Eigentlich hatte ich in diesem Jahr für Auffahrt keine Pläne – da sich früh im Jahr abzeichnete, dass die Wochen davor vollgepackt mit Terminen, Deadlines und Kurztrips waren und somit eine Lücke in der Agenda absolut willkommen war. Dann lichtete sich – aus bekannten Gründen – das Termindickicht von einem Schlag auf den anderen und ich sah mich in Bezug auf Auffahrt mit einer anderen Herausforderung konfrontiert. Wohin, wenn alle gleichzeitig mit den Hufen scharen und das herrliche Wetter selbst überzeugte Stubenhocker nach draussen lockt? Zum Glück habe ich für solche Situationen meist schon eine Handvoll Ideen in petto – so geisterte mir auch diese 2-Tageswanderung entlang einem eher unbekannteren Abschnitt des Jura-Höhenwegs schon länger im Kopf herum. Rasch war klar: Rucksack packen, Wanderschuhe schnüren und ab in den Waadtländer Jura.
Der Jura-Höhenweg im Überblick
Der Jura-Höhenweg zählt zu den Klassikern der Schweizer Fernwanderwege und führt in 320 Kilometern von Dielsdorf nach Genf dem bogenförmigen Gebirgszug des Schweizer Juras entlang. Aufgrund seiner Höhenlage bieten sich Wanderungen auf dem Jura-Höhenweg insbesondere im Spätfrühling/Frühsommer und Herbst an – in den Zeiten, wo in den Alpen teils noch oder schon wieder Schnee liegt. Und genau für diese Zwischensaison habe ich den Jura-Höhenweg schon länger auf dem Radar. Im Frühling 2016 erwanderte ich zum ersten Mal eine der insgesamt 16 Teiletappen – und zwar die Nummer 5 von Weissenstein nach Balsthal. Letzten Herbst nahm ich dann ein Teilstück der ersten Etappe von Dielsdorf nach Brugg in Angriff.
2-Tageswanderung durch den Waadtländer Jura
Diesmal fiel die Wahl auf die Etappen 11 und 12 des Jura-Höhenwegs, die von der Alpbeiz Les Rochats (die ich von meiner Creux du Van Biketour her kenne) stets den Jura-Kreten entlang über das einstig florierende Uhrenstädtchen Sainte-Croix nach Vallorbe führen. Sportliche 47 Kilometer Wanderwegstrecke, die wir noch um ein paar Kilometer anreicherten, respektive «adaptierten».
Der Grund, wieso ich mich ausgerechnet für diese beiden Etappen entschied, war zum einen, dass der Ausgangspunkt Les Rochats nicht direkt mit dem öffentlichen Verkehr erreichbar ist und kaum jemand für eine Streckenwanderung mit dem Auto anreist. Andererseits führt der Jura-Höhenweg in diesem Abschnitt über den Chasseron, der als dritthöchster Schweizer Juragipfel mit einer grossartigen Aussicht zu punkten weiss. Alle guten Dinge sind drei – so auch hier: nebst einem absehbar überschaubaren Menschenauflauf und vielversprechenden Panoramablick war mir auch rasch klar, wo wir übernachten würden. Mit einem kleinen Zusatzschlenker liegt hier nämlich ein Neuzugang der Swiss Historic Hotels – das Grand Hôtel des Rasses am Weg.
1. Wandertag: über den Chasseron nach Les Rasses
Wir starten die Wanderung in der kleinen Ortschaft Provence oberhalb des Neuenburgersees. Um zum Jura-Höhenweg zu gelangen, müssen wir zuerst 400 Höhenmeter überwinden. Hierfür folgen wir dem schmalen, von wunderbar schattenspendenden Baumreihen gesäumten Fahrsträsschen bergwärts. Die Steigung ist angenehm und eignet sich bestens zum «Warmlaufen». Schon bald erhaschen wir den ersten Blick auf das fantastische Alpenpanorama, das uns die nächsten beiden Tage ein treuer Begleiter sein wird.
