Im westlichsten Zipfel unseres Landes befindet sich ein vergessener Fleck Schweiz. Eine Gegend, an der man nicht einfach mal so vorbeifährt. Quasi ab vom Schuss. Um dorthin zu gelangen, muss man nicht nur den Röstigraben überqueren, sondern auch, vorausgesetzt man ist ÖV-Reisender, zwei- dreimal umsteigen, bis das Ziel erreicht ist. Wer mit dem Auto unterwegs ist, hat kurvenreiche schmale Nebenstrassen zu bezwingen. Diese mysteriöse Gegend erstreckt sich entlang der Hügelzüge hinter Nyon bis hinauf nach Vallorbe und nennt sich Parc Jura Vaudois. Einer der insgesamt 16 Schweizer Pärke von nationaler Bedeutung. Ich habe die Gegend Ende September erkundet und euch einige Tipps mitgebracht. Eins vorweg: es lohnt sich, die Gegend bewusst anzupeilen.
Essen zum Ersten: Ausgezeichnete Küche in Arzier
Ich werde auf der Rückseite des Bahnhofs Nyon mit Ukulele-Geklimper begrüsst. Ganz automatisch nehme ich den Rhythmus auf und summe mit. Meine Füsse wollen stehenbleiben und zuhören. Oder noch besser: sich hinsetzen, mitschnippen und die letzten Sonnenstrahlen geniessen. Leider ist Nyon noch nicht das Ziel meiner Reise. Von hier geht’s mit der NStCM „le chemin de fer Nyon – St-Cergue – Morez“ in einer panoramareichen Fahrt vom Genferseegebiet in Richtung Jura-Anhöhen.
Mein erster Zwischenstopp ist Arzier. Das Dorf liegt an erhöhter Lage und bietet schöne Blicke in die Genfersee-Ebene. Die kleine Ortschaft überrascht mit einer kulinarischen Perle. In der Auberge de l’Union werden erstklassige saisonale Köstlichkeiten aufgetischt. Das Restaurant ist mit 15 GaultMillau Punkten und dem Bib Gourmand (gutes Preis-Leistungsverhältnis) vom Guide Michelin ausgezeichnet. Oberhalb des Restaurants gibt es noch einige Zimmer, die mit einer gekonnt kombinierten Materialisierung aus Holz- und Steinelementen und einem schönen Ausblick überzeugen. Ideal um am Abend unbeschwert dem Genuss zu frönen und anschliessend einige Treppenstufen höher ins Bett zu plumpsen.
Auberge de L’Union – Route de Saint-Cergue 9 – 1273 Arzier
Essens zum Zweiten: Mittagsrast mit Ausblick
Urchiges Ambiente statt Sternenküche gibt es im Chalet des Auges. Die sogenannte Buvette liegt oberhalb von Orbe. Der perfekte Zwischenstopp bei einer gemütlichen Wanderung in der Gegend. Bei klarem Wetter hat man von der Terrasse aus den Neuenburger-, Bieler- und Murtensee im Blick. Wir können beim hartnäckigen Dunstschleier am Horizont knapp den Neuenburgersee erahnen. Während wir mit Weisswein anstossen und uns über das Plättli hermachen, stört wie aus dem Nichts das hackende Geräusch von Rotoren die Stille. „Das sei normal“, meint die Serviceangestellte. Und schiebt nach „Hier kommen öfters Leute aus Lausanne oder Genf mit dem Helikopter Mittagessen“. Wir sind alle etwa gleich verdutzt. Aber nachdem der Helikopter seinen Landeplatz gefunden und der Pilot samt Besatzung ebenfalls auf der Terrasse Platz genommen hat, kehrt die Idylle zurück und wir können unsere volle Aufmerksamkeit der Spezialität des Hauses, «Croûtes aux champignons», widmen. Verrückte Welt.
