebrachen wurde mehrfach ausgezeichnet und ist meiner Meinung nach ein tolles Beispiel für eine Parkanlage, die den verschiedensten Bedürfnissen gerecht wird.
Ebenfalls sehenswert ist das Baumhaus «25 Verde» des Architekten Luciano Pia. Das Gebäude befindet sich im Stadtteil San Salvario unweit des Parco del Valentino.
#3 Lauschige Plätzchen
Turin ist eine überraschend weitläufige Stadt, aber auch eine mit vielen grossen Parkanlagen und schön gelegenen Naherholungsräumen. Zu den beliebtesten zentrumsnahen Parkanlagen gehört der am Po-Ufer gelegene Parco del Valentino. Am besten versorgt man sich am Parkeingang mit einem feinen Gelato und setzt sich danach auf eine der zahlreichen lauschig gelegenen Sitzbänke und beobachtet das kunterbunte Treiben rundherum.
#4 Turin für Foodies – Die besten Restaurants
Zu einer Städtereise gehört ja für uns bekanntlich die Kulinarik mit dazu. Dementsprechend habe ich mir im Vorfeld einige Restaurants herausgesucht und Reservierungen getätigt. Dabei ist uns aufgefallen, dass überraschend viele Restaurants am Sonntagabend geschlossen haben.
Das Café al Bicerin ist definitiv kein Geheimtipp, sondern ist in vielen Guides zu finden. Dennoch ein netter Kaffeestopp beim Bummel durchs Quadrilatero Romano.
Am Mittag sind wir einmal im Restaurant vom Kulturlokal «il Circolo dei Lettori» eingekehrt. Nebst der Durchführung vieler kulturellen Veranstaltungen wird hier auch fein gekocht. Das «Piedmont Tasting Menu» mit sieben Gängen kostet 39 Euro und gibt einen schönen Einblick in die lokale Küche.
Für die zwei anderen Mittagessen (am Samstag und Sonntag) habe ich mir je einen Tisch in den Sternerestaurants del Cambio (eine Turiner Institution) und Magrorabin reserviert. Das del Cambio ist schön gelegen und serviert die Spezialitäten des Piemonts auf eine klassische Art. Wir probierten uns durch das Menu «la Traduzione» (105 Euro), das mich von A bis Z begeisterte.
Ganz im Gegensatz zum Magrorabin, wo mich das Menü «aria» (100 Euro) mit manchen Gängen herausforderte. Ich esse wirklich vieles, aber die Vorstellung, dass da nun rohe Scampi in meinem Teller liegen, finde ich irgendwie nicht so prickelnd. Ich probierte mich tapfer durch jeden Gang und muss diesem Restaurant für seinen Innovationsgeist ein Kränzchen winden. Das Magrorabin kreiert aus lokalen Spezialitäten neue, unerwartete Kombinationen. Wer Spannung auf dem Teller mag, ist hier am richtigen Ort.
Nach solch ausgiebigen Mittagsschlemmereien liessen wir es am Abend langsamer angehen. Ein Tipp von einem Arbeitskollegen vom Freund folgend, landeten wir an einem Abend im Ausgehviertel San Salvario im «il barotto». Eine junge Küchencrew zaubert hier mit Spezialitäten aus dem Aostatal feine Plättli und Apérohäppchen. Perfekt für den kleinen Hunger.
Feine, saisonale Gerichte werden im Ristorante Consorzio aufgetischt. Ideal für alle unkomplizierten Essen mit einem Faible für frische, lokale Produkte.
#5 Was tun bei Regenwetter? Museen und mehr.
Turin hat einige spannende Museen. Mein Favorit wären die Musei Reali Torino gewesen – die Räumlichkeiten im königlichen Palast müssen wahnsinnig imposant sein. Leider fiel unser Regentag auf einen Montag, wo die meisten Museen geschlossen sind. Eines der wenigen Museen, das Montagvormittag geöffnet hat, ist das ägyptische Museum (Museo Egizio). 1824 gegründet, ist das ägyptische Museum Turin das älteste ägyptische Museum Europas und weltweit das zweitwichtigste nach demjenigen in Kairo. Ein absolutes Muss für alle Ägypten-Fans und ein willkommenes trockenes Plätzchen für den Rest. Im Eintrittspreis von 15 Euro ist ein Audioguide inkludiert, der einem je nach Wunsch in einer ausführlicheren oder einer verkürzten Version durch die Räumlichkeiten führt.
Extratipp: schön gebettet
Übernachtet haben wir bei Marta und Riccardo im Bed and Breakfast Palazzo Chiablese (Partnerlink) an allerbester Lage. Die beiden Gastgeber sind unglaublich herzlich und hilfsbereit. Wir waren im Zimmer Biancamaria (ab 120 Euro pro Nacht mit Frühstück) einquartiert und sind einstimmig überzeugt: die perfekte Basis, um nach einem feinen Frühstück mit allerlei hausgemachten Köstlichkeiten durch Turins Gassen zu streifen.
Die wichtigsten Fragen zu deiner Städtereise nach Turin:
Turin (auf italinisch «Torino» genannt) liegt in Norditalien am Fusse der Alpen – Turin ist die Hauptstadt der Region Piemont.
Mit rund 880’000 EinwohnerInnen ist Turin nach Rom, Mailand und Neapel aktuell die viertgrösste Stadt Italiens.
Von der Schweiz aus erreichst du Turin am besten mit dem Zug über Mailand. Dank der Schnellfahrstrecke (Hochgeschwindigkeitsnetz) Mailand – Turin dauert die Zugfahrt auf dieser Strecke nur rund eine Stunde. Die Fahrzeit von Zürich bis nach Turin (Bahnhof Torino Porta Nuova) beträgt mit einmal Umsteigen in Milano Centrale fünf Stunden.
Aufgrund der Fülle an Sehenswürdigkeiten und tollen Restaurants empfehle ich, für Turin mindestens zwei volle Tage vor Ort einzuplanen.
Frühling (April – Juni) und Herbst (September – Oktober) eignen sich am besten für eine Städtereise nach Turin. Wer die Stadt mit möglichst wenigen anderen Touristen teilen möchte, der legt die Reise auf ein Wochenende im März oder November.
Wieder ein interessanter Beitrag und Fotos, die mir manchmal etwas zu groß vorkommen.
TURIN steht brennend auf meiner Wunschliste.
Dies hat allerdings einen Grund, den nicht alle wissen.
Das Teatro Regio ist nämlich das einzige (soweit mir bekannte) Opernhaus, was die Sitz-Struktur einer umgedrehten Muschel hat,
was nach der Amphie-Struktur die beste für Optik und Akustik ist.
Dieses wäre für meine Wagner-Begeisterung (Alt-Wagnerianer) sehr gut, doch das Teatro Regio muss sich erst einmal etwas Mühe machen
und eine vernünftige Inszenierung (!) eines Wagner-Werkes auf die Bühne bringen, bevor ich kommen.
…danach sieht es z. Zt. allerdings nicht nach aus.