Nach gut 1.5 Stunden Aufstieg erreichen wir die Jura Hochebene mit ihren typischen weitläufigen und mit eingestreuten Baumgruppen sowie Trockenmauern durchzogenen Weidelandschaften. In Les Rochats genehmigen wir uns eine kleine Verschnaufpause inklusive Einkehr in der Alpbeiz.
Die Aufwärmphase ist vorbei – nun beginnt der «richtige» Jura-Höhenweg. Der Wegverlauf ist abwechslungsreich. Bewaldete Abschnitte mit breiten Kieswegen wechseln sich mit querfeldein Strecken über Juraweiden. Zwischendurch gibt es auch immer mal wieder geteerte Wegstücke und da und dort ist man leider auch den Fahrkünsten des motorisierten Individualverkehrs ausgesetzt. Insgesamt überwiegen aber auf dem Weg Richtung Chasseron die schönen, abwechslungsreichen Naturpfade. So richtig schweisstreibend wird es erst nach La Cruchaude.
Während sich zuvor Ansteigungen und ebene Abschnitte in der Waage hielten, steigt der Pfad nun unablässig steil Richtung Chasseron auf. Der Durchhaltewille lohnt sich – oben auf dem Gipfel erwartet uns ein phänomenaler Rundblick. Während die Juraflanken Richtung Süden sanft abfallen, stürzen auf der Nordseite schroffe Felswände in die Tiefe. Eine imposante Kulisse! Bevor wir den Abstieg nach les Rasses in Angriff nehmen, gönnen wir uns im Berghotel Chasseron noch eine Erfrischung in Form einer wohlverdienten Apfelschorle.
Boxenstopp in Les Rasses
Im Berghotel Chasseron könnte man theoretisch auch übernachten – der Vorteil: das Hotel liegt unmittelbar am Jura-Höhenweg. Der Nachteil: die nächste Tagesetappe, die mit 25 Kilometern schon ordentlich einschenkt, wird nochmals um knapp 6 Kilometer länger. Deshalb haben wir uns ein Hotel ausgesucht, dass etwas näher beim eigentlich Etappenziel Sainte-Croix liegt und in puncto Aussicht gut mit dem Berghotel Chasseron mithalten mag. Hierfür verlassen wir den ausgeschilderten Jura-Höhenweg und wandern stattdessen 400 Höhenmeter vom Chasseron hinunter nach Les Rasses. Am westlichen Dorfrand befindet sich das Grand Hôtel des Rasses*. Das heutige 3-Sterne-Hotel wurde Ende des 19. Jahrhunderts als herrschaftlicher Belle-Epoque-Palais auf dieser Sonnenterrasse des Waadtländer Juras errichtet.
Ich hatte beim Buchen extra darauf geachtet, ein «Bergblick»-Zimmer zu reservieren und der erste Blick aus dem Fenster bestätigt mich darin, diesem Detail Beachtung geschenkt zu haben. Die Aussicht inklusive höchstem Berg der Alpen – dem Mont Blanc – ist schlicht «wow»! Sehr nett ist auch die neu erstellte Sonnenterrasse und der historische «Belle Époque» Saal, wo das Abendessen serviert wird.
Positiv überrascht waren wir ab der Qualität des Essens, da hatte ich ehrlich gesagt keine grossen Erwartungen. Das 3-gängige Abendmenü war aber stimmig und mit 58 CHF fair bepreist. Der einzige «Fail» diesbezüglich war, dass wir eigentlich gar nicht das Abendmenü, sondern à la carte speisen wollten. Auf meine Nachfrage, ob es denn keine andere Karte als diejenige mit dem Abendmenü gebe, wurde mir gesagt «nein, das ist die einzige Karte heute Abend». Leider lief da irgendwas in der internen Kommunikation schief, so dass die ersten Abendgäste, wozu wir gehörten, diese Geschichte aufgetischt bekamen. Denjenigen, die später kamen, wurde dann nebst dem Abendmenü die à la Carte gereicht. Kann passieren und man entschuldigte sich bei uns indem das Glas Rotwein offeriert wurde – nichtsdestotrotz: lasst euch nicht mit einem «nein» abwimmeln.