Bäume aus aller Welt
Über 4‘000 verschiedene Baumsorten in einer 200 Hektar grossen natürlichen Anlage. Das nationale Arboretum in Aubonne wurde ursprünglich zu wissenschaftlichen Zwecken gegründet. Heute erfreuen sich zahlreiche Spaziergänger ab der Artenvielfalt. Die Anlage ist ganzjährig frei zugänglich. Verschiedene Spazier- und Wanderwege führen durch das Gebiet. Die aus den gemässigten Zonen stammenden Arten sind thematisch gruppiert. So spaziert man zum Beispiel vom Kastanienbaum-Wäldchen vorbei an den Ahorn-Arten zum Kirschen-Grüppchen. Im Frühling und Herbst kommt die Artenvielfalt besonders schön zur Geltung. Hintergrundinformationen und weiterführende Infos gibt es im Besucherzentrum beim Parkeingang.
Arboretum national du Vallon de l’Aubonne – Chemin de Plan 92 – 1170 Aubonne
Herr der Blütenpracht
An einem sonnenverwöhnten Hang auf 1130 m.ü.M bei Vaulion gedeihen über 70 verschiedene Sorten an Kräuter und Heilblüten. Seit 1996 baut Erwin Grünenfelder hier auf einer scheinbar winzigen Fläche von weniger als 2 Hektar erfolgreich Heilpflanzen an. Die Palette reicht von Zitronenmelisse, Oregano, Pfefferminze, Thymian, Ringelblume, Lavendel bis zu Petersilie. Aus den Pflanzen, die nach biologischen Prinzipen angebaut werden, stellt er einerseits ätherische Öle aber auch Teemischungen her. Wer auf einer Wanderung am Hof vorbei kommt, dem empfehle ich einen Abstecher in den Dorfladen. Für mich als Teefanatikerin das reinste Schlaraffenland. Selbstverständlich habe ich mich für den Winter mit den sonnenverwöhnten, handgepflückten und sorgfältig getrockneten Teemischungen eingedeckt.
1000 jährige Geschichten
Nicht weit von Erwin Grünenfelder’s Kräuterparadies entfernt befindet sich die charmante Ortschaft Romainmôtier. Der Ursprung der Benediktinischen Klosteranlage liegt im 5. Jahrhundert und ist damit die früheste Klostergründung in der Schweiz. Die markante Abteilkirche wurde zwischen den Jahren 990 und 1030 nach den Plänen der Kirche von Cluny gebaut und gehört zu den ältesten romanischen Bauten der Schweiz. Die Kirche beeindruckt in ihrem Innern mit einem grosszügigen, lichtdurchfluteten Schiff und interessanten Malereien. Gleich neben der Kirche befindet sich das schmucke aus dem 13. Jahrhundert stammende Haus des Priors mit gleichnamigem Tea-Room. Ein lauschiges Eck, um gemütlich einen Kaffee zu trinken und das historische Ambiente zu geniessen.
Hinweis: Ich wurde von der Region du Lac Léman zu dieser Reise eingeladen – Vielen Dank hierfür. Meine Leser dürfen wie immer sicher sein, dass ich hier stets meine Ansichten und Begeisterung vertrete.
Schön berichtet und schöne Bilder. Vielleicht kommen wir im nächsten Jahr bei der Fortsetzung unserer Transjurane-Veloreise dort vorbei, macht geradezu Lust.
Danke Urs – ich muss dann die Transjurane in die andere Richtung mal fortsetzen :)
Tolle Bilder!
Der Jura wird wirklich gerne vergessen. Ich war diesen Sommer einige Mal darin mit dem Mountainbike und mit dem Motorrad sogar quer von Basel bis nach Lausanne unterwegs und habe alle Touren extrem genossen.
Dankeschön! Ich bin ein grosser Jura Fan und habe ganze Sommer auf dem Mont Soteil verbracht. Nur leider ist der Jura mit meinem Wegzug von Bern nach Zürich etwas weiter in die Ferne gerückt.