2. Wandertag: von Sainte-Croix nach Vallorbe
Nach einem zeitigen Frühstück und einem letzten Blick Richtung Mont Blanc nehmen wir tags darauf die zweite Etappe unserer 2-Tageswanderung auf dem Jura-Höhenweg in Angriff. Die ersten knapp drei Kilometer bis nach Sainte-Croix lassen sich theoretisch mittels einer kurzen Busfahrt abkürzen. Wir verzichten aber darauf, unsere Abmarschzeit mit dem Busfahrplan abzustimmen und sehen dieses Wegstück als lockeres Einlaufen.
Im 19. Jahrhundert hielt das kleine Städtchen Sainte-Croix die Position als Weltmarktführer der Musikdosen- und Musikautomatenfabrikation inne. Von dieser internationalen Ausstrahlungskraft ist heute leider nur noch wenig zu spüren. Viele einst stattliche Gebäude, welche die Hauptstrassen säumen, wirken verlassen. Bröckelnder Putz, ungenutzte Erdgeschosse und verlassen wirkende Fabriken – mich stimmt das immer etwas traurig! Schön gelegen (wobei in der heutigen Begrifflichkeit gleichzeitig auch schampar «abgelegen) wäre Sainte-Croix auf jeden Fall!
Wir wandern bergwärts Richtung Col des Etroits und biegen dann linkerhand auf einen Waldpfad ab. Dieser führt uns stetig sanft ansteigend über Juraweiden nach Gittaz-Dessous. Dort folgt ein Teersträsschen, dass uns weiter in die Anhöhen zum Col de l’Aiguillon. Während auf der einen Seite – keinen Kilometer entfernt – die französische Landesgrenze liegt, kraxeln auf der Schweizer Seite schon zur frühen Morgenstunde wagemutige Kletterer an den steilen Felswänden der Aiguilles de Baulmes rum.
Leider lässt das Ende des Teersträsschens noch einen weiteren Kilometer auf sich warten. Erst kurz vor Les Praz geht’s für uns wieder auf natürlichem Untergrund weiter.
Wer sich darauf einstellt, beim Col de l’Aiguillon den höchsten Punkt dieser Etappe zu passieren, der wird beim Aufstieg zum «Le Suchet» mit der Moral zu kämpfen haben. Ich hatte mich zwar darauf eingestellt, dass hier noch ein fieser Anstieg durch den Wald folgt – aber das Teilstück hinter Grange Neuve brachte mich dann doch ordentlich ins Schwitzen. Für einen Motivationsschub sorgte die Gams, die unseren Weg kreuzte. Leider war sie zu schnell (oder wir zu langsam), so dass der Fotobeweis an dieser Stelle ausfällt.
Oben angekommen, lohnt es sich, die zusätzlichen fünf Minuten zum Gipfelkreuz anzuhängen – von dort gibt’s nämlich einen tollen Blick zurück auf die Gipfel, die der Jura-Höhenweg passiert inklusive einem «wow, das alles bin ich gewandert» Moment.
Nun verbleibt uns noch der Abstieg über Juraweiden nach Ballaigues. Die Fernsicht ist an diesem Tag leider etwas diesig. Die unmittelbar vor uns liegenden prägnanten Felswände des Mont d’Or stechen aber trotz bedecktem Himmel heraus. Unübersehbar sind auch die zahlreichen Panzersperren und verlassene Bunkeranlagen – Zeitzeugen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Nach 25 Kilometer Wegstrecke machen sich unsere Füsse beim Durchqueren der Gorges de l’Orbe langsam aber sicher bemerkbar. Und so beschliessen wir kurzerhand, die letzten drei Kilometer zum Bahnhof Vallorbe sausen zu lassen und stattdessen den Bahnhof Le Day (der sich auch auf dem Gemeindegebiet von Vallorbe befindet) anzusteuern.
Bei der anschliessenden Heimfahrt lassen wir die zwei Tage und die bewältigten Kilometer Revue passieren – mit dem Chasseron war für mich definitiv ein landschaftliches Highlight mit dabei. Und auch wenn nicht durchgehend alle Wegstücke für laute Begeisterungsausrufe gesorgt haben, waren es doch alles in allem zwei äusserst facettenreiche Tage!
Praktische Tipps für deine Tour auf dem Jura-Höhenweg (entlang einer der zwei schönsten Etappen 11 und 12)
Der Routenverlauf unserer 2-Tageswanderung entlang dem Jura-Höhenweg könnt ihr nachfolgender Karte entnehmen. Wir starteten die Tour im Dörfchen Provence, das ihr mit dem Postauto ab Yverdon-les-Bains erreicht. Von dort wanderten wir knapp 1.5 Stunden (5.75 Kilometer / 400 Höhenmeter) hinauf zum eigentlichen Ausgangspunkt der Etappe 11 in Les Rochats. Ein alternativer Einstieg zur Etappe 11 gäbe es bei der Bushaltestelle «Romairon, Les Rochats bif.», diese befindet sich rund 3 Kilometer von Les Rochats entfernt direkt am Jura-Höhenweg und verkürzt so die erste Etappe auf 12.5 Kilometer. Bei unserer Version beläuft sich die gesamte Wegstrecke von Provence via Les Rochats nach Les Rasses auf 22 Kilometer und 1’130 Höhenmeter (bergwärts). Die zweite Etappe weist von Les Rasses bis an den Bahnhof Le Day 25 Kilometer und 735 Höhenmeter (bergwärts) auf.
Die Gehzeit beträgt für beide Wanderetappen zwischen 5.5 und 7 Stunden – abhängig von eurem Tempo und der Anzahl Pausen.
Der Jura-Höhenweg führt an zahlreichen Alpbeizen/Buvettes vorbei und somit hat man regelmässig die Möglichkeit, einzukehren. Für die Übernachtung im Doppelzimmer Standard (Bergblick) im Grand Hôtel des Rasses haben wir inklusive Abendessen zu zweit rund 350 CHF bezahlt.
Eindrücke von weiteren Etappen des Jura-Höhenwegs gibt es bei Fräulein Draussen und IDNU. Fräulein Draussen beschreibt in ihrem Tourenbericht die Etappen 7 bis 9 (Frinvillier – Chasseral – Vue des Alpes – Noiraigue). Bei IDNU gibt es Impressionen zu den auf die Etappe 12 folgenden Etappen 13 und 14 (Vallorbe – Le Pont – Col du Marchairuz)
Eine weitere schöne Mehrtageswanderung im Jura könnt ihr entlang dem Chemin au Fil du Doubs unternehmen. Und wenn ihr nun zwar Lust auf einen Abstecher in den Jura bekommen habt, eine Fernwanderung aber nicht euer Ding ist, dann findet ihr hier weitere Ausflugstipps für den Jura: 5 schöne Ausflugsziele im Jura/3-Seen-Land
Danke Travelita für den Bericht (und die tollen Fotos). Mache den Jura-Höhenweg (Teil 9 bis 16) nächste Woche, werde wohl auch im Grand Hotel des Rasses übernachten. Tut ja zwischendurch gut, anständig zu essen und zu schlafen. Merci!
Lieber Peter danke für deinen Kommentar und dir viel Spass (und gutes Wetter) bei deiner Wanderung auf dem Jura Höhenweg!